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Utilitarismus

Müssen sechs Minuten Nachspielzeit sein?

Sport / Lesedauer: 2 min

Müssen sechs Minuten Nachspielzeit sein?
Veröffentlicht:11.07.2018, 21:07

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Fair Play wird Utilitarismus geopfert. (Pro, von Peter Schlefsky)

Mal ganz ehrlich: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie mit ihrer Mannschaft 0:1 zurückliegen, Ihre Gegenspieler in schöner Regelmäßigkeit selbstverliebt an der Eckfahne One-man-Shows zum Besten geben und alle Register ziehen, um den Spielfluss so oft es geht zu unterbinden? Und als Zuschauer wirkt das Schinden von Sekunden und Minuten mit der Dauer ohnehin unansehnlich, Fair Play wird so auf dem Altar des Utilitarismus geopfert. Natürlich findet ein Fußballspiel in Raum und Zeit statt, alles hat irgendwann einmal ein Ende. Dann aber bitte für netto, nicht brutto. Und deshalb sind teils üppige Nachspielzeiten, wie bei der WM zu beobachten, absolut gerechtfertigt. Übrigens gab es irgendwann mal einen Unparteiischen, der bei seinen internationalen Einsätzen – vor allem dann, wenn italienische Nationalmannschaften auf dem Platz standen – jedes Anzeichen für Zeitspiel durch eine demonstrative Geste quittierte. Mit seinem Finger zeigte er auf die Armbanduhr und bedeutete, er werde es zur Nachspielzeit verbuchen. Es war ein Wink, der durchaus nicht seine Wirkung verfehlte.

Jedes Team spielt am Ende doch auf Zeit. (Contra, von Thorsten Kern)

Wenn sich Neymar gefühlt minutenlang auf dem Boden wälzt oder Torhüter für einen Abstoß länger brauchen als einst Günther Netzer für einen Spurt übers ganze Feld, darf und muss nachgespielt werden. Aber bei dieser WM ist alles unter fünf Minuten Extrazeit ja schon kurz.

Das ist zu lang. Im Halbfinale zwischen Frankreich und Belgien gab es sechs Minuten oben drauf. Für was? Außer den Auswechslungen und dem kurzen Torjubel gab es nichts, was sechs Minuten gerechtfertigt hätte. Jede Mannschaft, die kurz vor Schluss in Führung liegt, spielt auf Zeit. Das ist nicht schön.

Andererseits machen es die, die sich dann beschweren, bei eigener Führung doch nicht anders. Wer es in 90 Minuten nicht schafft, Druck aufs gegnerische Tor zu machen, der hat auch keine Nachspielzeit verdient. Und wer es erst in der Nachspielzeit schafft, den Gegner unter Druck zu setzen, der muss sich fragen lassen, warum er das nicht schon früher geschafft hat. Die drei Minuten Nachschlag in der Bundesliga sind oft schon zu viel. Sechs, sieben Minuten wie bei der WM braucht keiner.