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Saisonstart

Wehrlein: Möglichst schnell so schnell sein wie im DTM-Meisterjahr

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Der Schritt zurÃŒck in die Tourenwagen-Serie soll fÃŒr den Worndorfer ein Anlauf werden fÃŒr einen Neustart in der Formel 1
Veröffentlicht:16.03.2018, 23:43

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Pascal Wehrlein? Schwer zu erwischen so kurz vor Saisonstart – alles wie immer. Fast alles. Der 23-Jährige, geboren in Sigmaringen, aufgewachsen in Worndorf, lebend seit Herbst im eidgenössischen Landschlacht, ist in Barcelona am Handy: Formel-1-Wintertestfahrten auf dem Circuit de Catalunya, vorletzter Tag, Generalprobe quasi für den Australien-Grand-Prix kommenden Sonntag. Wie gehen Sie es an, das Jahr 2018? „Ich weiß, was ich im Auto kann, und bin weiterhin genauso ehrgeizig wie eh und je. Und hungrig: Ich will das Beste aus mir herausholen und aus dem Paket, das ich zur Verfügung habe. Daran hat sich gar nichts geändert. Die Grenzen sind noch nicht erreicht.“

Fast alles wie immer. Nur: Grenzerfahrungen wird Pascal Wehrlein sich heuer im Mercedes-AMG C 63 DTM holen. Tourenwagen statt Formel-1-Bolide, nach 39 Starts in der Motorsport-Beletage, nach sechs WM-Punkten zunächst für Manor Racing, dann für Sauber. Nach 39 Versuchen, per persönlichem Potenzial all die Unzulänglichkeiten eines – pardon – jeweils lendenlahm-limitierten Sportgeräts zu kompensieren.

Fahrerisch kann sich Pascal Wehrlein wenig vorwerfen, doch die Formel 1 ist auch Geschäft, ist Politik. In einem „Alfa Romeo Sauber F1 Team“, das von 2018er Ferrari-Power-Units seine Pferdestärken bezieht, ist ein Mercedes-unterstützter Fahrer schlicht keine Option. Und Williams, durchaus Interessent, zudem Motorenkunde in Untertürkheim, erlag letztlich der Mitgift des Russen Sergej Sirotkin. Pascal Wehrlein war draußen. Ist weiter Ersatzfahrer des Mercedes-Weltmeister-Rennstalls, reiste deshalb auch nach Barcelona. Chauffieren aber wird er den Mercedes-AMG F1 W09 EQ Power+ nur, wenn Lewis Hamilton oder Valtteri Bottas passen müssen. Stand-by-Präsenz für den Fall der Fälle, keine Freitagstrainings voraussichtlich, viel Simulator-Arbeit. Und zehn Wochenenden, an denen Pascal Wehrlein mit Dach über dem Helm unterwegs sein wird. In der DTM, die er 2015 als bislang jüngster Meister verlassen hat. „Darauf“, sagt die Handy-Stimme aus Barcelona, „freue ich mich.“

Drei Meister im Mercedes-Kader

Wenige Tage später, Mercedes-Benz-Museum Stuttgart, achter Stock: Media-Kick-off heißt offiziell, wozu die DTM-Sparte von Mercedes-AMG Motorsport geladen hat. Keine Neuigkeit ist: Am 4. Mai in Hockenheim beginnt die letzte Saison für Teamchef Ulrich Fritz und sein Fahrersextett in der Serie, seit Sommer ist das amtlich. „Die automobile Landschaft verändert sich, und die Zukunft sieht vielleicht anders aus“, begründet Motorsportchef Toto Wolff den DTM-Abschied nochmals. Die Argumentation ist bekannt, Mercedes’ Zukunft – neben der Formel 1 – auch: die Formel E, in der sich rein elektrisch betriebene Rennfahrzeuge messen. Einstieg Ende 2019.

Pascal Wehrleins Zukunft ist offen. Und nicht auf der Agenda an diesem Tag, an dem diverse Absichtserklärungen vom kollektiven Willen zeugen, mit Anstand zu gehen. Ulrich Fritz: „Absolute Priorität hat es, gemeinsam das letzte Stückchen Performance rauszuquetschen.“ Im Idealfall ende das in einem Titel. Im Idealfall für Pascal Wehrlein im zweiten DTM-Fahrertitel für ihn. Ist der nicht sogar ein Muss, wenn die Karriere sich irgendwann wieder in Richtung Formel 1 bewegen soll? Kurz ist es still am Handy. „Mein Ziel ist, so schnell wie möglich wieder auf dem Speed zu sein, wie ich es 2015 war“, sagt Pascal Wehrlein dann. „Mich an das neue Auto zu gewöhnen und dann so schnell wie möglich ganz vorne mitzufahren, aufs Podium, und Rennen zu gewinnen.“

Prognosen, das weiß Pascal Wehrlein aus drei DTM-Jahren (38 Starts, drei Siege, zwei zweite und ein dritter Platz), sind heikel. Zu wenig nehmen sich die Protagonisten, allein bei Mercedes sind zwei weitere DTM-Champions am Lenkrad: Gary Paffett (2005) und Paul di Resta (2010). „Der Mercedes-Kader ist sehr stark“, doch auch Audi und BMW seien „sehr, sehr gut besetzt. Aber das war in der DTM schon immer so, dass das Niveau der Fahrer sehr hoch ist.“ Das grundlegend modifizierte technische Reglement – sprich: das Mehr von Einheitsbauteilen an aerodynamisch relevanten Stellen – vergrößere die Chancengleichheit; „man braucht nicht mehr solche Dinge wie Erfolgsgewichte. Das ist eine viel bessere Lösung.“ Mit vor allem einer Konsequenz: „Es wird wahrscheinlich noch enger zugehen.“

Ein Auto zum Was-zeigen-Können

Nicken im Museum, ganz oben. Was diese Leistungsdichte speziell für Rückkehrer Wehrlein bedeutet? Ulrich Fritz formuliert mit Bedacht: „Die DTM ist wettbewerbsintensiv, und Pascal war zwei Jahre nicht im Auto. Wir haben neue Reifen, wir haben eine neue Aerodynamik … Er hat das Potenzial – aber mit den wenigen Testtagen ist es ’ne Challenge.“ Vom 9. bis 12. April sind die offiziellen ITR-Tests auf dem Hockenheimring angesetzt, je zwei Mercedes-Markenkollegen teilen sich einen C 63 DTM. Das ganz große Problem sieht Pascal Wehrlein da nicht. „Es ist, wie’s ist. Ich bin davon überzeugt, dass ich schnell wieder in das Thema reinkommen werde.“ Mit einer Maßgabe, mit einem Wunsch: „So viel wie möglich zu fahren wird am wichtigsten sein. Gut wäre es, wenn ich mal im Regen auf die Strecke könnte, mal im Trockenen.“

Danach will Pascal Wehrlein mit seinem Dienstwagen vertraut(er) sein. Einem Dienstwagen, „mit dem ich was zeigen kann, mit dem ich gute Ergebnisse einfahren kann“. Balsam für die Rennfahrerseele; die Wenn-wirklich-alles-passt-gibt’s-vielleicht-ein-Pünktchen-Zeit war gestern. Und morgen? Wann wird sich Pascal Wehrlein, DTM-Pilot für noch 20 Rennen, bis exakt 14. Oktober 2018, mit dem Danach befassen? „Vor August sicher noch nicht. Bis dahin werde ich mich voll und ganz auf die ersten Rennen konzentrieren und dann mal sehen, was auf mich zukommt für 2019. Es ist noch viel zu früh, um darüber nachzudenken.“

Die Gegenwart zählt. Und in ihr jede Runde. Fast alles wie immer.