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Standarte

Die Blutreiter als Bild der Schöpfung

Bad Waldsee / Lesedauer: 4 min

Mit Stolz und Selbstbewusstsein elebriert die Blutreitergruppe Reute-Gaisbeuren ihr 100-jähriges Jubiläum
Veröffentlicht:17.06.2012, 20:35

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Schon der Aufmarsch beeindruckte. Gleißende Sonne, schneidige Blasmusik, wehende Fahnen und prächtige Standarten der 22 Blutreiterabordnungen aus der Umgebung bestimmten das Bild. An der Treppe zur Reutener Pfarrkirche erwartete Ehrengast Weihbischof Thomas Maria Renz, ganz in blutrotem Ornat, den Festzug und reihte sich mit seinen Mitzelebranten auf dem Weg in die liebevoll geschmückte Durlesbachhalle ein. Dort hatten sich die nahezu 500 Gottesdienstbesucher eingefunden, denen sich ein ungewöhnlich farbiges Bild bot. Es mögen weit über 50 Fahnen und Standarten gewesen sein, die den festlich geschmückten Altar neben dem Rednerpult einrahmten. Das großartige Bild wurde ergänzt durch die Musikanten des Musikvereins Reute-Gaisbeuren und den Reutener Kirchenchor.

Klartext redete Ortspfarrer Karl Eiberle in seinem Begrüßungswort. Willkommen hieß er den Weihbischof und Pater Karl aus Bad Wurzach, um dann zum Wesentlichen zu kommen. „Hitler hat es nicht geschafft, unser Glaubenszeugnis Blutritt abzuschaffen, und es wird auch die Gottlosigkeit und Gleichgültigkeit unserer Zeit nicht schaffen.“

Dergestalt waren die Grundtöne des festlichen Gottesdienstes schon benannt, die Weihbischof Renz in seiner Predigt aufgriff. Über ein Jahrhundert hinweg wurde die Tradition gepflegt, sogar über Weltkriege und Diktatur hinweg. „Tradition“, so meinte Renz, „ist nicht das Bewachen einer verloschenen Glut, sondern das Weitergeben einer hell leuchtenden Fackel der Begeisterung.“ Die Menschen leben, wie er ausführte, auf zwei Ebenen. Es ist das Hier und Heute, in dem sie sich bewegen, gleichzeitig aber auch in der Gewissheit des Sterbens und des jenseitigen Lebens. Dies haben die Blutreiter in den zehn vergangenen Jahrzehnten gelebt, viele von ihnen sind in die Ewigkeit vorausgegangen.

Bedauernd wies Renz auf die seiner Meinung nach fehlende Jugend in der Halle hin. „Wo sind heute morgen die jungen Menschen, denen wir in den Sattel helfen sollten?“ Trost und Zuversicht biete das Tagesevangelium, vom winzig kleinen Senfkorn, das zur stattlichen Pflanze gedeiht, das Ganze ohne wesentliches Zutun des Menschen. Das Wachsen und Reifen geschehe „automatisch“, wenn auch dem Menschen die Hege und Pflege anvertraut sei. Der Reiter auf seinem Pferd in Gottes schöner Natur, den Schöpfer preisend, den Glauben bekennend bezeichnete Renz als die zentrale Botschaft eines Blutritts. Gottes Reich, das die Blutreiter auf ihren Prozessionen in vorbildlichem Gottvertrauen verkünden, sei geprägt von Gerechtigkeit, Liebe, Frieden, Freiheit und Wahrheit. Für das Vertreten dieser Eigenschaften, für ihren Gruppengeist und Hilfsbereitschaft sprach Renz den Blutreitern Dank und Anerkennung auch des Diözesanbischofs Fürst aus.

Durch den Festakt führte souverän mit hintergründigem Humor Vorstandsmitglied Peter Niedergesäß, dessen Handschrift bei der Gestaltung des anrührenden Gottesdienstes unübersehbar war. Eingestimmt in die von großem Dank und herzlich formulierten Glückwünschen gespickten Grußworten wurden die Zuhörer durch den „Blutfreitagsmarsch“. Dieser, so Niedergesäß, jage den Reitern jedes Jahr aufs Neue Schauer über den Rücken, „weil man weiß, jetzt geht’s los“.

Gruppenführer Dieter Hertkorn freute sich über die große Zahl der auswärtigen Abordnungen und brachte das blutreiterische Engagement auf den Punkt: „Der Glaube an Gott und die Liebe zu den Pferden bewegen uns.“ Der Vorsitzende des Musikvereins Reute-Gaisbeuren – Rudi Heilig verwies auf 100 gemeinsame Jahre mit den Blutreitern. „Nur vier Dirigenten gab es in dieser Zeit, der erste leitete die Musikformation sage und schreibe 50 Jahre und hieß Fritz Frommelt.“ In einer wohlmeinenden Replik auf die Sorgen des Bischofs erwähnte Heilig die 25 jungen Musiker, die in den Reihen des Blasorchesters mitspielen.

Bürgermeister Roland Weinschenk sieht das Blutreiten als Zeichen des Gebets und der Nächstenliebe, und in diesem Sinn auch als Demonstration gegen den Zeitgeist. Der stellvertretende Reutener Ortsvorsteher Dr. Gunther Weiß hieb in die gleiche Kerbe, lobte die auch körperlichen Anstrengungen der Reiter und ihren vorbildlichen Gemeinschaftssinn.

Das älteste Mitglied der Blutreitergruppe, der 88-jährige Fritz Stoerk, immerhin 65 Mal in Weingarten dabei, antwortete auf die Frage von Moderator Niedergesäß, was ihn in all den Jahren am meisten beeindruckt habe: „Es waren die Jahre 1946 und 1947, damals durften wir nicht reiten, dann haben wir den Blutritt eben zu Fuß gemacht.“

„Bitte bleiben Sie Zeugen des Lebens und des Glaubens. Das ist es, was Sie bei Ihrem Ritt auf Ihrem Pferd in Gottes freier Natur tun. Sie bewahren die Schöpfung.“ So blieb es einer Frau, Generaloberin Sr. Paulin vom Franziskanerkloster Reute vorbehalten, ein eindringliches Schlusswort zu setzen.