StartseiteRegionalBaden-WürttembergPolizei im Südwesten spart tausende Einsatzstunden

Einsatzstunde

Polizei im Südwesten spart tausende Einsatzstunden

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Beamte müssen nicht mehr jeden Schwertransport begleiten – viele Probleme bleiben
Veröffentlicht:18.09.2018, 17:10

Von:
Artikel teilen:

Im ersten Halbjahr 2018 hat die Polizei in Baden-Württemberg laut Innenministerium Tausende Einsatzstunden eingespart. Der Grund: Seit gut einem halben Jahr müssen die Beamten nicht mehr jeden Schwertransport begleiten – das dürfen sogenannte Verwaltungshelfer übernehmen. Politik, Polizei und Logistiker ziehen eine erste positive Bilanz. Doch das System hat noch etliche Schwachstellen.

Die Zahl der Großraum- und Schwertransporte ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – von 7500 im Jahr 2012 auf 11 000 Transporte 2017. Im vergangenen Jahr war die Polizei dafür mehr als 50 000 Stunden im Einsatz – wertvolle Zeit, die den Beamten für andere Aufgaben fehlt. Als Grund für den Anstieg gilt vor allem die Energiewende. „Ein einzelnes Windrad hat 80 Transporte“, sagt Christian Klattig . Der Ingenieur ist Betriebsleiter und Mitinhaber des Logistikunternehmens Setreo in Oberkirch im Ortenaukreis. „Bei zehn Anlagen komme ich schnell auf 1000 Transporte.“

20 Prozent Stunden weniger

Um die Polizei zu entlasten, hat das Land vergangenen November einen einjährigen Pilotversuch gestartet. Speziell ausgebildete Verwaltungshelfer dürfen anstelle von Polizisten Schwertransporte begleiten. Vor einer Fahrt müssen sie sich aber mit der Polizei über die Besonderheiten der Strecke austauschen. Durch die Umstellung fielen für die Polizei im ersten Halbjahr 2018 laut Innenministerium 5000 Einsatzstunden weg – ein Rückgang um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die Landesverbände der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) halten das für den richtigen Weg. „Die Kollegen in Ellwangen oder Aalen sind dann wieder verfügbar und müssen nicht mehr nächtelang nur Schwertransporte begleiten“, sagt etwa DPolG-Landeschef Ralf Kusterer. Holger Bienert, Sprecher des Polizeipräsidium Aalens, bestätigt den positiven Effekt für seine Kollegen. „Mir wird von einer spürbaren Entlastung berichtet.“

Finanzielle Nachteile sollen ausgeschlossen sein

Auch finanziell soll die Polizei keine Nachteile haben. Die Vorgabe, dass die Polizei pro Jahr drei Millionen Euro durch die Begleitung von Schwertransporten einnehmen soll, müsse wegfallen, mahnen die Polizeigewerkschafter. Ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU) stellt eine entsprechende Anpassung in Aussicht.

Wie viele Schwertransporte von Verwaltungshelfern begleitet wurden, ist unklar. Das Innenministerium verweist auf das Verkehrsministerium. Eine Sprecherin von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärt aber: „Es wird keine Statistik zu nicht polizeilich begleiteten Transporten geführt.“ Für Christian Klattig von Setreo ist das ein Hinweis auf ein größeres Problem: „Es braucht mehr Zentralisierung“, fordert er. Seit 2010 ist sein Unternehmen als Verwaltungshelfer tätig – grenzüberschreitend für Transporte durch Frankreich, die es damals schon im Nachbarland gab.

Grundsätzlich lobt er das Modell. Verwaltungshelfer seien flexibler einsetzbar als die Polizei. Wenn die Beamten wegen eines Notfalls abgezogen werden, bleibt der Schwertransport irgendwo an der Straße stehen. „Das kostet bei einem Windparkprojekt bis zu 15 000 Euro, wenn ein Transport nicht rechtzeitig ankommt“, so Klattig. Zudem sei die Polizei personell nicht gut genug ausgestattet, um etwa eine Kolonne an Schwertransportern zu begleiten.

Einen Plan für jeden Landkreis

Als großes Problem bezeichnet Klattig die Bürokratie im föderalen Deutschland. Um einen Schwertransport begleiten zu dürfen, braucht ein Unternehmen sogenannte Roadbooks mit Plänen zur Strecke. Laut Klattig gibt es einen Wildwuchs an Roadbooks – jeder Landkreis verlangt ein eigenes. Erstreckt sich ein Transport über mehrere Bundesländer, werde alles ganz kompliziert und teuer. „Es muss einen Standard geben für ganz Deutschland“, sagt Klattig und verweist auf Frankreich, wo dies der Fall sei.

Eine Stelle für das ganze Land

Neben einem einheitlichen Prozedere brauche es zudem eine Stelle für ganz Deutschland, die alle Schwertransporte im Blick hat. „Wir bräuchten eine zentrale Koordinierungsstelle für alle Transporte. Sonst kann es sein, dass es morgens um 5 Uhr bei Aalen auf einer Landstraße zum Verkehrschaos kommt, weil sich zwei Transporte entgegenkommen und nicht aneinander vorbeikommen.“

Politiker in Land und Bund wollen noch einen Schritt weiter gehen: Verwaltungshelfer sollen von sogenannten Beliehenen abgelöst werden. Diese sollen dann alles dürfen, was die Polizei zum Regeln des Verkehrs auch darf – dafür braucht es aber noch gesetzliche Änderungen auf Bundes- und Landesebene. Klattig unterstützt das zwar, aber nicht uneingeschränkt. Auf der Autobahn achte aus seiner Erfahrung niemand auf gelbe blinkende Warnlichter. „Am liebsten wäre mir, dass man auch künftig für die Autobahn die Polizei dazuholt.“