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Marionettenoper

Der Riese Tunichtgut belebt die Marionettenoper

Lindau / Lesedauer: 4 min

Die Lindauer Puppenspieler erweitern ihr Programm um ein Märchen für Kinder
Veröffentlicht:10.04.2014, 16:45

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Die Lindauer Marionettenoper beschreitet neue Wege: Zusätzlich zu ihren Opern für Erwachsene hat sie jetzt auch ein Stück für Kinder in ihr Programm aufgenommen. Erstmals greift sie dazu auf eine bereits bestehende Produktion zurück und spielt mit fremden Puppen, die nicht ihr Gründer und Leiter Bernhard Leismüller selbst gebaut hat. Und zum ersten Mal spielt ein Mensch auf der Bühne mit – nein, ein Riese! Mit dem Märchen „Der Riese Tunichtgut“ kommen die Lindauer Puppenspieler dem vielfach geäußerten Wunsch nach, auch ein Stück für Kinder zu bieten.

Zum Glück, möchte man rufen. Denn gerade Kinder lieben das Spiel mit der Illusion, das die Lindauer Puppenspieler perfekt beherrschen und das ihr erwachsenes Publikum liebt. Mit ihren bislang neun Opern- und Ballettproduktionen hat sich die Lindauer Bühne weit über die Region hinaus einen herausragenden Ruf verschafft. Wenngleich ein Kaspermärchen natürlich nicht mit dem „Schwanensee“ oder der „Zauberflöte“ vergleichbar ist, so bleibt die Lindauer Marionettenoper doch auch in diesem Kinderstück ihrem hohen Qualitätsanspruch treu, der sie von vielen Wanderbühnen unterscheidet.

Marionetten wirken lebensecht und zeigen sogar Gefühle

Gerade in einem Stück, in dem es um einen Riesen geht, hat das Spiel mit Illusionen und Dimensionen einen ganz besonderen Reiz. Der Riese Tunichtgut ist nämlich so gigantisch groß, dass er fast den Kirchturm von Bad Tölz überragt und auf der Bühne jedenfalls nur in der Hocke agieren kann. Gemessen daran, dass der Kasperl und seine Gefährten die „echten“ Menschen verkörpern, sind diese Größenverhältnisse nahezu unvorstellbar – und sind sie hier doch sicht- und greifbar. Vergessen ist, dass die Wirklichkeit genau umgekehrt ist und dass der Riese eigentlich eine zierliche Frau und der Kasper nur eine Puppe ist. Hier wird wahr, was die Zuschauer wahrnehmen.

Die Tiefenwirkung, die die Marionettenbühne im Lindauer Stadttheater erzielt, hat an diesem Effekt einen großen Anteil. Hinzu kommt die Leistung des „Riesen“, seine Körpersprache dezent zu dosieren und Bewegungen klein zu halten, um einen großen Eindruck zu machen. Vor allem aber sind es die Marionetten selbst, die lebensnahe Bewegungen ausführen und sogar Gefühle zeigen. Man meint regelrecht, die Schamesröte in Kasperls Gesicht aufsteigen zu sehen, wenn er sich mit der lieblichen Prinzessin unterhält und sich dabei verlegen hin und her wendet. Kein Zweifel: Der Gute ist bis über beide Ohren in die Königstochter verknallt.

Tatsächlich sucht der gutherzige und tapfere Kasper eine passende Partnerin fürs Leben und fürs Sockenstopfen. Ob die Prinzessin diese Handarbeit beherrscht, bleibt offen. In jedem Fall aber ist sie die beste Köchin weit und breit. Deswegen entführt der hungrige Riese Tunichtgut sie. Eine Blaukrautsuppe soll sie ihm kochen, nachdem er zuvor die Zutaten gestohlen und deswegen für Aufruhr gesorgt hat. Der Prinzessin aber krümmt er kein Haar – so wie er jedem treu ergeben ist, der sich auf seinen Riesen-Hut setzt. Wie gut, dass der König und sein wissenschaftlicher Berater diese Schwachstelle herausfinden. So kann Kasperl beherzt und mit List für ein glückliches Ende sorgen.

Die Tölzer Marionettensind rund 50 Jahre alt

Die gesamte Produktion stammt von Oskar Paul, der 40 Jahre lang künstlerischer Leiter der Tölzer Marionettenbühne war und in dieser Zeit sämtliche Figuren, Bühnenbilder und Inszenierungen geschaffen hat. Er war auch der Lehrer von Bernhard Leismüller, der die Leihgabe aus Bad Tölz jetzt überarbeitet, dabei aber bewusst ihren Stil gewahrt hat. Die rund 50 Jahre alten Marionetten hat Leismüller repariert und die Tonaufnahme überarbeiten und digitalisieren lassen. Kasperl spricht oberbayerischen Dialekt, der König gestelztes Hochdeutsch, und die Marktfrau schwäbelt. Ihre Wortspiele und Reime durchziehen die gesamte Produktion ebenso wie das leichte Rauschen im Hintergrund, das man irgendwann aber nur noch als nostalgische Note wahrnimmt – weil die Geschichte so spannend, die Inszenierung so faszinierend und das Spiel so entzückend ist.

„Der Riese Tunichtgut“ feiert seine Premiere heute, Freitag, 11. April, um 19.30 Uhr in der Marionettenoper im Stadttheater Lindau. Danach ist das Märchen am 13., 21., 25. und 27. April zu sehen. Weitere Aufführungstermine sind am 11. und 24. Mai sowie am 9., 14. und 20. Juni. Beginn ist jeweils um 16 Uhr. Auch wenn der Kasperl mit von der Partie ist, so ist das Stück für sehr kleine Kinder nicht geeignet. Die Marionettenoper empfiehlt ein Mindestalter von fünf Jahren. Weiter Auskunft gibt es unter Telefon 0 83 82 / 94 24 46 oder im Internet unter

www.marionettenoper.de