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Klatschpappe

Am Boden gibt auch die Lockerheit der Elisabeth Seitz ihr Comeback

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Die Stuttgarter Turnerin Elisabeth Seitz ist wieder gesund, zurück und – weil selbstkritisch – fürs Erste bedingt glücklich
Veröffentlicht:16.09.2018, 22:12

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Klatschpappen und Publikum hatten Stress: Sitting Ovations. Elisabeth Seitz lächelte. Kein pflichtschuldig-verzwungenes Lächeln diesmal, ein befreites. „Die Bodenübung“, wird Kunstturn-Bundestrainerin Ulla Koch später sagen, „find’ ich wunderbar.“ Die Bodenübung war neu beim Comeback der Elisabeth Seitz nach – krankheitsbedingt – dreimonatiger Trainingspause. Mitreißend war sie, anspruchsvoll, fein geturnt überdies. Geht doch! Auch nach ungewohnt unrundem Stufenbarren-Vortrag früh im ersten Part der deutschen WM-Qualifikation am Samstag in Stuttgart, nach zwei Stürzen am Schwebebalken. Geht doch! Am Boden, noch einmal lächelt Elisabeth Seitz, „da hab’ ich mir ein bisschen Kraft zurückgeholt“.

Manch einer mag bislang gedacht haben, die 24-Jährige vom MTV Stuttgart verfüge über gute Laune in nie versiegen wollenden Dosen, ziehe sich, spätestens bei Wettkampfbeginn, alle benötigte Energie aus der Energie der mitfiebernden Halle, trotze mit angeborener Stehauffrauchen-Qualität jedwedem Rückschlag, jeder Blessur. Elisabeth Seitz, EM-Zweite im Mehrkampf 2011, EM-Dritte am Stufenbarren 2017, sechsmal bereits bei Weltmeisterschaften, zweimal bei Olympia dabei, Gesamtweltcup-Siegerin 2012 und 2018, turnte schon mal mit ausgekugeltem kleinen Finger, mit Sehnenanriss am Knöchel. Über freie Gelenkkörper im Fuß könnte sie abendfüllend Referate halten – sie, die stets stärker zurückkam nach Verletzungen, sie, „die Eli, die loslegt und einfach ihr Ding durchzieht“.

So kennt man die gebürtige Heidelbergerin, die auch jene 0,033 Punkte Rückstand auf Sophie Scheder weggesteckt, nein: weggeturnt hat, die der Teamkollegin und nicht ihr 2016 in Rio Stufenbarren-Bronze bescherten. Der Spaß am Sport ist und bleibt Elisabeth Seitz’ Antrieb – und jetzt war ihr dieser Spaß drei Monate lang ärztlich untersagt. Eine Entzündung im Bauchraum verlangte, medikamentös behandelt, diese Auszeit. Keine einfachen Tage, nervzehrend beim Blick auf die ganz große Kunstturn-Agenda: Ende Oktober Weltmeisterschaft in Doha, 2019 Heim-WM in Stuttgart , die Sommerspiele schließlich 2020 in Tokio. Große Ziele. Und nun (vom Lehramtsstudium, Englisch und Sport in Ludwigsburg, abgesehen) nichts tun? „Auch ich bin nur ein Mensch.“

Zu viele Gedanken über zu viel

Einer, der grübelte. Auch, entgegen all der sonstigen Lockerheit, zu Beginn des Wettkampfs in der so vertrauten SCHARRena. Stufenbarren zunächst, das Lieblingsgerät. Elisabeth Seitz touchiert beim Jägersalto mit beiden Füßen den Holm. Das Mienenspiel verrät: Es arbeitet. Tut es, noch viel mehr, am Schwebebalken: Sturz gleich nach dem Angang, Sturz auch bei einem – zu flachen – Durchschlagsprung. „Ich weiß, das ist ungewöhnlich für mich, ich hab’ mich auch selbst gewundert. Aber ich hatte einfach das Gefühl, dass ich mir zu viele Gedanken über zu viel gemacht hatt’ und noch nicht ganz wieder ich selbst war.“ Eben „die Eli, die ...“ (siehe oben). Oder, so hat es Ulla Koch einmal (mit aller Sympathie) pointiert formuliert: die „Wettkampfsau“.

Da taten die 90 Sekunden Boden gut, da stimmte der abschließende, gelungene Sprung versöhnlich. Dennoch selbstkritisch geriet Elisabeth Seitz nach Rang fünf im Mehrkampf-Klassement das Fazit: „Es gibt Luft nach oben, das ist klar. Da waren einfach einige Sachen, die noch nicht so gepasst haben.“ Was passt, ist die Gesundheit. „Da ist zum Glück alles abgeschlossen, mir geht’s wieder gut.“ Auch die Bauchmuskelzerrung ist ausgestanden, die die gerade Genesene zuletzt mit einer weiteren Woche Trainingsrückstand geplagt hatte. „Jetzt bin ich wieder da – und bin glücklich darüber.“

Bei Teil zwo der Doha-Qualifikation, den Deutschen Meisterschaften übernächstes Wochenende in Leipzig, sollen Präsenz und Freude wachsen. „Einen besseren Wettkampf turnen als heute“ heißt das Ziel der Elisabeth Seitz. Auch wenn sie, vielleicht ein bisschen härter noch als sonst, „dafür kämpfen“ musste: „Ich weiß, dass ich’s kann – wieder aufstehen und mich zeigen.“

Das weiß auch die Bundestrainerin. „Um die Elisabeth“, sagte Ulla Koch am Samstagabend, „mach’ ich mir da überhaupt gar keine Sorgen.“ Dann lächelte auch sie. Befreit.