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Steuerstrafrecht

„Es wird ziemlich gefährlich für Hoeneß“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Steuerstrafrechtler Uwe Hellmann über den Prozess gegen den Bayern-Präsidenten
Veröffentlicht:15.01.2014, 14:35

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Uli Hoeneß ist nicht der erste Prominente, der wegen Steuerhinterziehung vor Gericht muss. Boris Becker und Klaus Zumwinkel sind mit einem blauen Auge davon gekommen. Steffi Grafs Vater musste ins Gefängnis. Dabei ist Prominenz nicht unbedingt von Vorteil. „Der Promifaktor kann ein Bonus sein, er kann für den Richter aber auch Anlass sein, besonders genau hinzuschauen“, sagt der Potsdamer Fachmann für Steuerstrafrecht, Uwe Hellmann, im Gespräch mit Michael Scheyer.

Herr Hellmann, was bedeutet es, im Steuerstrafrecht in sieben Fällen angeklagt zu sein?

Im Steuerstrafrecht gilt die Abschnittsbesteuerung. Es muss also jährlich eine Steuererklärung abgegeben werden. Im Falle von Hoeneß handelt es sich vermutlich um sieben falsche Steuererklärungen. Er hatte ein der Finanzbehörde unbekanntes Konto in der Schweiz. Von einem solchen fließen dem Kontoinhaber jährlich Kapitalerträge zu, und diese muss er in der jeweiligen Steuererklärung deklarieren. Tut man das nicht, kommen im Laufe der Zeit mehrere Steuerhinterziehungen zusammen, weil jede unrichtige oder unvollständige Steuererklärung eine einzelne Steuerstraftat ist. Wenn man an einen unverjährten Zeitraum von fünf Jahren denkt, können das schon fünf einzelne Steuerhinterziehungen sein. Handelt es sich um eine besonders schwere Steuerhinterziehung, dann verjährt das erst nach zehn Jahren. Die beginnt immerhin schon ab 50000 Euro.

Allesamt Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung? Es geht um 3,2 Millionen.

Und wenn man die durch sieben teilt, wäre das 450.000 Euro pro Jahr. Dann wären das Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Mit der Folge dass auch ein höherer Strafrahmen zur Anwendung käme.

Mit was muss Uli Hoeneß denn im ärgsten Fall rechnen?

Der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer Grundsatzentscheidung einige Pflöcke eingeschlagen. Zum Beispiel, dass bei einer sechsstelligen Hinterziehungssumme keine Geldstrafe mehr in Betracht kommt. Und bei einer Hinterziehungssumme in Millionenhöhe auch keine Freiheitsstrafe mehr möglich ist, die zu einer Bewährung ausgesetzt werden kann.

Wenn die Anschuldigungen stimmen, muss Hoeneß ins Gefängnis?

Ich bin der Meinung, dass jede Strafbemessung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss. Man müsste also auch berücksichtigen, dass Herr Hoeneß eine Selbstanzeige abgegeben hat – ob die jetzt wirksam, also strafbefreiend, ist oder nicht – aber wenn man so will, hat er ja ein Geständnis abgelegt und der Finanzbehörde geholfen, den Steuerfall aufzuklären. Das ist meiner Meinung nach strafmildernd zu berücksichtigen.

Die Selbstanzeige könnte für das blaue Auge sorgen, mit dem Zumwinkel und Becker davonkamen?

Es wird jedenfalls ziemlich gefährlich für Hoeneß. Bei Zumwinkel lag die Hinterziehungssumme knapp unter einer Million. Wenn man die strenge Rechtsprechung des BGH hernimmt, wird es bei einer Summe von 3,2 Millionen schwierig. Wenn sich die Zahlen bewahrheiten – und es spricht einiges dafür – dann wird die Selbstanzeige der entscheidende Gesichtspunkt sein. Wenn man ernst nimmt, was der BGH sagt, würde das bei zwei Jahren Haft beginnen. Ohne Bewährung, denn die gibt es ab zwei Jahren nicht mehr.

Wie hinterzieht man eigentlich 50000 Euro?

Das ist gar nicht so einfach. Also, um eine normale Einkommensteuererklärung um 50000 Euro zu verkürzen, brauchen Sie mindestens 120000 Euro verschwiegene Einkünfte, um auf diese Summe zu kommen. Selbst wenn Sie einen hohen Steuersatz haben. Das kriegt nicht jeder hin.

Spielt es eine Rolle, dass Hoeneß prominent ist?

Das ist sehr schwer einzuschätzen. Der Promifaktor kann ein Bonus sein, er kann für den Richter aber auch Anlass sein, besonders genau hinzuschauen, um von vornherein den Anschein des Promibonus zu verhindern. Richter sind auch nur Menschen.

Verfolgen Sie den Hoeneß-Prozess auch aus wissenschaftlichen Interesse?

Sicher. Ich habe vor einigen Wochen beispielsweise in einer Vorlesung an den Fall von Peter Graf erinnert, der die Steuerangelegenheiten für Steffi Graf übernommen und ganz komplizierte Modelle entworfen hatte. Das war auch Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Wenn ich mich nicht täusche, hat er drei Jahre und neun Monate bekommen. Da sieht man, dass Steuerhinterziehung keineswegs als Kavaliersdelikt gehandhabt wird. Obwohl man nicht vergessen sollte, dass es sich nicht um Schwerstkriminalität handelt. Auch wenn es sich um einen Prominenten handelt, sollte man die Kirche im Dorf lassen. Er hat keinen Mord begangen. Es war eine Steuerhinterziehung – wenn auch eine gravierende.

Sie haben also auch Verständnis?

Bei solchen Angeklagten, die so eine Stellung in der Gesellschaft haben, muss man berücksichtigen: Allein die Tatsache, dass ein Prozess stattfindet, hat schon gravierende Auswirkungen. Das ist schon ein Teil der Strafe. Diese Leute erfahren erhebliche Beeinträchtigungen im Leben und ich finde, das sollte bei der Strafbemessung auch mitberücksichtigt werden. Es hängt jedenfalls sehr viel mehr an einem solchen Prozess dran, als bei unbekannten Personen. Die bekommen zwar eine Strafe, haben im öffentlichen Leben aber meist keine weiteren Einschränkungen.