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Europaminister Wolf liebäugelt mit Brexit-Aufschub

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Baden-Württembergs Europaminister Guido Wolf liebäugelt mit einem Brexit-Aufschub – und stellt dafür Bedingungen
Veröffentlicht:16.01.2019, 17:27

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Baden-Württembergs Europaminister Guido Wolf (CDU) warnt vor einem chaotischen Brexit. Um diesen noch zu verhindern, sei es denkbar, den Austritt Großbritanniens aus der EU zu verschieben. Dafür stellt Wolf im Gespräch mit Kara Ballarin aber klare Forderungen – und setzt ein Zeitlimit.

Großbritannien ist der sechstwichtigste Handelspartner für Baden-Württemberg. Was würde ein harter Brexit für das Land bedeuten?

Es wird nur Verlierer geben, die größten werden die Briten selbst sein. Das Risiko, dass die Beziehungen der Länder nach einem Brexit in ein Chaos rutschen, erscheint mir hoch. Beispiel Zoll: Wenn beim Warentransfer wieder Zölle anfallen, müssten zunächst ganz neue Strukturen und Behörden aufgebaut werden.

Von den wirtschaftlichen Aspekten abgesehen: Was könnten die Folgen für Baden-Württemberg sein?

Die Hochschulen und die Forschung im Land würden leiden. Da gibt es extrem starke Kooperationen. Natürlich bemühen wir uns um eine Fortsetzung, aber ein chaotischer Ausstieg würde zunächst eine Zäsur bedeuten.

Welche Option erscheint Ihnen nach dem Nein zum Abkommen nun am wahrscheinlichsten?

Kein Deal ist die schlechteste Variante. Diese Einsicht hat sich aber leider in Großbritannien offenbar noch nicht so verbreitet. Es gilt aber, auch in so schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren und auf die Chance der letzten Minute zu hoffen. Wichtig scheint mir, dass wir als EU der 27 klar sagen, dass es keinen Anlass für Nachverhandlungen gibt. Andererseits kann es nötig sein, dem Prozess mehr Zeit zu geben. Die Folgen eines ungeregelten Brexit sind so gravierend, dass es an einigen Wochen nicht scheitern darf.

Sie könnten sich also ein späteres Austrittsdatum als den 29. März vorstellen?

Etwas Zeitgewinn halte ich für vertretbar. Voraussetzung dafür muss aber sein, dass eine Lösung des Problems auf britischer Seite in absehbarer Zeit erkennbar ist. Die Europawahl im Mai ist hier die absolute zeitliche Grenze. Die Bürger müssen wissen, über welches Europa sie abstimmen.

Sollte sich die EU nicht doch noch zu Zugeständnissen durchringen, um Großbritannien nicht ganz zu verprellen?

Das Abkommen jetzt aufzuschnüren hieße, denen in den Hände zu spielen, die auf britischer Seite genau mit diesem Ziel taktieren. Es ist ein großer Gewinn, dass sich die restlichen 27 EU-Staaten so einig gezeigt haben. Das sollten wir nicht aufgeben.

Die EU pflegt mit Ländern wie Baden-Württembergs Nachbarn Schweiz beste Beziehungen auf der Grundlage von Abkommen. Warum nicht auch mit Großbritannien?

Weil unser Grundsatz vom Anfang der Verhandlungen weiter gilt: Wir müssen zunächst den geregelten Austritt hinbekommen. Erst in einem nächsten Schritt können wir über Abkommen reden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es sich lohnt, aus der EU auszutreten.

Hätten Sie gedacht, dass die EU-Staaten so geschlossen beim Thema Brexit bleiben würden?

Ich hab’s gehofft und bin froh, dass es so gekommen ist. Das ist ein Beleg dafür, wie stark die EU ist – allen Unkenrufen zum Trotz. Europa zusammenzuhalten, das wird immer ein Balanceakt bleiben. Wichtig ist für mich dabei die Wahrung gemeinsamer rechtsstaatlicher Grundsätze – vor allem mit Blick auf Polen, Ungarn oder Rumänien. Auch da muss die EU Handlungsfähigkeit beweisen. Wer dazugehören will, muss gemeinsame Werte anerkennen.