Medizinball

Ball im All

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Fliegender Assistent vom Bodensee soll Astronaut Gerst auf der Raumstation ISS helfen
Veröffentlicht:26.02.2018, 20:22

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Weiß, rund, so groß wie ein Medizinball und ein freundlich lächelndes Gesicht: Das ist Cimon. Als frei fliegender Assistent mit künstlicher Intelligenz soll er Astronaut Alexander Gerst bei seiner nächsten Mission auf der Raumstation ISS unterstützen. Dazu haben seine Entwickler vom Bodensee ihm nicht nur technisches Wissen mitgegeben, sondern ihn zu einem richtigen Crew-Mitglied gemacht.

„Hallo, ich bin Cimon“, sagt der kleine Assistent, wenn er seine Augen öffnet. Er ist ein Experiment, das 2016 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bei Airbus Defence and Space in Auftrag gegeben wurde. In Kooperation mit IBM und der Ludwig-Maximilian-Universität München entwickelt ein 50-köpfiges Team in Immenstaad und Bremen den Flugbegleiter, der in Zukunft Astronauten auf ihren Missionen unterstützen soll – am Bodensee wurde Cimon nun vorgestellt.

Vorbild: Captain Future

„In Europa wird Airbus der Erste sein, der einen ,Free Flyer‘ auf die Raumstation bringt und weltweit werden wir sogar die Ersten sein, die künstliche Intelligenz in der bemannten Raumfahrt verwirklichen“, sagt Till Eisenberg , Projektleiter des Teams bei Airbus. Die Abkürzung Cimon steht für „Crew Interactive Mobile Companion“ (deutsch: etwa „interaktiver, mobiler Begleiter für die Besatzung“), auch wenn die Entwickler sich durchaus an der Fernsehserie „Captain Future“ aus den 1980er-Jahren orientiert haben, so Eisenberg. In der Zeichentrickserie schwebt ein „fliegendes Gehirn“ als Freund des Serienhelden durch die Luft. Sein Name: Simon.

Cimon hat nun die Aufgabe, der Crew bei ihrer Routinearbeit zu helfen. Das macht er, indem er beispielsweise Arbeitsprozesse anzeigt. Da er nur zwei Knöpfe hat, steuert die Crew ihn über Sprachbefehle.

Und so könnte ein Einsatz ablaufen: Cimon hält sich beispielsweise im Columbus-Modul der Raumstation ISS auf. Alexander Gerst ruft nach Cimon, der die Stimme lokalisiert und zu ihm fliegt. Gerst erklärt ihm, welche Arbeit er nun durchführen möchte und Cimon zeigt den passenden Bauplan auf seinem Display an. Gerst hat so beide Hände frei.

Fünf Kilogramm wiegt der kleine Assistent, 32 Zentimeter ist sein Durchmesser. Zwei Batterien sorgen dafür, dass er bis zu zwei Stunden einsatzbereit ist. Frei fliegen kann er nur in der Schwerelosigkeit, dann bewegt er sich mit maximal 1,3 Kilometern pro Stunde über 14 Propeller in seinem Gehäuse. „Der vorne liegende Display ist acht Zoll groß, da passt ein menschliches Gesicht gut drauf und damit kann er eine gewisse Nähe zur Crew herstellen“, erklärt Eisenberg. Alexander Gerst wurde bei Entscheidungen über das Design, das wichtig für die Akzeptanz sei, mit einbezogen. Rund ist Cimon aus ästhetischen Gründen – er soll aussehen wie ein menschlicher Kopf. Im März zeigt sich, wie Cimon unter den Bedingungen der Raumstation arbeitet: Während eines Testflugs wird Schwerelosigkeit erzeugt, damit insbesondere Navigation und Orientierung von Cimon getestet werden können.

Alarmanlage, die Witze erzählt

Das ist noch nicht alles: Cimon 1.0 kennt schon etwa 1000 Satzbausteine und kann zur Aufmunterung auch mal einen Witz erzählen. Außerdem hält er die Verbindung zum Boden und kann bei Problemen schnell für Hilfe sorgen. Zusätzlich misst er Daten seiner Umgebung wie beispielsweise die Temperatur und warnt, wenn Bedingungen anders sind als gewöhnlich. Ein besonderes Feature haben die Entwickler ihm auch noch einprogrammiert: Gerst hat eine Liste seiner Lieblingssongs erstellt, die Cimon jederzeit abspielen kann.

Nach der Horizons-Mission wollen die Entwickler weiter an Cimon arbeiten. Cimon 2.0 soll zum Beispiel kleine Teams von Astronauten, die lange von der Erde getrennt sind, unterstützen – denn Flüge ins All sind eine starke psychische Belastung.

Ersetzen kann Cimon seine menschlichen Crew-Mitglieder derzeit aber noch nicht. „Cimon hat eine rein unterstützende Funktion. Das heißt man könnte ihn zwar voraus schicken, er wäre aber nicht in der Lage, die Arbeiten auf der ISS selbst durchzuführen“, erklärt Eisenberg.