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Kommentar: Jetzt sind Justiz und Behörden an der Reihe

Baden-Württemberg / Lesedauer: 2 min

Die Hauptangeklagten im Staufener Missbrauchsfall sind verurteilt. Nun müssen Justiz und Behörden rasch über ihre eigene Arbeit urteilen – und Versäumnisse beheben, kommentiert Katja Korf.
Veröffentlicht:07.08.2018, 10:50

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Unvorstellbar. Unvorstellbar ist, was jener Junge erleiden musste, den Mutter und Stiefvater an Freier vermieteten und selbst sexuell missbrauchten. Der schlimmste Fall, an den sich Ermittler in Baden-Württemberg , ja deutschlandweit erinnern. Deshalb sind die Urteile der Freiburger Richter nun fast zwangsläufig so ausgefallen: Lange Haftstrafen und Sicherheitsverwahrung für den Stiefvater. Er darf völlig zu Recht nicht mehr in Freiheit.

Schwer nachzuvollziehen sind die Versäumnisse der Behörden: mangelnde Absprachen zwischen Justiz, Jugendamt und Polizei , Fehleinschätzungen, zu wenig Kontrollen des einschlägig vorbestraften Stiefvaters.

Wie schon beim kleinen Alessio in Baden-Württemberg und anderen Opfern in Deutschland offenbaren sich grundlegende Schwächen im System. Die Kontrolle über die Jugendämter reicht nicht aus. Die Rechtsaufsicht in Baden-Württemberg bemängelte in den vergangen zehn Jahren gerade einmal einen der über 500 Kinderschutz-Fälle, die ihr zu Überprüfung gemeldet wurden. Es fehlen zentrale, verbindliche und damit auch für die Mitarbeiter verlässliche Standards. Eine Schnittstelle, die bei Problemfamilien die Aktivitäten aller Beteiligten koordiniert, scheint es nicht zu geben. Ein weiteres Problem: Jeder Fachanwalt muss sich regelmäßig fortbilden, Familienrichter aber nicht.

Die Justiz muss nun auch über sich selbst urteilen. Sie muss rasch und offen aufklären, wie es zu Fehleinschätzungen und fehlenden Absprachen kam. Auch die Landesregierung in Baden-Württemberg steht in der Pflicht, den Vorgang im Jugendamt und bei der Polizei auszuleuchten – und am Ende die richtigen Konsequenzen zu ziehen.