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Pauker

Auch im Süden ist der Lehrermangel Realität

Baden-Württemberg / Lesedauer: 4 min

Bildungsforscher fordert die Aufstockung von Studienplätzen für angehende Pädagogen
Veröffentlicht:31.01.2018, 21:04

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Der Lehrermangel an Grundschulen wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Bertelsmann-Stiftung am Mittwoch veröffentlicht hat. Die Bildungsforscher Klaus Klemm und Dirk Zorn kommen darin zu dem Ergebnis, dass bis 2025 bundesweit rund 35 000 Stellen unbesetzt bleiben, wenn die Politik nicht gegensteuert. Für Baden-Württemberg und Bayern kommen die Erkenntnisse nicht überraschend.

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Der Lehrermangel ist bereits Realität. Im Südwesten blieben zum aktuellen Schuljahr 400 Stellen an Grundschulen unbesetzt. Besonders betroffen sind kleine Schulen auf dem Land. Die Autoren der Studie prognostizieren, dass sich der Mangel weiter verschärfen wird. Denn: Die Schülerzahlen steigen, der Ausbau der Ganztagsschulen erfordert zusätzliche Lehrer. Um den Bedarf zu decken, müssten die Länder deutlich mehr Studienplätze schaffen.

Kritik aus der Politik

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sieht die Studie kritisch. Der Stiftung wirft sie vor, 2009 noch einen Schülerzahlen-Rückgang prognostiziert zu haben. „Und jetzt behauptet die Stiftung, mit Gesten des Vorwurfs an die angeblich falsch rechnende Politik, das genaue Gegenteil.“ Auch enthalte die Studie wenig Neues, so Eisenmann.

Tatsächlich hat sie viele der Mittel gegen den akuten Mangel, die die Autoren vorschlagen, bereits im Land eingesetzt. So seien 280 Stellen dadurch besetzt worden, dass 500Pensionäre und rund 300 Lehrkräfte über ihre Altersgrenze hinaus unterrichten, erklärt das Stuttgarter Kultusministerium auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Weniger erfolgreich war die Werbung um Gymnasiallehrer. Nur 30 unterrichten an Grundschulen. Anträge auf Teilzeit werden kritisch geprüft und zum Teil nur dann gewährt, wenn es einen gesetzlichen Anspruch dafür gibt. Zudem hätten 440 Grund- und Werkrealschullehrer ihre Stundenzahl erhöht. Besonders betroffene Schulen können auch Klassen mit bis zu 30 Kindern bilden. Der Teiler liegt eigentlich bei 28 Schülern.

Neben diesen Sofortmaßnahmen habe das Land die Zahl der Studienplätze um 200 aufgestockt, betont Eisenmann. Laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ( GEW ) ist das zu wenig. „Wir brauchen 8000 zusätzliche Stellen an Grundschulen bis 2030“, erklärt GEW-Landesgeschäftsführer Matthias Schneider. Die Zahl basiert auf einer Studie, die die GEW vergangenes Jahr vorgestellt hat. Autor dieser Studie war ebenfalls Klaus Klemm. Um den Bedarf zu decken, müssten die Studienkapazitäten im Land um mindestens weitere 200 Studienplätze aufgestockt werden, so Schneider.

Bessere Entlohnung gefordert

Lange schon setzt sich die GEW dafür ein, die Grundschullehrer besser zu entlohnen. Auch der Verband Bildung und Erziehung fordert eine bessere Besoldung, um den Beruf attraktiver zu machen. Grünen-Fraktions-chef Andreas Schwarz hatte die Idee vergangenen Herbst öffentlich unterstützt. Ein Grundschullehrer erhält als Einstiegsgehalt im Regelfall 3533 Euro brutto – und damit mindestens 300 Euro weniger als seine Kollegen an anderen Schularten. Eine Änderung lehnt das Kultusministerium ab. In Bayern verdienen die Lehrer ähnlich, das Einstiegsgehalt liegt bei 3439 Euro.

Auch der Freistaat setzt auf Zweitqualifizierer, also Gymnasial- und Realschullehrer, die für ihren Einsatz in der Grundschule zwei Jahre lang umschulen. 400 sind es aktuell. Dies ist laut Kultusministerium nötig, um den Bedarf decken zu können – denn auch in Bayern gibt es zu wenig Lehrer. Für die Zukunft gehe man davon aus, dass sich eine „ähnliche Einstellungssituation“ im Freistaat ergebe, man den Bedarf jedoch stemmen könne. Im Haus von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sieht man die Ergebnisse der Studie ebenfalls mit Skepsis und die Langzeitprognosen als „nebulöse Annahmen“.

Dringender Handlungsbedarf

Der bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband sieht hingegen dringenden Handlungsbedarf. Die jetzige Situation werde sich „auch noch weiter verschärfen“, wie Verbandspräsidentin Simone Fleischmann prognostiziert. „Nach unseren Berechnungen gehen bis zum Jahr 2030 rund 10 600 Grundschullehrkräfte in Pension, das sind 40 Prozent“, erklärt sie.

Gleichzeitig würden die Schülerzahlen an den bayerischen Grundschulen im selben Zeitraum um zwölf Prozent steigen. „Um diese Lücke zu schließen, wären weitere 3200 Lehrerinnen und Lehrer nötig“, so Fleischmann. Auch der Lehrerverband fordert daher Verbesserungen bei der Lehrerausbildung. Nötig sei, die „Qualität der Lehrerbildung zu steigern, die Flexibilität zu erhöhen und die Mobilität zu gewährleisten“.