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Schlechteste Bilanz aller Zeiten - wieso Weinzierl dennoch Trainer des VfB Stuttgart bleiben darf

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Der VfB Stuttgart zeigt beim 1:3 gegen Leipzig Kampfkraft, Trainer Markus Weinzierl darf weitermachen
Veröffentlicht:17.02.2019, 20:54

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Das wichtigste zuerst: Der Backnanger Ralf Rangnick , der einst die VfB-Junioren zu den unumstrittenen Anführern in Deutschland machte, als Cheftrainer allerdings an Balakow und dem allmächtigen MV scheiterte, wird nicht mehr nach Stuttgart zurückkehren. Der 60-Jährige will die Früchte seiner Aufbauarbeit in Leipzig ernten, einen dritten Standort nach Hoffenheim und RB an die nationale Spitze zu führen, sehe sein Lebensplan nicht mehr vor.

Er habe noch zwei Jahre Vertrag, sagte Rangnick nach dem 3:1 des Ligavierten beim Liga-16., und fühle sich in Leipzig pudelwohl. „Wenn man sieben Jahre etwas aufgebaut hat von der vierten Liga in die deutsche Spitze, dann gibt man das nicht so ohne Weiteres her. Und ich werde nicht jünger, also ist eine Rückkehr eher unwahrscheinlich.“

Der VfB wird also weiter auf einen national führenden Kader- und Clubplaner verzichten müssen, auf jene Kompetenz und auch konstruktive Kritik, die sich auch der neue Sportchef Thomas Hitzlsperger wünscht. Immerhin haben die Stuttgarter noch einen Trainer, und so wahrscheinlich war das ja nicht nach dem 0:3 in Düsseldorf, als die Truppe von Markus Weinzierl so friedselig auftrat wie eine schwäbische Pilgergruppe auf dem Jakobsweg.

Beim 1:3 gegen Leipzig dagegen kämpfte die Elf, bog jeden Grashalm um und hätte sogar 2:1 in Führung gehen müssen – Santiago Ascacibars Gewaltschuss aber wurde von Gulacsi entschärft, Ozan Kabaks Kopfball von Marcel Sabitzer von der Torline bugsiert. „Zwei Hundertprozentige, die wir machen müssen“ (Weinzierl), hatte der VfB also nicht gemacht, „und wie das dann so ist, wenn du unten stehst“, kassierte er im Gegenzug ein Traumtor „bei einem Freistoß, der für mich keiner war“: Eben jener Sabitzer zirkelte den Ball unhaltbar in den linken Winkel, nachdem der Beinahe-torschütze Kabak Yussuf Poulsen im Strafraum niedergerungen hatte. „Beide zerrten und zogen“, sagte Weinzierl nur, und: „Wir waren 65 Minuten lang gleichwertig und ebenbürtig.“

Am Ende allerdings setzte es im 15. Ligaspiel des 44-Jährigen die elfte Niederlage. Winzige 0,66 Zähler sammelte Weinzierl im Schnitt. „Ich kann jeden verstehen, der auf die Tabelle schaut und auch meine Statistik sieht und sagt, damit sind wir nicht zufrieden. Ich bin es auch nicht“, sagte der Bayer. Dass er auch nächsten Samstag in Bremen an der Linie steht, ist dennoch garantiert.

Hitzlsperger ist zuversichtlich

Nicht nur Hitzlsperger, der „auf der Bank mitfieberte, als würde ich selbst kurz vor der Einwechslung stehen“, hatte beobachtet, dass der VfB endlich den Abstiegskampf anzunehmen scheint. „Ich habe viel Gutes gesehen, aber leider das falsche Ergebnis. Das war das Einzige, was nicht so wünschenswert war. Alles andere, wie wir aufgetreten sind, wie wir in den letzten Tagen gearbeitet haben, das stimmt mich sehr positiv. Wir werden in der jetzigen Konstellation weitermachen. Einstellung und Mentalität waren sehr erfreulich, und da bauen wir drauf auf“, sprach der Meister von 2007. Mario Gomez, sein damaliger Vordermann, stimmte ihm zu.

„Dieses Spiel hat mir und auch der ganzen Mannschaft extrem viel Kraft gegeben gegen einen saustarken Gegner, der einen wahnsinnigen Lauf hat. Wir waren mindestens genauso gut, haben sehr aggressiv, sehr gut gespielt. Deswegen nehme ich eins mit aus diesem Spiel: Ich bin tausendprozentig davon überzeugt, dass wir in der Liga bleiben.“ Die komplette Elf plädierte für den Trainer: „Die Mannschaft hat sich gut präsentiert, deshalb weiß ich nicht, warum der Trainer zur Debatte stehen sollte“, meinte Torwart Ron-Robert Zieler. „Das erklärt sich von allein, wir haben uns alle den Arsch aufgerissen“, sagte Alexander Esswein.

Weinzierl dürfte damit der erste Bundesliga-Trainer sein, der mit einer Niederlage den – ersten – Matchball gegen sich abgewehrt hat. Die Ergebnisse bleiben dennoch miserabel. Nie hatte der VfB in seinen 53 Bundesligajahren weniger Punkte nach einem 22. Spieltag, nie ein schlechteres Torverhältnis, und sollte es in Bremen zu einem Rückfall kommen, wird die Debatte vor dem Schlüsselspiel gegen den Liga-17. Hannover wieder losgehen. Wie schafft es der VfB also, zu Punkten zu kommen?

Gegen Leipzig versuchte es Weinzierl mit einer Fünfer- respektive Dreierkette mit Weltmeister Benjamin Pavard im Zentrum, die erstaunlich wenig zuließ. Kapitän Christian Gentner musste erstmals nach 44 Ligaspielen in Serie in der Startelf draußenbleiben, für ihn kam Gonzalo Castro, ohne sich allerdings für die VfB-Jahrhundertelf aufzudrängen. Leipzig um den wieselflinken Timo Werner machte nur sechs Minuten lang Druck, das reichte allerdings zum frühen 0:1. Marc-Oliver Kempf konnte den Ball nach Werner-Pass nicht klären und legte ihn quasi für Yussuf Poulsen auf, der später auch noch das 1:3 machte – sein zwölftes Saisontor.

Nimmt die Herausforderung Abstiegskampf an: VfB-Coach Markus Weinzierl. Foto: Sebastian Gollnow
Nimmt die Herausforderung Abstiegskampf an: VfB-Coach Markus Weinzierl. Foto: Sebastian Gollnow (Foto: Sebastian Gollnow/DPA)

Stuttgarts Elfmeter zum Ausgleich durch Steven Zuber war ebenfalls ein Geschenk. Gomez hatte dem RB-Abwehrchef Willi Orban im Luftkampf 13 Meter vor dem Gehäuse an die Hand geköpft – dass Schiedsrichter Felix Zayer nach Videostudium auf den Punkt zeigte, hielt so mancher für einen Scherz. Fraglich, ob Stuttgart auch aus dem Spiel heraus ein Tor erzielt hätte. Ohnehin hatte auch Leipzig nicht seinen besten Tag erwischt. „Larifari-Gekicke“ nannte Rangnick den Auftritt in der ersten Hälfte.

Blieben noch die VfB-Fans, bei denen die Treue mit der Qualität der Mannschaft abnimmt. Nur 46 000 kamen noch, und die Ultras vom Commando Cannstatt sahen sich erneut bemüßigt, dem Präsidenten Wolfgang Dietrich mit diversen Plakaten und Schmähgesängen den Rücktritt nahezulegen. Werner, „der hier schon als Kind kickte und zehn Jahre lang im Verein war“, wie Rangnick feststellte, wurde bei einer Verletzungspause ebenfalls beleidigt. Immerhin: Im Gegensatz zu Dietrich konnte sich der 22-Jährige rächen: mit einer kurzen Handbewegung, die – auch ohne Videobeweis – ungeahndet blieb.

Leipzigs Spieler freuen sich über den Sieg beim VfB Stuttgart. Foto: Sebastian Gollnow
Leipzigs Spieler freuen sich über den Sieg beim VfB Stuttgart. Foto: Sebastian Gollnow (Foto: Sebastian Gollnow/DPA)