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Berufsschulen beklagen Lehrermangel

Kreis Tuttlingen - Die Pensionierungen sind es, die Hartwig Hils / Lesedauer: 4 min

An den Schulen sind bis zu vier Stellen unbesetzt – Ministerium will spätestens im Juli Lehrkräfte einstellen
Veröffentlicht:16.05.2012, 18:00

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Kreis Tuttlingen - Die Pensionierungen sind es, die Hartwig Hils zu schaffen machen. Ein Ausschreibungsverfahren sei derzeit noch offen, sagt der Leiter der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule in Tuttlingen. Wenn diese Stelle besetzt sei, fehlten aber weitere zwei Lehrer für das kommende Schuljahr. Ob und wann er diese Stellen ausschreiben darf, sei bisher unklar. Bei den anderen Berufsschulen, die vom Kreis Tuttlingen getragen werden, ist die Situation noch gravierender. Sowohl an der Fritz-Erler-Schule in Tuttlingen als auch an der Erwin-Teufel-Schule in Spaichingen fehlen je vier Lehrer. Gerade in Fächern wie Mathematik und Wirtschaft mache sich das Defizit bemerkbar, klagt Arnold Müller, stellvertretender Schulleiter an der Fritz-Erler-Schule: „Es gibt genügend ausgebildete Lehrer, sie werden uns nur nicht zugeteilt.“

Kultusministerium fordert Geduld

Die Sorgen der Berufsschulen sind im baden-württembergischen Kultusministerium bekannt. Es sei geplant, im Juni und Juli weitere Lehrkräfte einzustellen, heißt es aus dem Ministerium. Bevor weitere Stellen freigegeben werden, wolle das Ministerium aber die Bekanntgabe der Schülerzahlen abwarten. Alle Schulen müssen dem Ministerium diese Zahlen bis zum 23. Mai melden. Schon jetzt sei abzusehen, dass viele Eltern für ihre Kinder höhere Schulabschlüsse anstrebten, sagt Brigitte Kieser , Sprecherin des Kultusminsteriums. Im Kreis Tuttlingen verzeichnen Gymnasien und Realschulen Zuwächse, Haupt- und Werkrealschulen haben weniger Schüler (wir berichteten). Dennoch bittet sie um Geduld: „Erst wenn wir die exakten Schüler- und Klassenzahlen aller Schulen im Land haben, können wir den genauen Bedarf bestimmen und die nötigen Stellen besetzen.“

Die Schul- und Wirtschaftsvertreter der Region tröstet das wenig. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg herrsche schon jetzt ein strukturelles Defizit von etwa fünf bis sechs Prozent. Das heißt, 2011 hätten im Kreis Tuttlingen etwa 163 Unterrichtsstunden pro Woche nicht wie geplant angeboten werden können. Zwar gibt es an der Fritz-Erler-Schule und der Steinbeis-Schule aufgrund sinkender Schülerzahlen im kommenden Schuljahr voraussichtlich je eine Klasse im Berufseinstiegsjahr weniger „die Lehrer können wir aber nicht einfach auf andere Klassen in der dualen Ausbildung umschichten“, sagt Arnold Müller. Auch Klassen zusammenzulegen halten die Schulen für den falschen Weg. Die Ausbildung der verschiedenen Fachrichtungen, zum Beispiel bei Elektronikern und Kaufleuten, gestalte sich zu unterschiedlich.

IHK befürchtet sinkende Ausbildungsqualität

Sollten die Lehrer weniger werden, befürchtet die IHK, dass die Ausbildungsqualität an den Berufsschulen sinkt und die Firmen der Region das Vertrauen in die duale Ausbildung verlieren. In einem offenen Brief an das Kultusministerium forderte Dieter Teufel, IHK-Präsident Schwarzwald-Baar-Heuberg, die Unterrichtsversorgung auf 110 Prozent zu erhöhen. „Ein mögliches Szenario wäre sonst, dass die Firmen völlig auf die schulische Ausbildung verzichten, weil ihnen der Partner fehlt“, sagt Martina Furtwängler, Leiterin für berufliche Aus- und Weiterbildung bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg.

Diese Einschätzung hält Schulleiter Hartwig Hils allerdings für überzogen: „Die duale Ausbildung ist ein großer Erfolg, das wissen auch die Firmen in der Region, denn sie brauchen gut ausgebildete Fachkräfte.“ Er geht davon aus, dass das Ministerium die beiden offenen Stellen an seiner Schule noch genehmige. Dann, so Hils, sei das kommende Schuljahr erstmal „sicher“.

Hintergrund: Schülerzahlen sind bisher unklar

Aufgrund mehrerer Änderungen im Schulsystem verzögert sich in diesem Jahr die Bekanntgabe der Schülerzahlen und die daraus resultierende Vergabe der Lehrstellen. Zum einen ist die Grundschulempfehlung weggefallen, das heißt, die Eltern in Baden-Württemberg können frei entscheiden, welche Schule ihr Kind nach der vierten Klasse besuchen soll. Auch die Schüler der neunten Klassen der Werkrealschulen haben größere Wahlfreiheit: Zum ersten Mal haben sie die Option, ein zehntes Schuljahr zu absolvieren, ohne einen bestimmten Notendurchschnitt erzielt zu haben. Außerdem können sie den Hauptschulabschluss statt am Ende der neunten erst am Ende der zehnten Klasse machen. Je nachdem, wie viele Schüler nach der neunten Klasse weiter zur Schule gehen oder doch eine Ausbildungsstelle antreten, hat dies Auswirkungen auf die Anmeldezahlen an den Berufsschulen. (dh)