StartseiteRegionalBaden-WürttembergRassismus-Eklat in der Kreisliga: So geht es Betroffenen heute

Freibad

Rassismus-Eklat in der Kreisliga: So geht es Betroffenen heute

Lauchringen / Lesedauer: 8 min

Kebba Manneh wird in einem Kreisligaspiel rassistisch beleidigt. Weil seine Mannschaft danach geschlossen den Platz verließ, wird sie geehrt. Was der Sportverband nicht wusste: Mannehs Zeit läuft ab.
Veröffentlicht:20.03.2019, 09:37

Artikel teilen:

Im nächsten Sommer will er Schwimmen lernen. Im Freibad in Lauchringen nahe der Schweizer Grenze, gleich neben seiner Wohnung. Es gibt dort Sprungbretter, Rutschen und ein großes Sportbecken, und auch wenn die Kulisse im Dauerregen an diesem Freitag im März kaum trister sein könnte: Für Kebba Manneh ist der Sommer schon ganz nah. Bald sei es soweit, sagt er und deutet mit dem Daumen in Richtung des Freibads. Der 21-Jährige freut sich darauf, obwohl er weiß, dass seine Zeit in Deutschland abläuft.

Er geht in die Küche, um afrikanischen Tee zu holen. „Aber Vorsicht, sehr stark“, sagt er lachend und stellt dampfende Teegläser mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit auf den Tisch. Es ist einer der wenigen Momente, in denen in seinem tiefschwarzen Gesicht die weißen Zähne aufblitzen. Gleich neben der Wohnung rauscht die vom Regen überfüllte Wutach vorbei, man hört sie bis ins Wohnzimmer.

Es ist ein halbes Jahr her, dass sein Name bundesweit in die Schlagzeilen geriet. An einem Samstag im September stand Kebba Manneh wie fast jedes Wochenende mit seiner Mannschaft vom SC Lauchringen auf dem Fußballplatz. Es war ein normaler Spieltag in einer deutschen Kreisliga : Ein paar Zuschauer verfolgten das holprige Geschehen am Spielfeldrand, einige tranken Bier, andere ließen ein paar flotte Sprüche los. Lauchringen lag 1:4 beim FC Weizen zurück.

Hier fühlt er sich wohl: Kebba Manneh im Wutachstadion
Hier fühlt er sich wohl: Kebba Manneh im Wutachstadion (Foto: dpa)

Die Partie ist fast vorbei, als Manneh plötzlich mit Tränen in den Augen unaufhaltsam den Platz verlässt. „Er hat sich nicht mehr beruhigt“, sagt sein Trainer Carmine Marinaro. Erst danach wird klar, dass ein Zuschauer ihn rassistisch beleidigt hat. Aber was für Manneh noch viel schlimmer ist: Dass die Menschen um den Mann herum anfingen zu lachen.

Er will nicht mehr weiterspielen. Kurz darauf entschließt sich seine gesamte Mannschaft, aus Solidarität zu ihrem Freund geschlossen vom Rasen zu gehen. In der 85. Minute muss das Spiel abgebrochen werden. „Rassismus-Eklat in der Kreisliga“ titelt die „Bild“. „Respekt!“, schreibt das Magazin „11Freunde“. „Ich habe mich gefühlt, als wäre ich kein Mensch“, sagt Manneh.

Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bekommt der Vorfall mit. Am nächsten Donnerstag wird der SC Lauchringen mit dem Fair-Play-Sonderpreis des DOSB ausgezeichnet. „Der SC Lauchringen zeigt mit seinem eindrucksvollen Beispiel den Zusammenhalt einer Mannschaft gegen rassistische Äußerungen gegen einen ihrer Spieler“, sagt eine DOSB-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur.

Was der Verband nicht wusste: Genau einen Tag vor der feierlichen Zeremonie in Wiesbaden läuft Mannehs Aufenthaltsgenehmigung ab. Was die Sportorganisation generell zu dem Fall sagt: „Zu laufenden Asylverfahren können wir keine Kommentare abgeben.“

Manneh holt ein zerfleddertes Stück Amtspapier aus seiner Jogginghose. „Aufenthaltsgestattung für MANNEH, Kebba“, steht neben einem Passbild. „Längstens gültig bis: 27-03-19“. Sein Asylantrag wurde bereits vor rund einem Jahr abgelehnt, eine anschließende Klage vor dem Verwaltungsgericht in Freiburg scheiterte.

Asylantrag abgelehnt

Allein im vergangenen Jahr gingen lediglich 6,3 Prozent der Entscheidungen über Asylanträge von Menschen aus Gambia positiv aus, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf Anfrage mitteilt. Manneh lebt seit dreieinhalb Jahren in Lauchringen, er spricht Deutsch, hat eine Arbeitsstelle und Freunde. Eine Woche lang ist er noch geduldet, wie es auf Amtsdeutsch heißt. „Ich habe Angst“, sagt er.

Das Schlimmste für Thomas Kummer ist, dass er es nicht mal wusste. Der 1. Vorsitzende des SC Lauchringen ist vor wenigen Minuten zu Manneh in die Wohnung gekommen. In der Umgebung des freundlichen Mannes mit dem dichten grauen Haar fühlt sich Manneh wohl, sie scherzten und lachten, Kummer beschwerte sich augenzwinkernd darüber, dass „der Kebba immer noch kein Bier“ trinke. Jetzt ist Kummer das Lachen vergangen. Er hält Mannehs Aufenthaltsgestattung in den Händen. „Sie läuft in wenigen Tagen ab?“, fragt er irritiert in Richtung Manneh. „Was machen wir denn jetzt?“

Er hat die Sprache gelernt, er hat Schaffe gelernt.

Lauchringens Kapitän Tobias Kummer

Seit Kummer weiß, dass Mannehs Klage vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurde, setzt er sich massiv für einen Verbleib des Gambiers ein. Er habe nie damit gerechnet, dass sein Antrag abgewiesen werde, sagt Kummer. „Wir kämpfen um dich mit allen Mitteln“, schrieb er Manneh vor einiger Zeit per WhatsApp. Demnächst will er eine Petition starten mit dem Ziel, dass Mannehs Asylantrag noch mal geprüft wird.

Aber als er das zerfledderte Stück Amtspapier in der Hand hält, scheint auch Kummer sich bewusst zu werden, dass er einen Kampf führt, der kaum zu gewinnen ist. „Die Aktion unserer Mannschaft allein zeigt doch, wie gut er integriert ist“, sagt er. „Das hätten die Jungs doch nicht gemacht, wenn er ein Arsch wäre. Die haben Kebba in ihr Herz geschlossen!“

Gambia gilt als relativ sicher

Er will nicht aufgeben. Für die Behörden spielt es keine Rolle, wie gut sich Manneh und seine Mannschaftskollegen verstehen. In Gambia herrscht kein Bürgerkrieg, und seitdem der umstrittene Langzeitherrscher Yahya Jammeh Anfang 2017 wegen einer drohenden Militärintervention westafrikanischer Staaten ins Exil floh, gilt das kleine Land als relativ sicher.

Kebba Manneh (l) zusammen mit dem 1. Vorsitzenden des SC Lauchringen, Thomas Kummer beim abendlichen Training auf dem Fußballplatz.
Kebba Manneh (l) zusammen mit dem 1. Vorsitzenden des SC Lauchringen, Thomas Kummer beim abendlichen Training auf dem Fußballplatz. (Foto: dpa)

Das BAMF teilt zwar mit, dass etwa die Herkunft aus einem bestimmten Land nicht automatisch zu einem Schutzstatus oder der Ablehnung des Asylantrags führe. Stattdessen werde immer „die individuell vorgetragene Fluchtgeschichte“ bewertet. Kummer sagt: „Die sehen den jungen, athletischen Kebba und denken sich automatisch: „Der kann ja ruhig zurück!“".

Wir kämpfen um dich mit allen Mitteln.

Kummer per WhatsApp zu Kebba Manneh

Mannehs Geschichte beginnt 2013. Über den Senegal, Mali, Niger und Libyen sei er etwa ein Jahr später auf einem Boot nach Italien gelandet, erzählt er. Drei Tage habe er mit den anderen Flüchtlingen auf dem Schlepper festgesessen, weil der Kapitän die Orientierung auf dem Mittelmeer verloren habe. Ein großes Schiff habe sie schließlich gerettet. Rund zwölf Monate danach kommt er in Deutschland an.

Beim Fußball blüht Manneh auf

Fragt man ihn, warum er Gambia verlassen hat, senkt er den Kopf. Seine Hand legt sich über die Augen, die Stimme wird brüchig. Dreimal passiert das. Der Raum füllt sich mit Stille, nur der rauschende Fluss gibt keine Ruhe. Erst nach einigen Sekunden kommt eine kurze Antwort: „Meine Geschichte will mir niemand glauben“, sagt Manneh mit Tränen in den Augen.

Mehr will er dazu nicht sagen. Kummer schaut auf die große Uhr an der Wand. „Wir sollten langsam los, Kebba“, sagt der 62-Jährige. Gleich beginnt das Training. Und Kummer hat eine Idee.

Das Wutachstadion des SC Lauchringen befindet sich wie das Freibad gleich nebenan. Mannehs Wohnung, die er sich mit zwei weiteren Afrikanern teilt, liegt dazwischen. Hinter dem Stadion, einem Rasenplatz mit kleiner Tribüne, ist noch ein Kunstrasen für das Training. Der Regen hat zwar etwas abgenommen, aber dafür ist der Wind stärker geworden, leichte Tropfen wehen auf Mannehs Gesicht. Aber im Flutlicht kehrt sein Lachen zurück. Man braucht nicht lange, um zu erkennen, wie wohl er sich im Kreis seiner Mannschaft fühlt.

Manneh während des Trainings beim SC Lauchringen.
Manneh während des Trainings beim SC Lauchringen. (Foto: dpa)

„Seit das passiert ist, hat er sich verändert“, sagt Kapitän Tobias Kummer, der zu seinem Vater Thomas an den Rand des Kunstrasens gekommen ist. „Vorher war er in sich gekehrt. Danach ist er aufgeblüht.“ Er mache jetzt Scherze, und vor einigen Monaten habe Manneh stolz erzählt, dass er mittlerweile sogar eine Steuererklärung machen könne. Es war Tobias Kummer, der damals entschieden hat, dass die gesamte Mannschaft den Platz verlässt. Dass er den Fair-Play-Preis in der nächsten Woche möglicherweise in Mannehs Abwesenheit entgegennehmen muss, versteht der 26-Jährige nicht.

„Er hat die Sprache gelernt, er hat Schaffe gelernt“, sagt er mit leichtem badischen Akzent. Kebba gehöre einfach dazu. Er habe auf dem vergangenen Oktoberfest Lederhosen angezogen und sei auf einer anderen Feier auch schon mal als Schlumpf verkleidet gewesen. Thomas Kummer nickt. „Wenn er gehen muss, ist sein Leben kaputt“, sagt der 62-Jährige. Aber er hat ja noch diese Idee mit dem Bürgermeister.

Duldung verlängern? Es sieht gut aus!

Thomas Kummer erreicht ihn vier Tage später. Es geht um Mannehs Aufenthaltsgestattung. Ob er nicht mal mit dem Chef der örtlichen Ausländerbehörde reden könne, will Kummer wissen. Mannehs Duldung könne sich doch vielleicht um einige Zeit verlängern lassen, oder? Und tatsächlich: „Es sieht gut aus“, sagt Kummer nun an diesem Dienstag. Ein paar Monate werde Manneh wohl noch mal bekommen. Auch das mit der Preisverleihung in Wiesbaden könnte für ihn klappen. Und dann gebe es ja auch noch die Petition.

Wahrscheinlich reicht es sogar für den Sommer. „Ob ich hier bleiben darf oder nicht. Du und die Mannschaft bleibt immer in meinem Herz“, antwortete Manneh vor ein paar Tagen auf Kummers WhatsApp. Seine Uhr tickt nun wieder ein wenig länger. Zumindest so lange, bis das Freibad wieder öffnet.