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Im Schwäbischen sind Soldaten selten geworden

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Im Schwäbischen sind Soldaten selten geworden
Veröffentlicht:12.11.2015, 06:00

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Ein herbstlicher Nachmittag auf dem Memminger Flughafen: Urlaubergedränge in der Passagierhalle, gleich startet ein Ferienflieger nach Mallorca. Gesprächsfetzen sind zu hören, etwa: „Ist die Sonnencreme eingepackt?“ Strand, Meer und Sangria haben die Leute im Sinn.

Keiner dürfte daran denken, dass in Bunkern beim Flughafen bis vor rund 20 Jahren US-Atombomben lagerten. Bundeswehr-Jets sollten sie im Kriegsfall Richtung Osten transportieren. Doch durch die Wende von 1989 war der Nato ihr Hauptfeind abhandengekommen: die Sowjetunion und deren osteuropäische Satelliten. Dies bedeutete auch für die Bundeswehr einen Einschnitt, den sie bis heute, im 60-sten Jahr ihres Bestehens, noch nicht ganz bewältigt hat. Zudem verloren weite Landstriche ihre Garnisonen, etwa im Schwäbischen.

Als die Bundeswehr 1955 gegründet wurde, war es um die Abwehr der roten Gefahr gegangen. Nach dem Kollaps des Ostblocks tauchte dagegen der Begriff „Friedensdividende“ auf. Die Militär-Ausgaben schienen reduzierbar zu sein. Das Sparen machte sich bald auf dem damaligen Memminger Fliegerhorst bemerkbar. 1996 verschwand jenes US-Kontingent, das für die Deutschen das nukleare Material gelagert hatte. Spätestens zu dieser Zeit wurden auch die Atombomben abgezogen. Sieben Jahre später stellte die Bundeswehr das in Memmingen stationierte Jagdbombergeschwader 34 außer Dienst. Daraufhin entstand der heutige zivile Flughafen.

Die finsteren Bunker für die Overkillwaffen sind jedoch noch da, ebenso Unterstände für Kampfjets. Womöglich verschwindet dieses Kalter-Krieg-Erbe demnächst unter einem neuen Industriepark. Ein Grundstücksverkauf soll Geld in die Kassen des defizitären Flughafens spülen. Mit dem Luftfahrtsgeschäft hapert’s. Dennoch feiern politisch Verantwortliche das Projekt. Dieser Tage sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder : „Der Flughafen ist ein gelungenes Beispiel für die Umwandlung militärischer Flächen.“ Solche Grundstücke gibt es aber wegen diverser Bundeswehr-Reformen in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee mehr als genug. Das Militär schrumpfte, Soldaten wurden selten. So endete bereits 1997 die Geschichte der Argonnenkaserne in Weingarten. Der bei Wehrpflichtigen gefürchtete Truppenübungsplatz Münsingen ist seit 2005 Zentrum des Biosphärengebiets Schwäbische Alb. Der Luftwaffenstützpunkt Mengen-Hohentengen? Geschlossen. In Immendingen bei Tuttlingen üben künftig Daimler-Ingenieure auf dem Militärgelände. Für den aufgelassenen Fliegerhorst Kaufbeuren im Allgäu werden dringend Unternehmen zur Ansiedlung gesucht. Das Gleiche ist bei der Kemptener Artilleriekaserne der Fall. Die Garnisonen von Ellwangen und Meßstetten wandelten sich zu Flüchtlingserstaufnahmestellen.

Die ersten Auslandseinsätze

Asylbewerber wohnen ebenso in der Sigmaringer Kaserne. Deren Aus gehört zu den aufsehenerregendsten Schließungen der vergangenen Jahre. Dort hatte der Stab der 10. Panzerdivision seinen Sitz gehabt. Von Sigmaringen aus wurde einer der schlagkräftigsten Großverbände der Bundeswehr kommandiert. Am Beispiel dieser Division lässt sich auch die militärische Entwicklung seit dem Ostblock-Kollaps aufzeigen. Einst sollte sie mit schweren Kampfpanzern Sowjetheere zurückschlagen. Dann kamen in den 1990er-Jahren die ersten Auslandseinsätze, zuerst durch Sanitäter in Kambodscha.

Später rückten mehr Truppen aus: nach Somalia, Richtung Balkan und schließlich an den Hindukusch. Die Marine wurde am Horn von Afrika und im Mittelmeer aktiv. Städte wie Sigmaringen, ansonsten meist abseits weltgeschichtlicher Ereignisse gelegen, kamen durch ihre Soldaten plötzlich in Kontakt mit internationalen Konflikten. Wobei im Rahmen dieser Auseinandersetzungen rollende Ungetüme nicht mehr gefragt waren. Die 10. Panzerdivision besaß bei ihrer Abwicklung 2014 mehr Mulis als Leopard-Kampfwagen. Wobei sie zu den Tragetieren durch die Eingliederung von Gebirgstruppenteilen gekommen ist.

Die Bundeswehrreform sah eine Neugründung der 10. Panzerdivision im mainfränkischen Veitshöchstheim vor. Sinnigerweise soll sie wieder über mehr Panzer verfügen. „Das Sicherheitsumfeld hat sich seit dem Krisenjahr 2014 deutlich verändert“, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit Blick auf die Ukraine-Krise. Das aufgerüstete Russland erscheint als Bedrohung. Deutschlands politische Führung sah die Bundeswehr aber über Jahre hinweg vor allem als Instrument zur globalen Krisenbewältigung. So wird der seit 2013 laufende Mali-Einsatz nächstes Jahr wohl auf den gefährlichen Norden des westafrikanischen Landes ausgedehnt. Mit dabei werden vermutlich Offiziere des in Ulm angesiedelten Multinationalen Kommandos Operative Führung sein – eine schnell verlegbare Stabseinheit für internationale Einsätze.

Kaserne in Nazi-Ordensburg

Die Münsterstadt an der Donau ist einer der letzten bedeutenden Garnisonsorte zwischen Alb und Bodensee. Es gibt noch den südlich davon gelegenen Fliegerhorst Laupheim mit dem Hubschraubergeschwader64. Bei Pfullendorf steht das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen für Kommando-Soldaten. Donaueschingen und Stetten am Kalten Markt existieren noch. In Sonthofen bleibt die ABC-Abwehrschule der Bundeswehr. Voraussichtlich ab 2018 wird sie eine ganz besondere Heimat haben: nämlich eine Kaserne, deren Geschichte als Nazi-Ordensburg begann. Das monumentale Ensemble steht unter Denkmalschutz und wird gerade saniert. Zwei andere Kasernen der Stadt schließen. Bürgermeister Christian Wilhelm ist froh, dass wenigstens die ABC-Abwehrschule bleibt: „Die wirtschaftliche Bedeutung ist nicht zu unterschätzen“, betonte er. Zumindest glaubt Wilhelm zu wissen, was er an der Bundeswehr hat.