StartseiteRegionalBaden-WürttembergLet’s talk about Schwäbisch

Dialekt

Let’s talk about Schwäbisch

Tübingen / Lesedauer: 6 min

Der Förderverein Schwäbischer Dialekt kümmert sich um die heimische Mundart – Vielfältiges Förderprogramm
Veröffentlicht:27.03.2013, 07:30

Von:
Artikel teilen:

Wenn die drei Herren, die sich am Dienstagabend im Museums-Restaurant zu Tübingen versammelt haben, die Überschrift dieses Artikels lesen, könnte ihnen etwas wie „hurasackerzement“ entfleuchen. Anglizismen sind ja generell ein Graus, aber wenn dann der geliebte, gehegte Dialekt derart angekündigt wird, kommt das schon per se einer sprachlichen Todsünde gleich. Andererseits: Hermann Bausinger, Hubert Wicker und Hartmut Witte haben sich eigentlich nur vorgenommen, das Schwäbische nicht untergehen zu lassen. Sie wollen und können nicht verhindern, dass sich die Sprache fortentwickelt, dass sie Eigendynamiken unterliegt, dass eben auch Anglizismen ins Deutsche Einzug halten. Und in diesem Sinne kennzeichnet „let’s talk about Schwäbisch“ halt eine gottgegebene Traurigkeit oder Skurrilität oder Zeitgeistigkeit.

Hermann Bausinger nippt an seinem Achtele Rotwein (selbstverständlich eine Mischung aus Trollinger und Lemberger), dazu verzehrt er naheliegenderweise einen schwäbischen Rostbraten. Der Nestor der Empirischen Kulturwissenschaften ist 86 Jahre alt, aber mit einer ungebrochenen geistigen Frische und einem knitzen, trockenen Humor gesegnet. Tagtäglich sitzt er in seinem Büro im Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen , und unter anderem beantwortet er dort die Anfragen, die den Förderverein Schwäbischer Dialekt aus allen deutschen Landen erreichen. Beispielsweise wollte eine Lehrerin eine schwäbische Version von „O Tannenbaum“. „No hon i des halt übersetzt“, sagt Bausinger. Hat sich dieses schwäbische Werk wie das Original gereimt? „Jo, nadürlich hot sich’s g’reimt.“

Mundart wird digitalisiert

Dass der hochdekorierte Volkskunde-Professor altersteilzeitmäßig so beschäftigt ist, das verdankt er Hubert Wicker. Der baden-württembergische Spitzenbeamte – er war unter anderem Tübinger Regierungspräsident, Ministerialdirektor im Finanzministerium und Chef der Staatskanzlei – hat im Jahr 2001 den Förderverein Schwäbischer Dialekt gegründet. Wicker, 64 Jahre alt, bekleidet inzwischen das hochwohllöbliche Amt des Landtagsdirektors und delektiert sich heute Abend ebenfalls an einem schwäbischen Rostbraten, zu welchem er jedoch nicht ein Achtele, sondern ein Viertele Trollinger mit Lemberger trinkt. „I hon oifach subjektiv den Eidruck g’het, dass immer weniger schwäbisch g’schwätzt wird“, sagt er – wobei es an ihm hörbar nicht liegen kann. Fünfeinhalb Jahre lang hatte Wicker als Staatssekretär in Sachsen Aufbauhilfe geleistet, „und wenn ma a Zeitlang weg war, fallt oim des halt b’sonders auf“. Zunächst sei es lediglich „um einen Geldsammelverein“ gegangen. „Am Institut lagerten Unmengen von Tonbändern, die langsam rissig wurden“, sagt Hermann Bausinger dazu. Für eine Digitalisierung der mundartlichen Schätze fehlte das Geld.

Wicker nahm die Sache in die Hand. Er hat zunächst den Sparkassenpräsidenten Heinrich Haasis überzeugt, dann alle Landräte seines Regierungsbezirks. Am 16. Juli 2001 schlug die Geburtsstunde des Vereins. Und seitdem hat Wicker rund 1100 weitere Mitglieder rekrutiert. Geschäftsführer ist Hartmut Witte. Auch er ist Spitzenbeamter – im Tübinger Regierungspräsidium. Die Frage, warum und wie er zu dem Ehrenamt, das ihm Freude, aber auch „saumäßig viel G’schäft macht“, gekommen sei, beantwortet er trocken so: „Wicker war Regierungspräsident, und ich war Referatsleiter.“ Alles klar. Und auch die Methoden der Wickerschen Mitgliederwerbung sind speziell. „Oimol isch a Anmeldeformular zrückkomma, da stand nicht mehr, ,ich möchte’ Mitglied werden, sondern ,ich muss’. ,Möchte’ war durchg’schtricha“, erzählt Witte.

Nebenbei: Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde ebenso rekrutiert wie Menschen, denen das Schwäbische nicht angeboren ist, die Dialektpflege aber grundsätzlich für wichtig halten. Hermann Bausinger hat einmal die Frage, ob man eine Sprachprüfung ablegen müsse, wenn man Mitglied werden wolle, so beantwortet: „Noi, am liebschda isch uns ’n Hamburger Millionär, der viel spendet und ansonschda sei Gosch hält.“

Plötzlich wurde Schwäbisch wieder sexy

Aus dem Geldsammelverein ist ein quicklebendiger Haufen geworden. Aus Mitgliedsbeiträgen (50 Euro jährlich) und Spenden werden Forschungsprojekte finanziert, Druck- und Produktionskosten für schwäbische Mundartliteratur, schwäbisches Kindertheater, Lesungen, Kabarett, Konzerte und und und. „Unter hundert B'sucher sind’s nie, im Einzelfall aber bis tausend“, sagt Hubert Wicker. Der Altersdurchschnitt liege bei 50 plus, aber das sei nicht schlimm. „Wahrscheinlich interessiert oin des halt ersch im fortg’schriddana Lebensalter.“ Der 86-jährige Hermann Bausinger meint: „I bin jedes mol froh, wenn i it d’r Jüngschde bin.“

Er ist ganz zufrieden mit dem Erreichten. Zwar könne man nicht erwarten, dass jemand, der eine Mundartlesung besucht habe, hinterher nur noch schwäbisch schwätzen würde, aber es seien durch die Vereinsaktivitäten sehr viele neue Initiativen entstanden. Mundartdichter entdecken plötzlich ihre Begabung, Menschen auf den Dörfern sammeln alte Wörter, auf lokaler und regionaler Ebene wird geforscht. Eine Klasse des Friedrichshafener Karl-Maybach-Gymnasiums habe sich mit dem Rückgang des See-Alemannischen beschäftigt, und das Buch sei so gut geworden, „dass man es als Doktorarbeit annehmen müsste“. Der Wissenschaftler Bausinger sieht die Zukunft des schwäbischen Dialekts auch deshalb relativ gelassen, weil man dem das Totenglöcklein schon oft geläutet hat: „Es isch sicher so, dass ma seit 200 Jahren klagt.“ 1951 etwa, kurz vor der Gründung des Südweststaats, sei die Furcht „vor einer baden-württembergischen Einheitssprache“ aufgekommen. Und zu Zeiten der Studentenrevolte „war schwäbisch plötzlich wieder sexy“, erinnert sich Bausinger. Die 68er hätten ja angestrebt, dass sich die Universitäten bildungsfernen Schichten öffnen sollten. „Und so hond dann halt Bauernsöhne im breitesten Dialekt mitdiskutiert.“

Dialekt als Widerstandsform

Die Tatsache, dass die Bayern ihr Idiom nach wie vor mit geschwellter Brust hegen und pflegen, während Schwaben eher zur Verleugnung neigen, hat für Hermann Bausinger übrigens nichts mit Klangfärbung zu tun, sondern „mit der komplexen Landesgeschichte“, mit politischen und wirtschaftlichen Faktoren. Württemberg sei „aus zusammengestückelten Territorien“ entstanden.

Welch erstaunliche Karriere ein Dialekt machen kann, lässt sich nebenbei an den Schweizer Nachbarn festmachen. Dort sei das Hochdeutsche im letzten Jahrhundert gewaltig auf dem Vormarsch gewesen. „Aber“, sagt Hermann Bausinger, „dann kam Hitler, und plötzlich war’s geboten, im Dialekt zu reden, und das hat sich erhalten.“ Dialektpflege wurde zur Form des Widerstands. Fürs Schwäbische wünscht sich Bausinger, „dass es nicht hoffähig, aber öffentlichkeitsfähig ist bis in den Landtag rein“. Vorbei sein dürften allerdings in mehrfacher Hinsicht die Zeiten, in denen der junge Herr beim Tanzkränzle seiner Holden eine Frage stellt, die Hermann Bausinger so rezitiert: „Frailein, i schwitz wie die Sau, schwitzet Sie au so?“.

Der alte Herr hat heute noch einen Termin in Reutlingen. Hubert Wicker begleitet Bausinger nach draußen. Als er wieder reinkommt, sagt er: „I hon g’rad a neues Mitglied g’worba. Des isch a Öschterreicherin.“ Sein Geschäftsführer meint lapidar: „Sehet Se, so macht der des.“

Weitere Informationen unter der Nummer 07071/7573292 oder im Internet unter www.schwaebischer-dialekt.de