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Mehr Messstellen, weniger Streit: So wollen Grüne und CDU Fahrverbote vermeiden

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Grüne und CDU vereinbaren weitere Maßnahmen, um neue Fahrverbote zu vermeiden
Veröffentlicht:19.02.2019, 16:43

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Mit einer Reihe von Maßnahmen und einem festen Zeitplan Zeitplan wollen Grüne und CDU weitere Fahrverbote in Stuttgart verhindern. Darauf haben sich die Spitzen von Grünen und CDU am Dienstag geeinigt. Vorausgegangen waren ein zweiwöchiges Fingerhakeln und verbale Scharmützel unter den Koalitionspartnern. Die wichtigsten Punkte der Debatte.

  • Neue Messstellen

In Stuttgart stellt das Land ab sofort 38 weitere Messstellen auf. Unter anderem soll in jedem der 23 Stadtbezirke ein Messpunkt stehen. Es wird sich vor allem um Passivsammler handeln. Sie sammeln Schadstoffe aus der Luft. Die Auswertung erfolgt im Labor. Sie kosten wenige hundert Euro pro Stück. Wesentlich teurer, weil technisch aufwändiger, sind Messcontainer. Sie sammeln nicht nur Schadstoffe, sondern werten auch die Ergebnisse der Messungen in Echtzeit aus. Bis Ende März wollen die Koalitionäre in Stuttgart weitere Standorte für Messstellen vorschlagen – in anderen stark belasteten Städten wie etwa Reutlingen.

  • Mehr Messwerte

Grüne und CDU setzen darauf, dass die neuen Stationen eines zeigen: Außer an den drei Stuttgarter Hotspots liegt die Belastung mit Stickoxid und Feinstaub unter den erlaubten Grenzwerten. Auf Grundlage solcher Daten aus mehreren Stadtteilen hat München zuletzt Fahrverbote ausgeschlossen – die Luft sei ja im Großen und Ganzen sauber genug. Ob solche Argumente Gerichte überzeugen, ist nicht geklärt. Denn die EU schreibt vor, dass die Vorgaben für saubere Luft an jedem Messpunkt erreicht werden müssen. Bislang haben die Gerichte zu diesem Zweck auch Fahrverbote als angemessen erachtet, wenn nichts anders hilft. Weiteres Risiko: Neue Messstellen könnten zeigen, dass weitere Straßen stärker mit Schadstoffen belastet sind als angenommen.

  • Standorte überprüfen

Nach den EU-Vorgaben können mehr Messungen in einigen Fällen tatsächlich helfen. Nämlich dann, wenn sie dazu beitragen, die Messergebnisse der offiziellen Stationen zu überprüfen und zu relativieren. So etwa am Neckartor. Dort steht jener Messcontainer, der jahrelang die höchsten Schadstoffwerte Deutschlands ausspuckte. Hier wird bereits seit Längerem auf etwa hundert Metern neben der offiziellen Messtation ebenfalls die Luft analysiert. Das Verfahren ist von der EU anerkannt, um die Repräsentativität einer Messstelle zu prüfen. Im vergangen Jahr lieferte der offizielle Messcontainer deutlich höhere Werte als alle übrigen Punkte daneben. Bleibt das so, wären die derzeit offizielle Werte des Containers nicht mehr repräsentativ – weil viel höher als die Werte de benachbarten Stationen. Darüber hinaus prüft der TÜV gerade alle deutschen Messtationen.

  • Weitere Maßnahmen

Die Landesregierung will am Neckartor eine Busspur einrichten. Staus wären wohl die Folge, nach Ansicht von Gutachtern aber wäre der positive Effekt größer – denn es würden weniger Autos gleichzeitig fahren können. Außerdem werden Gebäude am Neckartor mit einer fotokatalytischen Farbe gestrichen. Sie wandelt Stickoxide in nach heutigem Wissensstand ungefährliche Stoffe um. Das soll auch ein Straßenbelag tun, der um Ostern aufgebracht wird. Filteranlagen werden so umgerüstet, dass sie neben Feinstaub auch Stickoxid aus der Luft holen.

  • Welche Grenzwerte gelten

Darüber stritten CDU und Grüne zuletzt ebenfalls. Sie interpretieren eine Entscheidung der EU unterschiedlich. Die hatte eine Gesetzesnovelle der Bundesregierung durchgewunken. Diese besagt: Bei Werten von maximal 50 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter sind Fahrverbote in der Regel unverhältnismäßig. Der erlaubte Wert von 40 Mikrogramm sei dann anders zu erreichen. Die CDU sagt: Erreicht man 50 Mikrogramm, sind Fahrverbote vom Tisch. Vor allem Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann hält dagegen: Das sei nicht gesagt, man müsse die 40 Mikrogramm einhalten – wenn das nur mit Farbverboten möglich sei, müsse er sich an EU-Recht und die Gerichtsurteile halten.

  • Was das alles bringt

Das ist die große Frage. Unbestritten ist die Luft in Stuttgart und in vielen anderen Städten im Südwesten 2018 besser geworden. In Stuttgart gelten seit Jahresbeginn Fahrverbote für Euro-4-Diesel, deren Auswirkungen sind nicht eingerechnet. Deshalb hoffen Grüne und CDU, dass sie weitere Verbote für Euro-5-Diesel vermeiden können. Diese würden nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht nötig, wenn die Messwerte nicht deutlich sinken. Erreicht werden müssen 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Messstellen-Spitzenreiter am Stuttgarter Neckartor lieferte 2018 mehr 70 im Jahresmittel. Im Sommer muss die Koalition in Stuttgart entscheiden, ob sie weitere Verbote vorbereitet. Dass diese flächendeckend für ganz Stuttgart kommen, gilt jedoch als höchst unwahrscheinlich.