Kriminalitätsschwerpunkt
Image hat Kratzer: Freiburg ringt nach Gruppenvergewaltigung um mehr Sicherheit
Freiburg / Lesedauer: 4 min
Rund einen Monat nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung einer 18-Jährigen in Freiburg setzen Stadt und Land auf eine erhöhte Polizeipräsenz. Geplant seien großangelegte Razzien an Drogen- und Kriminalitätsschwerpunkten sowie öffentliche Sicherheitskonferenzen und Präventionsveranstaltungen, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Donnerstag in Freiburg.
Zudem plane die Stadt den Ausbau des kommunalen Ordnungsdienstes, mehr Videoüberwachung sowie den verstärkten Einsatz von Streetworkern und anderen Sozialarbeitern. Ziel sei es, das Sicherheitsgefühl der Menschen in Freiburg dauerhaft zu erhöhen.
Mitte Oktober war Ermittlern zufolge eine 18-Jährige in Freiburg nach einem Disco-Besuch von mehreren Männern vergewaltigt worden. Acht Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft — sieben Syrer im Alter von 19 Jahren bis 29 Jahren und ein 25 Jahre alter Deutscher. Mindestens zwei weitere Verdächtige werden gesucht. Von diesen unbekannten Männern hat die Polizei nach der Tat Körperspuren gefunden.
Freiburgs Oberbürgermeister Martin HornIch bin den Freiburgern sehr dankbar, dass sie besonnen und differenziert reagiert haben
Dieses Verbrechen habe das Sicherheitsgefühl in der rund 230 000 Einwohner zählenden Stadt erschüttert, sagte Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) am Donnerstag nach einem Treffen mit dem Innenminister und Führungskräften der Polizei. So genannte Angsträume — also Bereiche, in denen Menschen Furcht vor Verbrechen haben — müssten beseitigt werden. Gleichzeitig brauche es mehr Präsenz im Kampf gegen Kriminalität.
Neue Erkenntnisse in dem Kriminalfall gebe es nicht, sagte Freiburgs Polizeipräsident Bernhard Rotzinger am Donnerstag. Es würden weiter Spuren untersucht und Hinweise überprüft.
Zudem reagieren Polizei und Politik: Die zwischen Land und Stadt im März 2007 geschlossene Sicherheitspartnerschaft wurde erweitert und trat in der neuen Fassung am Donnerstag in Kraft. Strobl und Horn setzten in Freiburg öffentlich ihre Unterschriften unter das Papier. Es sieht verschärfte Sicherheitsmaßnahmen und eine stärkere Präsenz von Ordnungshütern vor.
Bereits im vergangenen Jahr — nach dem Mord an einer Studentin im Oktober 2016 und einer Serie weiterer Verbrechen in Freiburg und der Region — hatte das Land zusätzliche Polizisten nach Freiburg geschickt. Diese werden weiter in Freiburg bleiben, sagte Strobl. Darauf hätten sich Land und Stadt nun geeinigt. Es handele sich um knapp 40 Polizeibeamte, die täglich im Zentrum unterwegs seien. Neu hinzu kämen nun fünf Ermittlungsassistenten für die Freiburger Kriminalpolizei. Sie sollen helfen, Verbrechen aufzuklären.
Auch das Rathaus stockt auf: Der kommunale Ordnungsdienst solle mehr Personal erhalten und künftig auch spätabends und nachts im Einsatz sein, sagte der Oberbürgermeister. Dies erhöhe die Präsenz an Ordnungskräften. Plätze und Grünanlagen würden besser beleuchtet und neu gestaltet, um Kriminalität zu verhindern und das Sicherheitsgefühl zu verbessern. Angebote der Prävention sollen laut Horn vor allem auch an Frauen gehen, die wegen Gewalt- und Sexualstraftaten zunehmend Angst vor Übergriffen hätten.
Dass das Verbrechen überregional Schlagzeilen machte, bekommt die badische Universitätsstadt zu spüren: U rlauber sagten kurzfristig ab und wollten aus Angst vor Übergriffen und Verbrechen die als Touristenziel bekannte Stadt meiden, sagte Freiburgs Tourismus- und Wirtschaftsförderin Hanna Böhme. Es seien zwar nur Einzelfälle, doch das positive Image Freiburgs habe durch das Verbrechen gelitten.
Das sieht auch der Oberbürgermeister — und nennt dennoch Positives. Dass die Stadt sich politisch nicht radikalisiert habe, sei ein wichtiges Zeichen. „Ich bin den Freiburgern sehr dankbar, dass sie besonnen und differenziert reagiert haben.“ Freiburg habe beweisen, dass es eine weltoffene sowie lebens- und liebenswerte Stadt sei.
Auf mehr Polizei in der Stadt hätten die meisten dankbar reagiert, sagte der Polizeipräsident. In den kommenden zwei Wochen werde die erste Sicherheitskonferenz organisiert.
Im Fall der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung stehen Polizei und Innenminister jedoch in der Kritik. Gegen den mutmaßlichen Haupttäter hatte bereits vor der Tat Haftbefehl bestanden, verhaftet wurde der Mann allerdings nicht.
Die FDP erneuerte am Donnerstag ihre Kritik an dem Minister. „Viele Orte im Land leiden seit Jahren unter zu wenig Polizeipräsenz und verwahrlosten öffentlichen Räumen“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion und frühere Justizminister Ulrich Goll. Es brauche landesweite Lösungen für mehr Sicherheit und weniger Kriminalität. Innenminister Strobl habe hierfür kein Konzept.