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Froschs Erben wollen als Einheit bestehen

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Die Deutsche Eishockey Liga geht in ihre 25. Saison – und die Schwenninger Wild Wings bereichern sie im Jahr sechs nach ihrer Rückkehr als aufmüpfiger Kleiner.
Veröffentlicht:13.09.2018, 21:46

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Fünfzehn Sekunden noch bis zur Schlusssirene. Carsten Solbach hat sein Tor längst verlassen. sechs Feldspieler also. Da fasst sich Frantisek Frosch ein Herz, sucht den Abschluss, findet die Lücke. 4:4 beim EC Hannover, Spieltag eins der neuen Deutschen Eishockey Liga (DEL) ist für die SERC Wild Wings gerettet. 24 Jahre ist das her, und Puck-Romantikern sei gesagt, dass Andrej Kowalew (zwei) und Thomas „Jackson“ Deiter die ersten Gästetreffer erzielt hatten, dass die Verlängerung torlos blieb an jenem 16. September 1994 (Penaltyschießen gab noch keines) und dass der Richtliniengeber an der Schwenninger Bande damals Miro Berek hieß.

Jetzt heißt er Pat Cortina, die DEL geht in die 25., ihre Jubiläumsspielzeit, für die Wild Wings ist es die 15. Nach einer 14., die Thomas Burger und Michael Werner, die geschäftsführenden Gesellschafter der Wild Wings Spielbetriebs GmbH, unisono als „schöne und runde Geschichte“ geadelt haben. Schön und rund waren der zehnte Tabellenplatz nach 52 Hauptrundenpartien und je 26 Siegen und Niederlagen, waren die 74 Punkte, war der erste (Pre)Play-off-Einzug seit 1996. 3:4 nach Verlängerung und 2:3 hieß es dann zwar gegen die Grizzlys Wolfsburg, die Euphorie rund um die Helios-Arena allerdings erinnerte an die Zeiten eines Mark MacKay (400 Scorerpunkte im Schwenninger Trikot), eines Wayne Hynes (251), eines Rich Chernomaz (238), eines Jackson Penney (182) in den späten Neunzigern.

Die frühen Wild Wings waren, mit unbändigem Willen und hohem Arbeitsethos aufwartend, speziell auf heimischem Eis schwer zu bändigen von der tierischen Konkurrenz. Dass die DEL ihre Clubs zwecks Namensfindung zu kollektiven Zoobesuchen vergattert hatte, soll übrigens böses Gerücht sein. Viel schlimmer als Füchse, Star Bulls, Revier Löwen oder Scorpions auf Kufen: Das Bestiarium war klamm. Schon der altehrwürdigen Bundesliga hatten Ende 1993 massiv Mittel gefehlt; Verbindlichkeiten und ausstehende Gehälter schätzten Fachleute auf 25 Millionen D-Mark. Ulf E. Jäkel, kühn denkender Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, sah die Rettung in einer geschlossenen Profiliga nach amerikanischem Modell: Statt Vereinen Kapitalgesellschaften; unter dem Dach des DEB würde die DEL-Betriebs-GmbH Franchisegeber für genau diese sein. Dazu mehr Marketing-Erlöse, dazu ein Ligasponsor: so weit die Idee.

Noch acht von 18 dabei

Die Wirklichkeit der Premierensaison: Titelverteidiger EC Hedos (jetzt: Maddogs) München spielte genau 27-mal, dann war der Meister pleite. Die Lizenzvergabe im Sommer eine Farce? An Schuldzuweisungen fehlte es nicht. Auch sollte es nicht der letzte Sudden Death gewesen sein von Kaufbeuren bis Hamburg. Von den 18 Gründungsmitgliedern gehen im Silberjahr noch acht auf DEL-Eis, sechs gehörten der Liga durchgehend an.

Die Schwenninger Wild Wings hatten ihre Auszeit zwischen 2003 und 2013: Insolvenzverfahren, Lizenzentzug, 2. Bundesliga, Übernahme schließlich der Hannoveraner Lizenz für geschätzte 1,2 Millionen Euro – so liest sich das Jahrzehnt DEL-Abstinenz im Zeitraffer. Rückkehr am 13. September 2013 mit einem knappen 1:2 beim Erzrivalen Adler Mannheim, die „Schwäne“ hatten wieder Biss. Wirtschafte(te)n grundsolide seither, haben es sich zum Programm gemacht, vornehmlich jüngere deutsche Spieler zu verpflichten und sie zu entwickeln. Pat Cortina, vormals Bundestrainer und die dritte Saison in der Verantwortung, hat dafür offenbar ein Händchen; als „sehr strukturiert“ beschreibt Kapitän Simon Danner den 54-Jährigen, „immer eine klare Ansprache“ habe er. Und: in Jürgen Rumrich einen bestens vernetzten Manager an seiner Seite, der diesen Weg mitträgt, mitgeht. So, dass mit vergleichsweise bescheidenem Etat, das Fachblatt „Eishockey News“ schätzt ihn auf unverändert 5,7 Millionen Euro, vergleichsweise Großes erreicht werden kann. Jürgen Rumrich: „Platz zehn ist mit diesem Team möglich. Das ist aber kein Selbstläufer, dazu müssen wir immer am Limit spielen.“ Will sagen: als Einheit auffangen, was durch den Verlust vor allem von Will Acton (149 Scorerpunkte in 151 Spielen für die Wild Wings; trotz laufenden Vertrags nach Nürnberg) und Damien Fleury (aus familiären Gründen nach Grenoble) an individueller Qualität verloren ging. Wegorientiert haben sich über Sommer auch Tim Bender (Nürnberg), Uli Maurer (Riessersee) und Lennart Palausch (Hamburg); neu im Wild-Wings-Dress sind Philip McRae, Ville Korhonen (beide Ässät Pori), Rihards Burkats (Eisbären Berlin), Julian Kornelli (Tölzer Löwen) und Boaz Bassen (Nachwuchs). Weniger Fluktuation hatte keine Mannschaft der Liga, Kontinuität ist Teil des Konzepts.

Kontinuität hat sich auch die DEL auf ihre Fahnen geschrieben für die Jahre 25 ff. Passé sind Kinderkrankheiten und Grabenkämpfe zwischen Liga und Verband, sogar Auf- und Abstieg wird es bald – 2020/21 – wieder geben. Wirtschaftlich ist der Jubilar gesünder denn je, Arenendichte und TV-/Internetpräsenz stimmen, auf dem Eis geht es wohltuend eng zu. Mehr Geld schießt nicht zwingend immer mehr Tore. Das macht gespannt auf die Silbersaison nach dem Sensationssilber von Pyeongchang.

Und auf den Start der Schwenninger Wild Wings . Sie treffen diesen Freitag auf die Nürnberg Ice Tigers. Samt Ex-Kapitän Will Acton. Nachfolger Simon Danner: „Wir brennen!“