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Eiszeit

Eiszeit zwischen Baden-Württemberg und Ontario

Toronto / Lesedauer: 4 min

Der neue Premier der Partnerregion sagt ein Treffen mit Ministerpräsident Kretschmann ab. Es geht um Windräder: Der Premier will sie nicht, eine baden-württembergische Firma sollte sie bauen.
Veröffentlicht:20.09.2018, 15:32

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Der Premier der kanadischen Provinz Ontario, Douglas Ford , hat ein für Donnerstag (Ortszeit) in Toronto geplantes Treffen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kurzfristig abgesagt. Eigentlich sollte am Donnerstagabend die Landespartnerschaft der beiden Regionen feierlich erneuert werden. Grund ist ein Streit um den vom deutschen Unternehmen wpd projektierten Windpark „White Pines“ in der kanadischen Provinz.

Fords Kabinett hatte das Projekt kurz vor Abschluss gestoppt, nachdem Ford im Juni sein Amt angetreten hatte. Im Wahlkampf hatte er dies versprochen. Nach Protesten hatte wpd in den vergangenen zehn Jahren neun statt 29 Windräder gebaut. Die Provinzregierung von Ontario hat die Kosten für die Abwicklung von White Pines auf 100 Millionen kanadische Dollar beziffert.

Offiziell begründet Ford die Absage an Kretschmann mit einer Terminkollision.

"Ein handfestes Problem"

Der deutsche Generalkonsul in Toronto Thomas Schultze berichtet, dass Fords Mitarbeiter Bedingungen für ein Treffen gestellt haben. „Es gab Vorgaben, was angesprochen werden sollte und was ausgespart werden sollte“, so Schultze. Ein Tabuthema sei dem Vernehmen nach White Pines gewesen. Dieser Bedingung hat Kretschmann offenbar nicht zugestimmt. „Ich bedauere sehr, dass Premierminister Ford nicht mit mir sprechen kann, zumal es ein handfestes Problem gibt“, sagte Kretschmann am Donnerstagmorgen in Toronto.

Die beiden Länder verbindet eine Partnerschaft seit 1987. Bei Kretschmanns Besuch sollten die Partnerschaft erneuert und neue gemeinsame Ziele für Energie und Klimaschutz formuliert werden - auch zwischen den mitgereisten Ministern und ihren kanadischen Amtskollegen.

"Die Firmen sind sensibel"

Katrin Schütz (CDU), Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, war im vergangenen November zur 30-Jahr-Feier der Freundschaft der beiden Regionen in Toronto. „Der Partnerschaftsvertrag ist ausgelaufen, jetzt laufen die Verhandlungen über die Zukunft“, sagt sie. „Ich finde es schade, dass man die Gelegenheit jetzt verstreichen lässt“, zumal Unternehmen aus Baden-Württemberg sehr genau darauf schauten, ob ihre Investitionen in Ontario von Bestand sind. „Die Firmen sind sensibel“, so Schütz. Das bestätigt Harald Unkelbach, Geschäftsführer von Würth und Landesvize der Industrie- und Handelskammer Baden-Württemberg. Investitionen unter den momentanen Rahmenbedingungen in Ontario? „Die Unternehmen werden sich das gut überlegen“, sagt er.

Unternehmen will rechtliche Möglichkeiten prüfen

Gernot Blanke, Vorstand beim betroffenen Windparkprojektierer wpd, spricht von einem einmaligen Vorgang. „Das stellt die Investitionssicherheit in Ontario generell in Frage.“ Eine genaue Streitsumme nennt er nicht, geht aber von „100 Millionen kanadischen Dollar plus“ aus, wie er sagt. Dass die baden-württembergische Landesregierung nicht auf Fords Bedingung eingegangen ist, empfindet er als große Unterstützung, wie er sagt. „Wir prüfen nun die rechtlichen Möglichkeiten und werden mit den Behörden hier vor Ort sprechen“, sagt er der „Schwäbischen Zeitung“ am Donnerstagabend in Toronto.

Schütz bedauert die Entwicklung. „Es wäre schön gewesen, wenn man die Verlängerung der Partnerschaft heute schon hätte feiern können.“ Der Austausch sei auf vielen Ebenen sehr intensiv. „Nun muss man schauen, dass sich die neue Regierung von Ontario sortiert. Wir haben natürlich ein großes Interesse daran, dranzubleiben.“

Kritik von Ministern und SPD-Fraktion

„Das ist in der Tat für uns kein freundlicher Akt“, sagt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Auch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zeigt sich enttäuscht. „Das ist wirklich sehr ärgerlich“, sagt er. Beide betonen, dass die Landespartnerschaft nicht nur eine politische Ebene habe, sondern viele Kontakte auf der Arbeitsebene bestünden. Diese gelte es zu stärken - etwa bei der Forschung an künstlicher Intelligenz oder im Bereich der Mobilität.

Deutlich kritischer äußert sich SPD-Fraktionschef Andreas Stoch, der ebenfalls Teil der Delegation ist. „Hier zeigt sich, was die Gefahr ist, wenn sich die politische Debatte in reinen Populismus verwandelt“, sagt er. „Mir macht es Angst, dass so eine wirtschaftlich starke und wohlhabende Region wie Ontario dafür auch anfällig ist.“ Diese Sorge trage er auch für Baden-Württemberg. Er betont die Wichtigkeit von Partnerschaften und wirtschaftlichen Kontakten.

Für Klaus-Günther Voigtmann (AfD) ist Fords Absage ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert Baden-Württemberg für Ontario habe. „Das zeigt die Wertigkeit“, sagt er. Sein Rat: Kretschmanns Landesregierung solle die Diskussionen in Ontario ernster nehmen. „Andere Parteien packen Themen anders an und schwimmen nicht weiter wie bisher.“