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Krisengipfel

DFB lässt weiter nur die Spitzen schneiden

Sport / Lesedauer: 3 min

Präsident Fritz Keller wird gehen müssen, doch das reicht nicht. Die Probleme sitzen tiefer
Veröffentlicht:02.05.2021, 20:46

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Ganz gleich wie die Geschichte um Fritz Keller auch ausgehen mag, das Bild, das der DFB von sich in der Öffentlichkeit zeichnet, ist wieder einmal nur eines: unsäglich und schlicht blamabel. Oder, um es mit Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl zu sagen: „Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass so etwas nicht geht. Für mich war das sehr befremdlich. Aber es passt leider ins Bild, das der Deutsche Fußball-Bund seit einiger Zeit abgibt.“ Darüber, dass der Nazi-Vergleich von DFB-Präsident Keller in keinster Weise zu entschuldigen ist, besteht an allen Fronten Einigkeit, doch gilt es bei all der Empörung sowie den notwendigen nun folgenden Schritten, auch auf andere Seiten und Begleiterscheinungen des Vorfalls zu blicken – und vor allem auch hinter das Offensichtliche. Denn, wie der Schreiber dieser Zeilen nicht müde wird, seine Umwelt zu belehren, gilt auch hier der Satz: Man kennt die Hintergrundgeschichte nicht.

Beziehungsweise im Fall des DFB nicht die gesamte Faktenlage zwischen all den Ränkespielen. So mag es zum Teil meiner beruflichen Neugier geschuldet sein, dass mich interessieren würde, mit welcher Handlung oder welchen Worten Vizepräsident Rainer Koch seinen zur Impulsivität neigenden Vorgesetzten so reizte, dass jener diesen Vergleich überhaupt erst brachte. Einen Vergleich, von dem Keller geahnt haben musste, dass er ihn den Kopf kosten würde. Natürlich ist es für den Fall Keller zweitrangig. Der Noch-DFB-Präsident wird stürzen. Ebenso Generalsekretär Friedrich Curtius, einer der erbitterten Widersacher Kellers im seit Monaten andauernden Streit, dem ebenfalls durch das Urteil der Landesfürsten das Vertrauen entzogen wurde. Doch bedeutet all das nach jetzigem Stand eben auch, dass Koch auf seinem Posten bleibt. Und hier wird es zukunftsprägend: Denn Schatzmeister Stephan Osnabrügge und vor allem Vizepräsident Koch gehen als Sieger aus dem Krisengipfel hervor, obwohl auch sie ein Teil der Schlammschlacht sind. Obwohl sie mitverantwortlich sind, dass das Ansehen nach der Sommermärchen-Affäre, diversen Steuerermittlungen und einer blamablen Außendarstellung im unsäglichen Machtkampf schwer gelitten hat.

Es bleibt also Rainer Koch, der das Gesicht der verhärteten Fronten zwischen dem DFB und den Ultras ist, weil er einst die Kollektivstrafe wieder einführte. Jener Koch, über den Ex-DFB-Präsident Reinhard Grindel in Bezug auf seine Rolle rund um die Recherchen zu fragwürdigen Zahlungen im Rahmen der Vergabe der WM 2006 nun sagte, dass er früher als bislang bekannt von den Enthüllungen des „Spiegel“ gewusst habe, davon aber „nicht das Präsidium oder zumindest den Präsidenten unterrichtet“ habe. Auch wenn Koch diese Anschuldigungen zurückwies, die schwarze Wolke kreist weiter über ihm und wird weiter über dem DFB kreisen, wie viele andere Opfer auch gefunden werden.

So dürften die riesigen Probleme im größten Einzelsportverband der Welt keinesfalls gelöst werden, eher steht der DFB mal wieder vor einem Scherbenhaufen. Es wäre der richtige Zeitpunkt für eine Radikalzäsur gewesen. Bundestrainer Joachim Löw hört auf, und ihm geht die gesamte Führungsriege voraus. Der Beginn der neuen Zeitrechnung. Eine radikale Typenveränderung. Ab mit den alten Zöpfen. Doch stattdessen lässt sich der DFB lediglich etwas die Spitzen schneiden, dürfte es „weiter so“ heißen. So wird Keller wohl lediglich der dritte Präsident, dessen Sturz der Vize Koch seit Wolfgang Niersbach und Grindel übersteht.

Klar ist nach diesem Wochenende einmal mehr, dass ein noch radikalerer Personalwechsel vonnöten wäre. Der Verband ist zerrissener denn je und wahrscheinlich bald ohne Oberhaupt. Doch wer will sich den Krisenherd und Klüngel-Haufen DFB derzeit schon antun?