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Bodensee

Binnenschiffer auf dem Schwäbischen Meer

Baden-Württemberg / Lesedauer: 6 min

Die anspruchsvolle Ausbildung bei den Bodensee-Schiffsbetrieben führt junge Menschen aus ganz Europa zusammen
Veröffentlicht:10.09.2014, 09:25

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Dieser Morgen fängt wenig vielversprechend an. Am Himmel lassen dunkle Wolken auf nichts Gutes schließen, Nebel liegt über dem Bodensee. Aus der Suppe schält sich das Ausflugsschiff „Graf Zeppelin“ – eines von 17 Schiffen der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB). An ihrem Liegeplatz an der Mole in Friedrichshafen dümpelt sie vor sich hin, ein Schwan dreht neben ihr träge seine Runden im Wasser.

„Guten Morgen“, schallt es plötzlich herüber: Kay Lenartowicz, der im ersten Lehrjahr bei den BSB eine Ausbildung zum Binnenschiffer absolviert, betritt den Landungssteg. Gut gelaunt, gekleidet in dunkle Hose, weißes Hemd und Mütze. Auf einer schwarzen Schulterklappe zeigt ein mit goldenen Fäden genähter Strich seinen Dienstrang an – er ist Decksmann. Außer ihm besteht die Crew der „Graf Zeppelin“ an diesem Morgen aus Schiffsführer Hubert Strauß , Steuermann Valeri Decker und Matrose André Schwarzbach. Für das Kulinarische ist Gastronomin Nadja Frick im Auftrag der Firma Föhr an Bord.

„Eigentlich komme ich ja aus Dortmund“, erzählt Lenartowicz, während er die ersten Aufgaben des Tages angeht. Die Binnenschifffahrt hat ihn schon immer gereizt. „In Nordrhein-Westfalen ist das stark vertreten, der Rhein oder der Rhein-Herne-Kanal“, sagt er. „Ich brauche eine Arbeit, die mich auch körperlich fordert, die viel Abwechslung bietet.“ Der erste berufliche Weg führte Lenartowicz allerdings nicht auf ein Schiff, sondern zunächst zur Bundeswehr . Nach vier Jahren im Heer hatte er jedoch genug. „Mein Onkel war nach Friedrichshafen gezogen und machte kräftig Werbung für die Region und es ist ja auch wirklich wunderschön hier. Da habe ich mich gefragt, wo arbeitest du, wenn du am See lebst. Und die beste Antwort war: auf dem See.“ So wurde der 24-Jährige Auszubildender bei den BSB.

Es sind nun noch gut 45 Minuten bis zur Abfahrt, die erste Tour des „Grafen“ führt heute über Immenstaad und Hagnau nach Meersburg. Danach geht es auf gleicher Route wieder zurück nach Friedrichshafen. Bevor abgelegt werden kann, muss der junge Decksmann das Schiff inspizieren. Ist alles ordentlich und sauber? Abfalleimer werden mit Müllbeuteln versehen, die Toiletten mit Klopapier ausgestattet, die Seifenspender aufgefüllt. „Hier muss noch drüber gewischt werden“, sagt Lenartowicz zu einem Mitarbeiter eines Reinigungsunternehmens, der gerade im Herren-WC arbeitet. Passagiere sind noch keine an Bord, es geht ruhig los. Lenartowicz schaut zum Himmel, wo sich Regenwolken festgesetzt haben. „Noch kein wirkliches Ausflugswetter, aber nachher wird es noch voller“, ist er überzeugt.

Dann geht es – Punkt 8 Uhr – los, Abfahrt. Lenartowicz eilt zum Heck, um das Stahlseil vom Poller zu lösen. Die schweren Dieselmotoren rattern los, die „Graf Zeppelin“ setzt sich in Bewegung. Da das Schiff mit dem Bug nach vorne lag, muss jetzt rückwärts „ausgeparkt“ werden – Routinearbeit für Steuermann und Schiffsführer. Trotzdem passt Lenartowicz am Heck genau auf. Treibt etwas im Wasser? Dann verlässt das Schiff Friedrichshafen und fährt mit rund 23 Kilometern pro Stunde nach Immenstaad. „In der Binnenschifffahrt wird in km/h, nicht in Knoten gerechnet“, erklärt der Decksmann.

Nun ist kurz Zeit für etwas Bürokratie: Der 24-Jährige zieht ein blaues Buch hervor, sein Schiffsbuch. Darin werden alle Fahrten eingetragen, die Lenartowicz für seinen Arbeitgeber absolviert. Anlegeort, Ablegeort, Fahrtzeit. Das ist wichtig für die weitere Qualifikation. Wer in der Binnenschifffahrt höher aufsteigen will – zum Matrosen, Steuermann und am Ende Schiffsführer – muss unter anderem eine gewisse Anzahl an Fahrstunden vorweisen. So führt der nächste Weg auf die Brücke, wo Schiffsführer Hubert Strauß die Angaben abzeichnet. Imposant ist der Blick. Während steuerbord das Bodenseeufer vorbeizieht, zeigt Steuermann Valeri Decker auf einem Monitor den Kurs, den das Schiff nimmt. Die „Graf Zeppelin“ fährt auf einer genau festgelegten Route, damit es auch nachts oder bei starkem Nebel zu keiner Kollision kommt. Das Radar zeigt mögliche Hindernisse an – ein querender Extremschwimmer war offiziellen Angaben zufolge bisher nicht dabei.

Gegen 8.30 Uhr erreicht das Schiff Immenstaad. Gekonnt wird das Boot an die Anlegestelle manövriert, dann legen Lenartowicz und Matrose Schwarzbach die Stahlseile um die Poller. Anschließend wird der kleine Steg verankert, über den nun die ersten Passagiere an Bord kommen. Während sich die „Graf Zeppelin“ weiter auf den Weg nach Hagnau macht, gibt Lenartowicz weitere Einblicke in seinen Beruf. Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Binnenschiffer. Die Berufsschulstunden werden blockweise am Schiffer-Berufskolleg-Rhein in Duisburg genommen. „Da sind junge Leute aus ganz Europa vertreten“, erklärt der 24-Jährige. Dann wird einige Wochen lang Theorie gepaukt. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem Schiffsphysik, Seezeichen, Lichtzeichen und Streckenkunde. „Das muss ich alles im Kopf haben“, sagt Lenartowicz. „Wenn ein Schiff den Rhein hinauf von Duisburg nach Basel fährt – wie lang ist die Strecke, welche Schleusen müssen passiert werden, wie lange dauert die Fahrt, wie groß darf das Schiff sein, und, und, und“, zählt er auf.

Auch in Hagnau betreten an diesem Morgen noch wenige Passagiere das Schiff, voller wird es erst in Meersburg. Malerisch zeichnet sich die Altstadt als Kulisse ab, als sich das Fahrzeug der Anlegestelle nähert. Lenartowicz hilft den Gästen an Bord, kontrolliert Fahrkarten. Dann macht sich die „Graf Zeppelin“ auch schon wieder auf den Weg nach Friedrichshafen. Von dort werden im Laufe dieses Tages unter anderem noch Konstanz und die Mainau angefahren – die Routen ändern sich. Die Fahrgäste hat Kay Lenartowicz dabei immer im Blick, er ist ihr Ansprechpartner, wenn es um Sorgen und Nöte geht. An heißen und schwülen Tagen kann es auch mal passieren, dass Gäste auf dem Oberdeck sich unwohl fühlen. Die Mannschaft absolviert deshalb alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs.

Der Arbeitstag von Kay Lenartowicz endet heute um 14.30 Uhr, dann löst die Crew der „Lindau“ die Besatzung ab. „Die Arbeitstage bestehen nie aus gleich vielen Stunden“, sagt der Decksmann. Mal sind es mehr. mal weniger. Das hängt von den gefahrenen Routen ab. Am Monatsende muss ein gewisses Kontingent an Arbeitsstunden erfüllt sein.

Gemächlich läuft das Ausflugsschiff wieder in Friedrichshafen ein. Ein letztes Mal klappt an diesem Tag der Landungssteg. Morgen geht es wieder auf das Schwäbische Meer.