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Mehr Geld und weniger Arbeit für Beamte gefordert

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Beamtenbundchef fordert vom Land mehr Geld und weniger Arbeitszeit für Bedienstete
Veröffentlicht:12.11.2018, 19:11

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Fünf Jahre war er Stellvertreter, seit einem Jahr ist Kai Rosenberger an der Spitze des baden-württembergischen Beamtenbunds: Im Gespräch mit Kara Ballarin zieht er eine erste Bilanz. Sein wichtigstes Ziel: Beamte in niedrigen Besoldungsstufen müssen dringend mehr verdienen, die Wochenarbeitszeit muss sinken. Dazu hat er für die Landesregierung einen Vorschlag.

Herr Rosenberger, was hat Sie überrascht, nachdem Sie Landesvorsitzender wurden?

Um den Lehrerbereich musste ich mich als stellvertretender Vorsitzender praktisch nicht kümmern, da mein Vorgänger Volker Stich den Lehrerbereich selbst abgedeckt hatte. Da ist die Not schon sehr groß und die Arbeitsbelastung extrem hoch. Es gibt viele, die es einfach nicht mehr schaffen, ein volles Deputat auszufüllen. Deshalb finde ich auch den Ansatz von Kultusministerin Susanne Eisenmann falsch, Teilzeit nicht mehr wegen persönlicher Gründe zu gewähren. Der Lehrerberuf büßt dadurch viel von seiner Anziehungskraft ein. Etwas schockiert hat mich zudem die Situation im Justizbereich.

Was liegt hier im Argen?

Ich habe mich letztens mit einem Oberwachtmeister unterhalten, der 59 Jahre alt ist und nach Besoldungsgruppe A6 bezahlt wird. Das sind ungefähr 2000 Euro netto am Ende seines Arbeitslebens. Das ist einfach zu wenig. Ein Gutachten hat gezeigt, dass es nicht verfassungskonform ist, Beamte nach A5 und A6 zu bezahlen, wenn sie in einer größeren Stadt wohnen und voll arbeiten. Das trifft die Justiz-, die Steuer- und die Kommunalverwaltung.

Sollten die betroffenen Beamten eine Zulage bekommen?

Bayern zahlt eine Großstadtzulage. In Baden-Württemberg gibt es aber viel mehr Städte mit hochpreisigem Niveau, da wird die Abgrenzung schwierig. Was ist beispielsweise mit Friedrichshafen, oder Überlingen? Die betroffenen Kollegen sollten besser in A7 und A8 eingestuft werden. Eine andere Möglichkeit wäre, die Beihilfebedingungen wieder zu ändern.

Wie würde sich das auswirken?

Beamte, die ab 2013 angefangen haben, bekommen in der Pension nur noch 50 Prozent und nicht mehr 70 Prozent Beihilfe. Deshalb müssen sie heute schon mehr in die Krankenversicherung einzahlen. Bei einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern kann das 200 Euro pro Monat ausmachen. Das handhabt kein anderes Land so.

Sind Beamte im Südwesten benachteiligt?

Zum Teil schon. Hier arbeiten sie 41 Stunden pro Woche. Zwölf Bundesländer lassen weniger arbeiten. Wir fordern eine Angleichung an den Tarif, der bei 39,5 Stunden liegt. Das Land argumentiert, dass es dann Lücken gäbe, die der Arbeitsmarkt nicht füllen könne. Unser Angebot lautet: Wir arbeiten jetzt auf Halde. Wenn genug Leute eingestellt worden sind, können die Beamten ihre Überstunden abfeiern. Es hat uns schwer enttäuscht, dass für die Beamten kein Geld aus dem Nachtragshaushalt fließt.

Beamte sind für das Land auch ein großer Kostenfaktor – vor allem als Pensionäre. Gerade hier investiert Grün-Schwarz massiv und zahlt inzwischen deutlich mehr pro Kopf in einen Pensionsfonds ein. Ist dieses sparsame, vorausschauende Haushalten für das Land insgesamt nicht wichtiger?

Finanzministerin Edith Sitzmann macht eine gute Arbeit. Ich hätte mir dennoch Signale gewünscht. Die Beihilfe im Versorgungsfall wieder auf 70 Prozent zu erhöhen, so wie in allen übrigen Bundesländern und dem Bund, hätte den Landeshaushalt mit sieben bis acht Millionen Euro pro Jahr belastet. Die Kollegen in A5 und A6 in höhere Besoldungsgruppen einzuordnen wäre auch nicht teurer als zehn Millionen Euro gewesen. Stattdessen gibt man zehn Millionen Euro für Radschnellwege aus.

In manchen Bereichen gibt es bereits einen großen Mangel – etwa bei der IT. Sollte das Land hier Zulagen zahlen, oder würde das Unmut in der Beamtenschaft schüren?

Um die besten Köpfe zu bekommen, muss das Land über Zulagen nachdenken. Die Verwaltung wird insgesamt nur dann langfristig funktionieren, wenn jeder einzelne Bereich funktioniert.

Am Mittwoch treffen sich 150 Delegierte ihrer 50 Gewerkschaften und Fachverbände zur Landeshauptvorstandsitzung – eine der wichtigsten Zusammenkünfte des Beamtenbunds. Auch Innenminister Thomas Strobl hat sich angekündigt. Welche Botschaft werden sie ihm mitgeben?

Wir erwarten konkrete Aussagen zum Doppelhaushalt 2020/2021 – zum Thema Wochenarbeitszeit, aber auch zum Gehalt. Rheinland-Pfalz hat bereits angekündigt, die Tarifergebnisse von 2019/2020 ohne zeitliche Verzögerung auf seine Beamten und Pensionäre zu übertragen, plus einem Landeszuschlag von zwei Prozent zum Juli 2019 und nochmal zwei Prozent zum Juli 2020. Wir haben einen Baden-Württemberg-Zuschlag zum Juli 2018 von 0,325 Prozent bekommen. Damit waren wir führend. Inzwischen haben wir nur noch die viertbeste Besoldung in Deutschland. Rechnet man die höhere Arbeitszeit ein, sind wir auf Platz acht. Wenn Mittelmaß unser Anspruch ist, dann ist die Welt für mich hier nicht mehr in Ordnung.

Gibt es denn auch Lobenswertes?

Ja. Bei Beurteilungen schneiden Teilzeitkräfte – also in der Regel Frauen – schlechter ab als Vollzeitkräfte. Diese Ungerechtigkeit hat das Finanzministerium in seiner Verwaltung festgestellt und darauf reagiert. Das ist bundesweit einzigartig. Ich wünsche mir auch von den anderen Ressorts, darauf zu reagieren – etwa bei der Polizei. Das Land hat schon einiges getan, damit Beamte leichter von einer Laufbahn in eine höhere aufsteigen können. Da geht aber noch mehr – Aufsteiger sollten in jedem Bereich aktiver unterstützt werden. Bei Führungspositionen in Teilzeit und bei Tele- und Heimarbeit gibt es auch noch Verbesserungsbedarf. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass Beamte sich finanziell an der EDV-Ausstattung eines Telearbeitsplatzes beteiligen müssen.