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Das Finale bleibt das Optimum

Sport / Lesedauer: 4 min

Ohne Dimitrij Ovtcharov lasten die Hoffnungen der Deutschen bei der Tischtennis-WM wieder mal auf Timo Boll
Veröffentlicht:25.02.2016, 18:38

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Wenn am Sonntag in Kuala Lumpur die Tischennis-Team-WM beginnt, werden die deutschen Männer mutmaßlich wieder chancenlos gegen die chinesischen Branchenführer sein, zumal ihre Nr. 1, der Olympiadritte und Europameister Dimitrij Ovtcharov, ausfällt. Wegen einer Muskelzerrung mit Nervenreizung im Rücken sagte der 27-Jährige seinen Start ab und war untröstlich: „Das ist einer der härtesten Momente für mich in meiner Sportlerkarriere“, sagte der Weltranglisten-Fünfte. „Es ist natürlich sehr traurig für die Mannschaft und für mich selbst, aber ich möchte meinen Olympia-Start auf keinen Fall gefährden.“

Ovtcharov will in den nächsten drei Wochen ein intensives Reha-Programm absolvieren, er hofft, danach voll belastbar zu sein. Wieder einmal wird Timo Boll , 34, also den Alleinunterhalter im deutschen Team mimen müssen. Nur die frühere Nr. 1 der Welt ist potenziell in der Lage, zwei Weltklassegegner in Folge zu schlagen, laboriert allerdings noch an den Nachwehen seiner Knieverletzung. Er werde sich angesichts der vielen Spiele, wenn es sein müsse, auch mal eine Pause in Malaysia gönnen, kündigte Boll nach dem 1:3 seiner Düsseldorfer am Sonntag gegen Ochsenhausen an.

Für Bundestrainer Jörg Roßkopf ist der Ausfall Ovtcharovs mehr als ein Dämpfer. „Wenn die Nummer eins einer Mannschaft wegbricht, ist es immer schwierig, aber wir müssen versuchen, das Beste daraus zu machen. Im Optimalfall können wir trotzdem das Finale erreichen.“

Das gelang den Deutschen zuletzt zwar dreimal in Folge – dreimal verloren sie gegen China –, dürfte diesmal aber schwer wie nie werden, wie die letzten EM-Turniere zeigten: 2014 in Lissabon verloren die Deutschen nach sechs Triumphen in Folge den Titel an Gastgeber Portugal, nachdem Ovtcharov wegen einer Weisheitszahn-Operation geschwächt war. Im Vorjahr misslang in Jekaterinburg die Rückeroberung des EM-Thrones, auch weil Boll verletzt war.

„Wir sind nun in der Gruppe noch stärker gefordert“, sagt Roßkopf, immerhin bleibt sein Team gegen Auftaktgegner Dänemark (Sonntag 6 Uhr), Gastgeber Malaysia, Frankreich, England und Schweden favorisiert. Gegen die Franzosen dürfte es ein enges Duell werden, wie Boll beim 2:3 gegen Ochsenhausens Simon Gauzy feststellen durfte. „Enorm verbessert“ habe sich der, räumte der Hesse ein, gegen Schweden könnte er pikanterweise auf seine künftigen Düsseldorfer Kollegen Kristian Karlsson und Anton Källberg treffen. Als Gruppensieger stünden die Deutschen direkt im Viertelfinale, als Zweiter oder Dritter ginge es im Achtelfinale weiter.

Dort könnte es gegen einen asiatischen Gegner wie Japan oder Südkorea bereits zum Aus kommen, denn die zweite deutsche Reihe mit Bastian Steger, Ruwen Filus, Patrick Franziska und Steffen Mengel hat nicht mehr das Format von einst. „Wir haben durch Pech an Qualität verloren. Bei der letzten WM konnten wir noch von Christian Süß und Patrick Baum profitieren. Die spielen jetzt nicht mehr. Steger ist fast 35 und auch nicht mehr so gut wie mit 28. Die anderen Jungs sind gut, aber eben nicht wie Top-20-Spieler“, sagt Ovtcharov. Vor allem Franziska, der nach Saarbrücken wechselt, ist offensichtlich im Tief – beim 0:3 gegen Ochsenhausen enttäuschte er auf ganzer Linie. Der Bremer Steger, als 39. der Welt zweitbester Deutscher, hat schon lange keinen Top-Asiaten mehr geschlagen.

Die deutschen Frauen, die mit Petrissa Solja, Irene Ivanca, Sabine Winter, Kristin Silbereisen und Nina Mittelham antreten – die eingebürgerten Top-Chinesinnen Han Ying und Shan Xiaona sind bei Weltttitelkämpfen nicht spielberechtigt – sind an Position sieben gesetzt, zuletzt in Tokio waren sie WM-Fünfte. In der Gruppe mit Favorit Japan, Nordkorea, Auftaktgegner Thailand, Tschechien und Brasilien peilen sie zunächst Rang zwei an.

Schlagers Comeback: Werner Schlager aus Österreich feiert bei der WM mit 43 Jahren sein Comeback. Der Weltmeister von 2003 wurde kurzfristig nachnominiert. Nach dem Ausfall von Daniel Habesohn springt er als fünfter Spieler im Team des Europameisters ein. „Seit dem Schulbeginn meines Sohnes im September habe ich wieder verstärkt trainiert, sowohl am Tisch als auch im Fitness-Studio“, sagt Schlager. Er hatte zuletzt 2013 bei der WM gespielt. Das Team aus der Alpenrepublik war im Vorjahr durch einen viel gefeierten Erfolg gegen Deutschland erstmals Europameister geworden.