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Das Neue Schloss in Stuttgart könnte für alle geöffnet werden

Stuttgart / Lesedauer: 5 min

Ministerpräsident Kretschmann lässt Vorschläge eines Designers prüfen
Veröffentlicht:13.05.2013, 08:05

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Stuttgart ist eine schöne, offene Stadt. Umso mehr ärgert es Viele, dass sie ausgerechnet nicht in alle Flügel des Neuen Schlosses dürfen – einem schönen Bau aus dem 18. Jahrhundert, in dem das Finanz- und Wirtschaftsministerium seinen Sitz hat. Das soll sich nun ändern, das Schloss könnte für alle geöffnet werden.

Die Biene Maja fliegt über eine meterhohe Leinwand auf dem Schlossplatz, summt und brummt vor sich hin. Besucher des Internationalen Trickfilmfestivals sitzen auf dem Rasen, die Sonne scheint, Menschen flanieren über die Königstraße. Stuttgart lebt. Hinter der meterhohen Leinwand hingegen liegt die gefühlte Gruft, der tote Winkel, das schwarze Loch der Landeshauptstadt: das Neue Schloss. Schön anzusehen ist der u-förmige Bau, entworfen im 18. Jahrhundert, doch davor sitzen nur zwei, drei Menschen an einem Springbrunnen, die restliche Fläche wird als Parkplatz genutzt. Im prachtvollen Mittelteil des Schlosses mit seinem Marmorsaal herrscht Stille, in den beiden Gebäudeflügeln grübeln die Beamten und Angestellten des Finanz- und Wirtschaftsministeriums in ihren Büros. „Niemand kann hier rein“, klagt denn auch Johannes Milla . „Dieses Schloss ist wie ein Riegel im Herzen der Stadt.“

Der 52-Jährige, der sich selbst als Szenograf bezeichnet, träumt von einem Bürgerschloss – einem Schloss, das belebt ist. Ein entsprechendes Konzept hat er bereits vorgestellt. Selbst Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Finanzminister Nils Schmid (SPD) baten nacheinander zum Gespräch. Eine Arbeitsgruppe prüft nun im Auftrag von Kretschmann die Vorschläge. Milla, dessen Entwurf für das Einheitsdenkmal in Berlin schon den Zuschlag bekommen hat, will aus dem Schloss einen „Ort der politischen Bildung und Vergewisserung machen“.

Schüler sollen zu Besuch nach Stuttgart fahren und im Schloss das Gefühl bekommen: „Auf mich kommt es an, nicht auf die Politiker. Ich bin Baden-Württemberg.“ Dafür will Milla eine fahrbare Ausstellung zur politischen Bildung im Schloss installieren. Als Symbol für die Demokratie soll im Marmorsaal im ersten Stock eine gläserne Wahlurne mit 6,7 Millionen Stimmzetteln stehen – entsprechend der 6,7 Millionen Wahlberechtigten im Land.

Motz- und Schimpfecke geplant

Das Schloss soll zudem Zentrum des Landes werden, mit Neuigkeiten aus allen Regionen. Ginge es nach Milla, würde „der DJ aus Friedrichshafen“ ebenso seine Kunst im Schloss präsentieren, „wie der Feinblechner aus Nordbaden“. Gewinner von Schülerwettbewerben oder die Besten einer Abschlussklasse im Handwerk könnten zur Belohnung aus dem ganzen Land nach Stuttgart ins Schloss kommen. Doch auch ihren Frust sollen sie hier abladen können. Eine „Motz- und Schimpfecke“ gehört ebenfalls zu den Wünschen Millas. Bei einem Beamten mit Büro im Mittelteil des Schlosses sollten die Bürger „bruddeln“ können.

Für mehr Menschen am Schloss würde aber vermutlich schon sorgen, wenn es echte Durchgänge durch die drei Gebäudeteile gäbe. Zwar können aktuell Interessierte den Flügel Richtung Oper grundsätzlich betreten und auf der anderen Seite wieder verlassen. Aber unter dem gestrengen Blick des Pförtners trauen sich das derzeit die wenigsten. Der Mittelteil wird vom Staatsministerium verwaltet und müsste mit seinen schweren Kronleuchtern, dem Marmor und dem Stuck entsprechend gesichert werden.

Millas Idee einer Öffnung des Schlosses ist nicht neu. So gab es in den vergangenen Jahren unter anderem den Vorschlag, das völkerkundliche Lindenmuseum hier einzuquartieren. Doch das nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaute Schloss wurde stets nur von der Landesregierung genutzt. So bleibt das größte Hindernis für das Konzept, dass nach wie vor zwei Drittel des Schlosses von Büros des Finanz- und Wirtschaftsministeriums genutzt werden. Für Milla ein Graus. „Büros kann man überall in der Stadt mieten“, sagt er. Vor allem wäre ihr Unterhalt vermutlich fast überall günstiger als im Schloss. Dort müssen zum Teil fünf, sechs Meter hohe Räume beheizt werden.

Doch Finanzminister Schmid soll sich schwer tun mit dem Rückzug aus den heiligen Hallen. Wenn schon nicht Ministerpräsident, so doch wenigstens Schlossherr, könnte er sich denken. Er sagt aber: „Wir möchten das Neue Schloss stärker für die Bürgerinnen und Bürger öffnen. Herr Milla hat dazu spannende Ideen entwickelt. Sie sind es wert, diskutiert zu werden.“ Der Ministerpräsident zeigte sich von Anfang an offen und ist vor allem von der Idee der politischen Bildung begeistert: „Eine Ausstellung für Demokratie im schönsten und zentralsten Platz des Landes wäre ein schönes Zeichen für eine Bürgerregierung“, sagt Kretschmann. Aktuell prüfen die Mitglieder der Arbeitsgruppe nach einem ersten Treffen im April die Möglichkeiten. So könnte es beispielsweise eine Verbindung einer Gastronomie mit der Kantine der Beamten geben, heißt es. Auch die Begehbarkeit des Daches wird geprüft. Kosten für die Umsetzung stehen noch keine im Raum. Zeit für eine Entscheidung besteht allerdings noch. Im Sommer wird der Landtag wegen der Sanierung geschlossen, ebenso wie die Villa Reitzenstein als Sitz des Staatsministeriums. Zwar ziehen beide Einrichtungen in andere Gebäude, aber das Neue Schloss soll in der zweijährigen Bauphase stärker genutzt werden. Für die Bürger heißt es: weiter warten.