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Balingens Handballer Martin Strobel: Eine Spielmaus geht voran

Berlin / Lesedauer: 4 min

Der 32-Jährige, in Rottweil geboren, ist mittlerweile Zweitligaakteur. Aber einer, der Weltklasse spielt – wie jetzt beim WM-Remis gegen Frankreich.
Veröffentlicht:16.01.2019, 20:34

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Ob Martin Strobel seine Verbindung zum ehemaligen Fußballer Dariusz Wosz kennt, ist ungewiss. Der Mittelfeldstratege galt lange Jahre als Inbegriff des wendigen Dribblers, zelebrierte seine Künste im Zentrum des VfL Bochum und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und verdiente sich so den Spitznamen der Zaubermaus. Wie das mit dem 32-jährigen Strobel in Verbindung steht? Der einzige Zweitligahandballer in der Handball-Nationalmannschaft bekam von Bundestrainer Christian Prokop den Spitznamen der „Spielmaus“ verliehen. Doch überzeugte diese beim WM-Kracher, dem 25:25 gegen Weltmeister Frankreich, nicht nur als Chefstratege, sondern – mit vier Würfen und vier Treffern – auch als bester deutscher Torschütze.

„Ich habe die Definition von ,Spielmaus‘ jetzt nicht ganz im Kopf“, sagte der Routinier von der HBW Balingen-Weilstetten zwar, schob aber nach: „Ich bin jemand, der auf das Spiel achtet, auf die Schwachstellen des Gegners geht und je nach Situation die Leute in Position bringt, die einen guten Tag haben.“ Und diesen hatte er gegen Frankreich unbestritten selbst. Martin Strobel glänzte mit Spielübersicht, kreativen Ideen, übernahm Verantwortung und Würfe.

„Um es mit einem Wort zusammenzufassen: großartig!“, schwärmte Bob Hanning. „Das ist der Grund, warum wir ihn geholt haben. [...] Man lernt ja immer daraus, wenn es weh tut, und das ist wohl unsere größte Lehre aus den beiden letzten Turnieren: Dass wir es zuletzt nicht geschafft haben, eine Struktur in unser Spiel zu bekommen“, sagte der DHB-Vizepräsident. „Martin ist in der Lage, das zu tun, ein klassischer Spielmacher, der das Spiel beruhigen kann. Und das mit seiner Erfahrung unter maximalem Stress.“ Auch Bundestrainer Prokop lobte die „guten Entscheidungen“ Strobels.

Dieser war nach dem durchwachsenen Auftritt tags zuvor beim unglücklichen 22:22 gegen Russland noch heftig kritisiert worden. Hatte er sinnbildlich für das gesamte Team während der ungefährdeten Siege gegen Korea und Brasilien mit Standarddienst geglänzt und hatte gegen Russland nicht alles funktioniert, explodierte der erst kurz vor dem Turnier reaktivierte Europameister jetzt in Sachen Leistung, auch wenn es am Ende gegen die Übermannschaft im Handball nur zur Punkteteilung reichte. Dennoch ist sich DHB-Co-Trainer Alexander Hasse spätestens nach diesem Auftritt sicher, dass Deutschland wieder zur absoluten Weltspitze zählt: „Dieses Gefühl müssen wir nun mitnehmen. Das ist das Entscheidende für alles, das kommt.“

Viel Gespür für das Klima im Team

Das – und auch Martin Strobel, auch wenn dieser sich gewohnt zurückhaltend hinter seine Mannschaft stellte: „Wir haben gezeigt, dass wir zusammenstehen und waren von Beginn an heiß, auch ich selbst.“ Dass sich der in Rottweil geborene Rückraumspieler einmal selbst nennt, kommt schon einer Sensation gleich. „Ein sehr angenehmer Zeitgenosse und immer mit kühlem Kopf“ (Steffen Fäth), „jemand, der ständig mit Bedacht redet. Da ist immer was dabei, was man mitnehmen kann“ (Franz Semper), so ist der Vater eines dreijährigen Sohnes aus Sicht der Kollegen zu charakterisieren.

Die besonderen Umstände sorgen für den übrigen Teil. Denn mit der Nominierung Strobels hatte der DHB-Coach im Herbst alle überrascht. Ein Zweitligaspieler auf der großen WM-Bühne? Spätestens der Auftritt gegen Frankreich hat aber bewiesen: Es funktioniert. „Wir stehen zu 100 Prozent hinter Martin. Nur weil er seit einiger Zeit in der Zweiten Liga spielt, heißt das nicht, dass er keine Qualität hat“, sagte Zimmerkollege Fabian Böhm und bezeichnete Strobel als „Handballstrategen“. Und wieder: Für das Team sei er ein „absoluter Ruhepol“.

Wie könnte er auch nicht? Bereits 2007 gab Martin Strobel sein Debüt im DHB-Team, 145 Länderspiele folgten seitdem. Dass es nach seinem Rücktritt unmittelbar nach dem Superjahr mit EM-Titel und Olympia-Bronze 2016 und dem Bundesliga-Abstieg mit Balingen 2017 ruhiger um den unaufgeregten Spielmacher wurde – geschenkt. An den entscheidenden Stellen war er präsent, und so folgte der Anruf von Christian Prokop. „Ich war damals schon überrascht, aber wollte auf den Zug aufspringen und die riesige Herausforderung annehmen, wenn ich sie schon bekomme“, erzählt Strobel, der sich auch mit 32 Jahren nicht als Vater der Kompanie sehen möchte. Dennoch hat er ein gutes Gespür für das Klima eines Teams. Er spürt, dass mit dieser Zusammenstellung Großes möglich ist: „Wir haben noch viel im Tank und viele Varianten in der Hinterhand“ – nicht zuletzt die Spielmaus selbst.