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Skispringen

Wenn Glauben ans Können wieder trägt

Bischofshofen / Lesedauer: 3 min

Kamil Stoch, der Gewinner der Vierschanzentournee, kam aus schwierigen Wintern gestärkt zurück – Engagiert für Skisprungnachwuchs
Veröffentlicht:08.01.2017, 20:05

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Gut sechs Jahre ist es her, da fragten sie Kamil Stoch, ob er denn nach einer Maxime lebe, ein Motto habe – einen Antrieb. Längst galt der Mann aus Zakopane als fein veranlagter Skispringer; der Durchbruch auf Dauer war in Arbeit, doch die brauchte Geduld. Frustrierend viel Geduld manchmal. Ein Motto also? „Mach’ deinen Job“, antwortete Kamil Stoch in jenen Herbsttagen 2010, „und sei damit zufrieden.“

Am 6. Januar 2017 stand Kamil Wiktor Stoch schließlich im Auslauf der Paul-Außerleitner-Schanze – seine Frau Ewa im Arm – und stemmte den Goldenen Adler in den Nachthimmel über Bischofshofen. Eine Flügelspannweite von fast einem halben Meter hat die Trophäe für den Sieger der Vierschanzentournee , 20 Kilogramm ist sie schwer. Doch Kamil Stoch lächelte, der 29-Jährige strahlte: die Skispringer gewordene Zufriedenheit. Kamil Stoch hatte seinen Job gemacht. Brillant.

Hochachtung für seine Präzision

Nicht das erste Mal. Sotschi, Olympia 2014, das waren seine Spiele: Gold von der Normalschanze erst, Gold von der Großschanze sechs Tage später. Als Weltmeister war Kamil Stoch angereist, abschließen sollte er die Saison als Weltcup-Gesamtsieger. Der große Stilist war am Zenit seines springerischen Schaffens angekommen; Hochachtung erntete er überall für die Präzision am Schanzentisch, die Symmetrie in der Luft und die meist nahe der Perfektion gesetzte Landung. All das brachte Weite, hohe Haltungsnoten, erste Plätze. Polen, Skisprungnation spätestens seit Adam Malysz , war begeistert, euphorisiert.

Polen musste aber alsbald erleben, dass es kein Abonnement gibt aufs Gewinnen im Sport. Schon gar nicht in einem, in dem kleinste Details Großes aus der Balance bringen können. Knochenabsplitterungen im Fußgelenk, Operation – im Dezember 2014 wurde das System Stoch fragil. Geduld war gefragt beim Comeback. Frustrierend viel Geduld manchmal. Wissen, wie's geht ist das eine. Das andere: es wieder hinbekommen. Den vergangenen Weltcup-Winter hat Kamil Stoch als Gesamt-22. beendet, die Vierschanzentournee 2015/16 – seine elfte – auf Platz 23.

„Er springt fantastisch“

Dann kam Stefan Horngacher. Acht Jahre war Vorgänger Lukasz Kruczek Nationaltrainer, manches hatte sich abgenutzt. Und mancher neue Impuls des Tirolers, zuvor zehn Jahre in Diensten des Deutschen Skiverbandes, passte punktgenau: die Modifikation der Anfahrtshocke vor allem, die aufbauende Ansprache. „Ich glaube wieder an mich und daran, dass ich einer der Besten sein kann“, sagte Kamil Stoch am 6. Januar 2017 in Bischofshofen. „Das ist das ganze Geheimnis.“ Neben einem gehörigen Pensum akribischen Übens, neben einem freien Kopf nach einem konstant starken Dezember. Bundestrainer Werner Schuster hat beobachtet: „Das gibt einem Sportler extrem viel Kraft, wenn er nach einem Tief wieder so rauskommt.“

All das befähigte Kamil Stoch zu dieser Tournee. Zu den Tagesplatzierungen zwei, zwei, vier und eins. „Er springt fantastisch!“, urteilte nicht nur Schuster, „er weiß natürlich, wie man die großen Dinger gewinnt.“ Zu Kamil Stochs Verständnis seines Jobs gehört, dass er dieses Wissen weitergibt. Vor zweieinhalb Jahren haben seine Frau und er den Klub Sportowy Eve-nement Zakopane gegründet („Eve“ steht für Ewa), einen privaten Skiclub, in dem sich die Stochs von morgen entwickeln sollen. 20 Nachwuchsathleten tummeln sich mittlerweile auf den Schanzen; was sie gemacht haben, als Kamil Stoch – 16 Jahre nach Adam Malysz – zum Goldenen Adler flog, als er seinen 250. Weltcup-Start doppelt krönte: Man kann es sich vorstellen.

„SZ“-Sportredakteur Joachim Lindinger berichtet seit vielen Jahren über Wintersportereignisse. Seine Erlebnisse finden Sie auch online unter: