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Baden-Württemberg wird zum Waldbrandland: So bereitet sich der Südwesten darauf vor

Stutensee / Lesedauer: 11 min

Wie Feuerwehr und Forstleute Waldbrände im Südwestenverhindern und im Notfall besser bekämpfen wollen
Veröffentlicht:13.08.2022, 05:00

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Nach Wochen der Hitze und Trockenheit wirbelt jeder Schritt auf dem Waldboden Staub auf. In der 33 Grad warmen Luft liegt der würzige Duft von Kiefernnadeln.

Ein Idyll der Ruhe und Erholung? In normalen Zeiten sicher. Derzeit ist aber nichts normal, und wird es laut Landesforstminister Peter Hauk (CDU) auch nicht mehr werden. Immer wieder brennt der Wald – nicht nur in Brandenburg und Sachsen, auch im Süden Deutschlands.

Der Klimawandel werde die Gefahr verschärfen, sagen Naturschützer, Feuerwehrleute, Waldexperten und Klimaforscher – und auch Hauk.

In den nächsten 20 bis 30 Jahren wird es schlimmer werden.

Landesforstminister Peter Hauk

Der Hardtwald hier nahe Karlsruhe bilde keine Ausnahme. „Die gesamte Rheinschiene ist gefährdet, und selbst höhere Regionen“, etwa Schwarzwald und die Alb. Und wie auf Kommando bildet Sirenengeheul von Feuerwehrfahrzeugen in der Distanz die Begleitmusik zu Hauks Prophezeihung.

Waldbrände übersteigen die der Hitzejahre 2018 und 2019

Seit den verheerenden Waldbränden der 1970er-Jahre führt Deutschland eine Statistik über die Feuer im Forst. Massiv angestiegen war die Kurve in den Hitze- und Dürrejahren 2018 und 2019. Damals verbrannten laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 2350, respektive 2700 Hektar Wald bundesweit. Der Jahresdurchschnitt seit 1991 liegt bei 776 Hektar.

2022 wird diese Zahlen weit übertreffen. Bis zum 6. August waren mehr als 4000 Hektar Wald verbrannt, wie das EU-Waldbrandinformationssystems EFFIS zeigt – und die trocken-heißen Sommertage sind noch lange nicht vorbei.

Den Wald weiter zu bewirtschaften wie bisher ist keine Option – das hat auch die Politik erkannt. „Die Gefahr steigt, deshalb nehmen wir das auch ernster als früher“, sagt Landesforstpräsident Martin Strittmatter.

Ganz konkret will Hauk dafür Geld aus dem Haushalt des Landes für die kommenden beiden Jahre. Damit soll eine Plattform Waldbrandmanagement bei der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg aufbauen – mit zwei Personalstellen und ausgestattet mit 200.000 Euro. Sie soll Forst und Feuerwehr vernetzen, ihre Technik und Ausbildung standardisieren und forschen. Ob er das Geld bekommt, werden die Haushaltsverhandlungen der grün-schwarzen Koalition zeigen.

Mischwälder pflanzen, Rehe schießen

Was dank des Geldes besser werden könnte, zeigt ein Modellprojekt, dessen Ergebnisse sich Hauk an diesem Tag im Hardtwald bei Stutensee vorführen lässt. Es geht um drei grundlegende Dinge: um die Vernetzung von Feuerwehr und Forstleuten, um ein Umdenken bei der Waldbrandbekämpfung und um den Umbau des Waldes.

Letzteren haben die Forstleute längst auf dem Schirm. Bäume wie Kiefern und Buchen etwa halten in der Rheinschiene dem Klimawandel nicht mehr stand und sterben ab. Es braucht Mischwälder mit vielen Laubbäumen, weil sie besser die Feuchtigkeit speichern und im Brandfall nicht so anfällig sind wie Nadelhölzer, deren Öle das Feuer anheizen.

Johannes Enssle, Landeschef des Naturschutzbunds (Nabu), verweist hier auf die „Kiefernwüsten“ in Brandenburg, die zuletzt gebrannt haben. „Wir brauchen naturnahe Mischwälder und wir müssen mehr Rehe schießen, so bitter das auch klingt.“ Denn die fressen die jungen Triebe nachwachsender Bäume.

 Landesforstminister Peter Hauk (CDU) lässt sich von Alexander Held vom Europäischen Forst Institut in Freiburg zeigen, wie eine Mulchraupe bedient wird.

Bislang erfahren die Forstleute oft erst am nächsten Tag, dass ein Teil ihres Waldes gebrannt hat. Das soll sich ändern – sie sollen sich mit den örtlichen Feuerwehren stärker vernetzen. Deshalb bilden Forst- und Feuerwehrkräfte im Modellprojekt Hardtwald Tandems. Die Forstleute sollen auch selbst eingreifen. Hier kommt die Landesanstalt ForstBW ins Spiel, die mehr als 300 000 Hektar Staatswald bewirtschaftet.

Was genau die Mitarbeiter tun können sollen, demonstriert Lukas Stange von ForstBW. „Die Forstleute sind ständig im Wald“, sagt er. Deshalb entdeckten oft sie ein beginnendes Feuer an einem Grillplatz oder wegen einer weggeworfenen Zigarettenkippe.

Mit der Feuerpatsche gegen die Glut

Auf einem Transporter ist viel Gerät geladen, das aussieht, als diene es der Gartenarbeit: Hacken, Rechen, eine kleine Spritze. All das kann kleine Glutnester ausmerzen, bevor daraus ein Flächenbrand wird.

 Lukas Stange von ForstBW zeigt, wie ein Löschrucksack kleine Brände schnell stoppen kann.

Wie das geht? Etwa mit einer Feuerpatsche. Stange drischt mit ihr immer wieder auf den staubigen Waldboden ein, als müsste er dort tatsächlich ein Feuer löschen. Oder auch mit einem Löschrucksack, den er sich umschnallt und damit einen diffusen oder auch einen gezielten Wasserstrahl abgeben kann.

Damit ein beginnendes Feuer keine Nahrung bekommt, sollen Rechen und Spaten helfen. Damit können kleine Gräben ausgehoben und brennbare Ästchen und Laub auf dem Boden weggeschafft werden. „Wir haben heute schon das Material erfolgreich eingesetzt“, sagt Stange. „Wichtig ist, das Modell jetzt aufs Land zu übertragen“, sagt Landesforstpräsident Strittmatter.

 Auch eine Feuerpatsche kann kleinen Glutnestern schnell den Garaus machen.
 Eine Mulchraupe kann einem Brand die Nahrung entziehen und die Flammen dadurch im besten Fall stoppen.

Johann Goldammer dürfte all das sehr bekannt vorkommen. Der Feuerökologe vom Max-Plack-Institut für Chemie leitet das Global Fire Monitoring Center (GFMC), das an der Universität Freiburg angesiedelt ist. Vor zehn Jahren hat er damit begonnen, in Freiburg aufzubauen, was dank des Modellprojekts im Hardtwald nun landesweit kommen soll.

Der Leiter des Bereichs Brand- und Katastrophenschutz der Stadt habe 2012 an seine Tür geklopft, berichtet Goldammer. Was muss angesichts des Klimawandels passieren, um den Wald besser vor Bränden zu schützen? Diese Fragen beschreibt Goldammer als Geburtsstunde des „Freiburger Modells“.

Von Freiburg lernen

Seitdem wurde eine Taskforce Wald- und Vegetationsbrände gegründet, seit 2015 einige freiwillige Feuerwehren im Umgang mit leichtem Gerät geschult, wie es Lukas Stange im Hardtwald demonstriert hat. „Wenn die Straße aufhört, hört die Nutzbarkeit von großen Löschfahrzeugen auf. Siehe Brandenburg: Da stehen die Fahrzeuge auf der Straße und wässern das Gelände zu beiden Seiten – nicht zielführend“, sagt Goldammer.

Seit 2020 sind auch die Forstleute mit im Boot. „Wenn Feuerwehren in ein unübersichtliches, bergiges Waldgebiet kommen, ist es schwer, sich zu orientieren.“ Hier können sich die Forstleute mit ihrem Wissen um Topographie und Waldbestände einbringen.

Bei Waldbränden an Freiburgs Hausberg Schauinsland sei das bereits sehr wertvoll gewesen. Auch die Berufsfeuerwehren von Freiburg und München seien bei Übungen dabei gewesen, so Goldammer. Vom Land habe er indes wenig Interesse am Freiburger Modell vernommen.

Noch nicht überall gibt es Waldbrandgefahrenkarten

Zum Freiburger Modell gehören auch Waldbrandkarten. Sie sollen eine Übersicht über das Terrain, über besonders gefährdete Bereiche und Wasserstellen geben. Seit Jahren sind diese im Gespräch, andere Bundesländer haben sie flächendeckend erstellt. Baden-Württemberg noch nicht.

„Bisher sind Waldbrandgefahrenkarten und Einsatzplanungen vor allem in den Bereichen vorhanden, in denen ein hohes Waldbrandrisiko besteht, zum Beispiel im Rheingraben, insbesondere im Bereich Hardtwald“, sagt eine Sprecherin von Innenminister Thomas Strobl (CDU), der für die Feuerwehr im Land zuständig ist.

„Gefahrenkarten halte ich für ein sinnvolles Instrument“, sagt Stefan Hermann, Vizepräsidenten des Landesfeuerwehrverbandes. „So kann man viel konkreter planen, wo die Knackpunkte sind.“ Der Zollernalbkreis, dessen Kreisbrandmeister er ist, habe eine solche bereits.

Als Vorteil nennt er, dass das Waldwegenetz im Land gut ausgebaut sei.

Unsere Einsatzkräfte sind in der Regel in zehn Minuten vor Ort.

Stefan Hermann, Vizepräsidenten des Landesfeuerwehrverbandes

Die Herausforderungen werden durch den Klimawandel aber wachsen, sagt auch er. „Darauf müssen wir uns noch besser einstellen.“

Kleines Gerät und wenig Wasser helfen

Das Freiburger Modell bezeichnet Hermann als nachahmenswert. „Was in Freiburg entwickelt und praktiziert wird, macht gerade Schule. Wir müssen Brände frühzeitig bekämpfen, damit sie nicht aus dem Ruder laufen.“ Kleines, leichtes Gerät und wenig Wasser könne dabei sehr helfen.

Das hat Hermann selbst bei einer internationalen Übung in Griechenland erlebt – ein Land, das traditionell mit Waldbränden und Wassermangel zu kämpfen hat. „Etwa zu lernen, dass man mit kleinen Schläuchen und wassersparend arbeiten kann, war eine wichtige Erfahrung. Wasserknappheit ist im Moment nicht unser großes Thema, aber im Einsatzfall dauert es, bis genügend zu Verfügung steht“, so Hermann.

Doch nicht in allen Wäldern ist das Wegenetz so gut, dass die Feuerwehr mit großem Gerät anrücken kann. Extrembeispiel ist der Nationalpark im Schwarzwald, wo die Natur sich selbst überlassen wird – und Wege zurückgebaut werden. Natürlich gebe es auch hier Sorge vor Bränden.

In neun von zehn Fällen werden Brände allerdings durch Menschen verursacht.

Nationalparkleiter Thomas Waldenspuhl

Das geschehe durch Unachtsamkeit oder auch bewusst. „Der Waldbereich, in den der Mensch nicht mehr eindringen darf, ist daher relativ gut vor der Entstehung von Feuern geschützt.“ In den übrigen Bereichen kontrollierten die Rangerteams aktuell noch engmaschiger als üblich. Feuer jeglicher Art, auch Rauchen, sei verboten und könne bei Verstößen bis zu 10.000 Euro kosten.

Braucht es Löschhubschrauber?

Sollte es dennoch brennen, komme wie überall auch in den Nationalpark die Feuerwehr. Als das Wegekonzept 2016/2017 erstellt wurde, sei sie eingebunden gewesen. Man arbeite zudem an einem Waldbrandkonzept, sagt Weidenspuhl und ergänzt: „Um Brände in Wäldern effektiv bekämpfen zu können, brauchen wir es Löschflugzeuge und Löschhubschrauber.“

Daran mangele es in Deutschland, hatten jüngst die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes und der Deutsche Feuerwehrverband gemeinsam Alarm geschlagen. Sie fordern Hubschrauber, die zur Brandbekämpfung sowie zur Menschenrettung eingesetzt werden können.

„Aus unserer Sicht reicht es erstmal aus“, sagt indes Landesbranddirektor Thomas Egelhaaf. Die Feuerwehr könne zwei Polizeihubschrauber zur Unterstützung anfordern und im Notfall Hubschrauber der Bundeswehr. „In den letzten 20 Jahren war keine Unterstützung von oben notwendig.“

Einen Brand bekämpfe man sowieso immer vom Boden aus. Dass Bayern viel stärker auf Hilfe von oben setzt, liege zum einen an der Topografie – Stichwort: Alpen – und an Bauernhöfen, die zum Teil so weit abseits liegen, wie es das im Südwesten gar nicht gebe.

Mit der Drohne den Wald im Blick

Einige Feuerwehren im Land nutzen ein anderes Fluggerät,: Drohnen. Drei Angehörige der Feuerwehr Kronau demonstrieren ihren Einsatz – einer steuert sie, ein zweiter bedient Wärmebild- und normale Kamera, Scheinwerfer und Lautsprecher, ein dritter beobachtet den Luftraum.

Die Drohne piepst kurz beim Start, steigt schnell und summend wie ein Wespenschwarm in die Höhe und überträgt das, was sie sieht, auf einen Monitor.

 Eine Drohne kann bei Waldbränden helfen, aus der Luft den Überblick zu behalten.
 Sie kann bis 120 Meter hoch fliegen.
 Was die Drohne sieht, überträgt sie rin Echtzeit auf einen Bildschirm.

Aus einem Wald, einige Kilometer entfernt, steigen Rauchwolken auf. Es brennt mal wieder im Hardtwald – wie häufig in den vergangenen Tagen. „Gestern waren wir zwölf Stunden mit der Drohne im Einsatz“, sagt einer der Drohnenpiloten. Die Fluggeräte löschen zwar nicht, liefern aber einen guten Überblick.

 Drohnenpiloten der Feuerwehr Kronau bei der Arbeit: Dirk Marterer steuert die Drohne, Carlo Trautwein bedient ihre Ausstattung – Wärmebild- und normale Kamera, Scheinwerfer und Lautsprecher.
Eine Drohne wie die der Freiwilligen Feierwehr Kronau hilft bei Waldbrandeinsätzen. Sie trägt Wärmebild- und normale Kameras, Scheinwerfer und Lautsprecher.

Bei der Frage, wie der Wald besser gegen Brände gerüstet werden kann, droht ein Konflikt zwischen Naturschützern und Brandbekämpfern. Feuerökologe Goldammer beschreibt das so: „Bei uns wurde die Diskussion um die Waldwirtschaft in den vergangenen Jahren von Populisten mitbestimmt. Die Wälder sind jetzt aber so stark ausgetrocknet, dass die Idee, überall Totholz rumliegen zu lassen, uns jetzt um die Ohren fliegt.“

In zehn Jahren sei Baden-Württemberg „Waldbrandland“, sagt er. Feuer in abgestorbenem Holz dringe tiefer in den Boden und führe zum Totalschaden. „Da sehe ich große Probleme auf uns zukommen.“

Konflikt um Totholz im Wald

Auch Nabu-Landeschef Enssle sagt: „Das wird zu Konflikten führen.“ Alles, was dünner als ein Oberarm ist, solle im Wald verbleiben. Schließlich steckten in Rinde und Blättern der Bäume 90 Prozent ihrer Nährstoffe. „Ein sauberer Wald wäre fatal, das würde zu einer Nährstoffverarmung führen.“

Er plädiert indes dafür, den Wald an seinen Rändern aufzulockern, was auch Schmetterlingen und Fledermäusen zugute komme. Das ließe sich schnell umsetzen. Das einzige, das aus seiner Sicht aber langfristig hilft, damit die Situation der Wälder nicht immer schlimmer wird, heiße „Klimaschutz, Klimaschutz, Klimaschutz“.