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Kretschmann wirbt für Özdemir

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Ministerpräsident setzt sich auf Grünen-Parteitag für realpolitischen Kurs ein
Veröffentlicht:11.12.2017, 13:25

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat den scheidenden Grünen-Bundeschef Cem Özdemir für die Spitze der Bundestagsfraktion empfohlen. Auch eine Nachfolge als Ministerpräsident scheint nicht ausgeschlossen.

Beim Landesparteitag der Grünen in Heidenheim sagte er am Wochenende: „Dass du weiter eine führende Rolle spielst im Bund, das wollen wir.“ Im SWR ergänzte Kretschmann, für den Fraktionsvorsitz sei Özdemir die richtige Persönlichkeit. Damit versuchte Kretschmann auch Spekulationen zu entkräften, Özdemir könne ihn als Ministerpräsident beerben. Kretschmann ist bis 2021 gewählt.

Özdemir hatte angekündigt, dass er im Januar nicht noch einmal für den Parteivorsitz kandidieren will. Der Fraktionsvorsitz ist dem Realpolitiker aber wohl versperrt, weil in der Doppelspitze neben Katrin Göring-Eckardt nur ein Linksgrüner Platz nehmen könnte.

Özdemir will in Berlin bleiben

Gerüchten, dass er nach Baden-Württemberg kommen könnte, widersprach Özdemir. „Ich sehe meine Rolle im Bund“, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“. Kretschmann selbst wird im kommenden Jahr 70. Er hat versprochen, bis 2021 im Amt zu bleiben, wenn es seine Gesundheit erlaubt. Ob er dann noch einmal antritt, lässt er bislang offen.

Als mögliche Nachfolgerinnen wurden vor allem Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und Finanzministerin Edith Sitzmann gehandelt. Erstere hat durch die Affäre um die Hochschule Ludwigsburg und die Einführung von Studiengebühren an Rückhalt in der Partei verloren. Sitzmann wiederum gilt als inhaltlich versiert, hat aber wenig Landesmütterliches.

Werben für Pragmatismus

Beim Parteitag äußerten Kretschmann und Özdemir die Hoffnung, dass die Bundespartei nach den Jamaika-Gesprächen pragmatischer agiere. Özdemir sagte, der baden-württembergische Landesverband mit Kretschmann stehe dafür, dass die Grünen nicht vor Verantwortung davonliefen. Nun gebe es ein Zeitfenster zu zeigen, dass die Bundes-Grünen aus einem ähnlichen Holz geschnitzt seien.

Nach Kretschmanns Ansicht gehen die Grünen gestärkt aus den Jamaika-Gesprächen hervor. Die Grünen seien prinzipienfest, kompromissbereit, eigenständig und verantwortungsbewusst, ohne eigene Interessen aus den Augen zu verlieren. „Wir sind geschlossen, ohne Differenzen auszublenden.“ Das bleibe.

Özdemir und Kretschmann hatten sich für ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP eingesetzt. Beide werden dem realpolitischen Flügel zugerechnet, der auch den Landesverband in Baden-Württemberg dominiert. Letztlich scheiterten die Jamaika-Gespräche, weil die FDP sich zurückzog. Özdemir richtet sich nun auf vier weitere Jahren der Grünen in der Opposition ein. Man müsse davon ausgehen, dass Deutschland „bedauerlicherweise“ eine große Koalition bekommen werde.

Der Parteitag bestätigte die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand. Die Realpolitikerin Detzer bekam 73,8 Prozent von 107 abgegebenen Stimmen und schnitt damit deutlich schlechter als bei ihrer Wahl vor einem Jahr ab (82,4 Prozent). Hingegen stärkten die Delegierten dem linken Co-Parteichef Hildenbrand den Rücken. Er erhielt 92,9 Prozent von 210 abgegebenen Stimmen und verbesserte sein Ergebnis (92,6 Prozent) leicht.

Arbeitende Flüchtlinge schützen

Die Delegierten verabschiedeten außerdem einen Leitantrag, der vorsieht, arbeitende Flüchtlinge stärker vor Abschiebung zu schützen. Darin heißt es: „Wer in schulischer, betrieblicher oder überbetrieblicher Ausbildung oder in Arbeit ist, darf nicht abgeschoben werden.“ Die „3+2-Regelung“ müsse ausgeweitet werden – etwa auf Menschen, die nur eine einjährige Ausbildung machen.

„In dem Sinne wollen wir Gespräche führen in der Koalition“, sagte Hildenbrand mit Blick auf die CDU. Die Regel erlaubt Flüchtlingen, eine dreijährige Ausbildung in Deutschland zu machen und danach noch zwei Jahre im Land zu bleiben, wenn sie Arbeit haben.

Die Grüne Jugend scheiterte mit einem Antrag zur Abschaffung der Studiengebühren für Studenten, die aus dem Ausland jenseits der EU nach Baden-Württemberg kommen. Wissenschaftsministerin Bauer hatte die Gebühren von 1500 Euro pro Semester zum laufenden Wintersemester eingeführt.