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Mord

Mann bestreitet Mord am eigenen Baby

München / Lesedauer: 4 min

Gericht wirft gebürtigem Italiener vor, seine Tochter zu Tode geschüttelt zu haben
Veröffentlicht:15.11.2018, 18:13

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Ein sechs Wochen altes Baby stirbt in den Armen seines Vaters. Für ihn und seine Ehefrau ist es ein tragisches Unglück. Die Staatsanwaltschaft hingegen glaubt, der Vater habe den Säugling zu Tode geschüttelt. Der Vorwurf: Mord. Am Donnerstag hat der Prozess vor dem Landgericht München I begonnen.

Mit leiser aber fester Stimme hat Claudio M. bis hierhin alle Fragen des Richters beantwortet – wie er in Italien aufgewachsen ist, wie er 2005 nach Deutschland kam, wie er hier seine spätere Ehefrau kennenlernte, und wie diese im September 2017 das gemeinsame Baby zur Welt brachte. Ob die kleine Giulia ein Wunschkind gewesen sei? Bei dieser Frage muss der 33-Jährige schlucken, ehe er ein leises „si“ hervorpresst, die Augen schließt und durchschnauft – sichtlich mitgenommen.

Kreislaufstillstand

Denn Giulia lebt nicht mehr. Kaum sechs Wochen nach ihrer Geburt ist sie in einer Klinik in München gestorben – an einem Mehrorganversagen infolge eines Kreislaufstillstands. Am Tag nach der Tat wird Claudio M. festgenommen. Der Vorwurf: Er soll sein Baby zu Tode geschüttelt haben. So sieht das die Staatsanwaltschaft München, die überdies annimmt, dass der 33-Jährige heimtückisch handelte, da er für seine Tat bewusst jene Minuten ausnutzte, in denen sich seine Ehefrau auf der Toilette befand. Daher lautet die Anklage: Mord.

Verteidiger spricht von „Trauma“

Am Donnerstag hat der Prozess gegen Claudio M. vor dem Landgericht München begonnen. Auf der Anklagebank sitzt ein gedrungener Mann mit kurzgeschorenen Haaren und einer zu großen Brille, die ihm dauernd die Nase hinunterrutscht, weshalb er den Kopf stets leicht nach oben reckt. „Zutiefst traumatisiert“ sei sein Mandant, hat Verteidiger Peter Guttmann im Vorfeld gesagt. „Erst hat er sein geliebtes Kind verloren, und dann hat er auch noch seine Freiheit verloren.“

Das Gericht muss nun klären, ob die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zutreffend sind und Claudio M. – der Hilfskoch sitzt seit einem Jahr in Untersuchungshaft – für lange Zeit hinter Gittern bleiben wird. Oder aber es glaubt dem Angeklagten und seiner Ehefrau, wonach der Tod des Kindes ein tragisches Unglück war, an dem der Vater keine Schuld trägt.

Er hielt die kleine Giulia an jenem folgenschweren Oktobertag auf dem Arm; die Familie war gemeinsam daheim. Das Baby hatte schon tags zuvor mehr geweint als sonst und sich auch nicht beruhigen lassen, als die Ehefrau ins Badezimmer ging. Und so habe Claudio M. den Säugling mehrmals kräftig geschüttelt, sagt der Staatsanwalt, „sodass der Kopf hin und her flog“. Der Angeklagte habe dabei um die Gefährlichkeit des Schüttelns von Säuglingen gewusst und mithin „den Tod seiner Tochter zumindest billigend in Kauf“ genommen.

Noch im Bad hört die Ehefrau Claudio M. rufen. Als sie zurück in der Küche das leblose Baby in seinem Arm sieht, verständigt sie sofort den Notarzt. Ihr Mann versucht noch, den Säugling wiederzubeleben; kurz darauf treffen die Sanitäter ein und bringen Giulia in die Klinik, wo sie infolge des Kreislaufstillstands stirbt. Und dieser wiederum, sagt der Staatsanwalt, sei durch das Schütteln verursacht worden.

Das ist die eine Version der Geschichte; eine ganz andere präsentiert Verteidiger Peter Guttmann, der am ersten Prozesstag eine Erklärung für seinen Mandanten verliest, der sich zur Tat selbst nicht äußern will. Guttmann zufolge haben die Rechtsmediziner „falsche Schlüsse gezogen“; für den Tod des Säuglings könne es etliche andere Ursachen geben. Er spricht von „Missverständnissen, falschen Wahrnehmungen und Interpretationen“. Überdies habe Claudio M. an dem fraglichen Tag das Köpfchen des Babys mit einer Hand gestützt, betont der Anwalt. Und: „Das Gesamtbild zeigt, dass er kein aggressiver Mensch war.“

Ehefrau hält zu ihm

Diese Einschätzung bekräftigt seine Ehefrau, die den 33-Jährigen in ihrer Zeugenaussage als „liebevoll und geduldig“ beschreibt; eine „Quasselstrippe“ sei er gewesen und ein „herzlicher Mensch“. Niemals hätte ihr Mann die kleine Giulia geschüttelt, betont sie, „dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen“. Unter Tränen schildert die Frau danach, wie sehr sie unter dem Tod ihres Babys leide: „Ich gehe jeden Tag zum Friedhof.“

Das Grab seiner Tochter noch nicht gesehen hat hingegen Claudio M. Was er machen wird, wenn der Prozess und seine Folgen einmal vorüber sind, fragt ihn der Richter. Worauf der Angeklagte leise antwortet: „Dann gehe ich als Erstes zum Friedhof.“ Für den Prozess sind sechs Verhandlungstage angesetzt; ein Urteil könnte Ende Dezember fallen.