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Olympiagold

Die Kür des Lebens

Pyeongchang / Lesedauer: 4 min

Aljona Savchenko und Bruno Massot machen Platz vier aus dem Kurzprogramm noch zu Gold
Veröffentlicht:15.02.2018, 19:21

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Es gab viele Bilder in diesen viereinhalb Minuten, die haften bleiben werden in Köpfen und Herzen derer, die dabei gewesen sind. Das eindringlichste aber entstand unmittelbar nach der Kür, die doch noch Olympiagold bringen sollte: Aljona Savchenko, sonst nichts als Energiebündel, ließ sich aufs Eis fallen, ausgepowert, leer und doch glücklich. Bruno Massot tat es ihr gleich, das Kraftpaket, das so sehr EisKUNSTläufer geworden ist in den gemeinsamen Jahren. Zwei pumpende Maikäfer, er umarmte sie, half ihr wieder auf die Kufen, dann liefen die Tränen. Bruno Massot lächelte, Aljona Savchenko lächelte. Sie wussten: Das eben, das war die Kür ihres Lebens.

Die Preisrichter teilten diese Auffassung, haben in Addition von Element Score (82,07 Punkte) und Programm Component Score (77,24) 159,31 Punkte vergeben – das beste im Paarlauf je erzielte Kür-Ergebnis. Weltrekord. Genugtuung war das, nach dem so schmerzhaften Kurzprogramm am Vorabend. Nur zweifach ist Bruno Massot da den Salchow gesprungen, ein eigentlich unerklärlicher Fehler. Rang vier deshalb nur im Zwischenklassement für die Wahl-Oberstdorfer – samt einem Rückstand, der kaum noch Chancen lassen würde. Aljona Savchenko sah das große Karriereziel entschwinden, mit 34, bei ihren fünften Olympischen Spielen . Der Eispaarsegen drohte in Schieflage zu geraten, Bruno Massot („so eine Dummheit“) haderte mit sich. Aljona Savchenko haderte mit dem 29-Jährigen. Dann 159,31! Aber halt auch noch drei Paare. Und keine Laufkundschaft.

Warten, abhängig von anderen und deren Pech zu sein: Dreimal durchlebten Aljona Savchenko und Bruno Massot das nun. Die Kanadier Meagan Duhamel/Eric Radford sollten nicht fehlerfrei bleiben, Chinas Weltmeisterpaar Sui Wenjing/Han Cong missriet ein Sprung, zuletzt strauchelte Evgenia Tarasova, Olympische Athletin für Russland und mit Vladimir Morozov Europameisterin, landend. Vermeintliches Blech strahlte golden. Wegen 0,43 Punkten letztlich, die Sui/Han weniger hatten. Tränen wieder, eine Aljona-Savchenko-Faust in bester Boris-Becker-Manier, große Emotionen. Die Kür des Lebens war Olympiasiegerkür.

Sollte sie ja auch sein – und deshalb idealerweise, so hatte Trainer Alexander König im Herbst erklärt, „wie aus einem Guss gestaltet“. Gespickt mit Sprüngen, Würfen, Hebungen höchster Schwierigkeit, aber eben doch harmonisch, fließend, bewegend. All das hat, all das ist „La Terre Vue du Ciel“ („Die Erde, vom Himmel aus gesehen“) nach einer Filmmusik des französischen Komponisten Armand Amar. Alexander König und sein Mit-Trainer Jean-François Ballester aus Megève verstehen ihr Fach – sie verstehen es auch so, dass sie Aljona Savchenkos großen Wunsch mittrugen, Christopher Dean für choreographischen Input zu gewinnen. Der Brite, 59, ist Eistanz-Olympiasieger von 1984. Ravels „Boléro“ hatten Jayne Torvill und er damals in Sarajevo für die Ewigkeit interpretiert; noch immer inspiriert er, liefert er Ideen. Vergangenen April eine Woche lang auch für Savchenko/Massot. Das Ergebnis ist schon beim Grand-Prix-Finale Anfang Dezember in Nagoya 157,25 Punkte wert gewesen. Und seither nicht mehr verändert worden, verriet Bruno Massot – von Feinheiten wie etwa Mimik, Gestik, Blick abgesehen, von choreographischen Details auch. „Um mehr Emotionen in die Kür zu bringen. Wir haben auf dem bisherigen Weg weitergearbeitet, es ist ein guter Weg.“

Tatsächlich erlebten die rund 8000 Zuschauer in der „Gangeung Ice Arena“ eine stilistisch brillante Darbietung, ließen sie sich mitreißen. „Verzaubern“, sagte Aljona Savchenko später. Von einem Paar, das 24 Stunden zuvor noch am Boden war – wie das gehen kann? Es sei ihm schwergefallen, „meinen Fehler zu akzeptieren“, so Bruno Massot; dann aber habe man im Team beratschlagt und beschlossen. „We just fight, we just fight.“

Das Kämpferische: Aljona Savchenkos Kernkompetenz, „Ich hab’ mein ganzes Leben gekämpft.“ Um ein Team, in dem es passt. Einen Trainer wie Alexander König inklusive – mit seiner Ruhe, seinem Einfühlungs- und Vermittlungsvermögen. Um einen Partner auf dem Eis, mit dem es passt. Um Olympiagold. „Heute früh bin ich aufgewacht und hab’ gesagt: ,Wir schreiben heute Geschichte.‘“ Bruno Massot formulierte Gleiches anders: „Wir müssen diese Kür anpacken wie Tiger.“ Die als Olympiasieger landeten.

Den Kombinationssalchow übrigens sprang er sicher. Und dreifach.