Asyl
Gladbachs Parkplatzfußballer
Sport / Lesedauer: 4 min

Schwäbische.de
Mesut Özil, Jérôme Boateng, Sami Khedira oder auch Mario Gomez – eine deutsche Fußball-Nationalmannschaft ohne sie scheint inzwischen kaum mehr vorstellbar. Sie alle haben Wurzeln in fremden Ländern, eine Rolle spielt dies aber eigentlich nicht mehr, wenn es um den Fußball geht. Auch Mahmoud Dahoud gilt als potenzieller Kandidat für die DFB-Auswahl. Am vergangenen Wochenende erziehlte der 20-Jährige das entscheidende Tor für Borussia Mönchengladbach im Derby gegen den 1.FC Köln, am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) tritt er mit seinem Verein in Augsburg an. Das Außergewöhnliche? Dahoud könnte der erste Spieler der deutschen Nationalmannschaft sein, der syrische Wurzeln hat. Auch wegen dieser Wurzeln steht er derzeit oft im Mittelpunkt – allerdings ungewollt.
Mahmoud oder auch „Mo“, wie er von den meisten genannt wird, ist in Amude, im kurdischen Teil Syriens, geboren. Er war neun Monate alt, als seine Eltern Asyl in Deutschland beantragten. „Bei ihm war das Übersiedeln nach Deutschland anders, es war strukturierter“, sagt Borussias Sportdirektor Max Eberl der „Schwäbischen Zeitung“. Warum seine Eltern die Heimat verlassen mussten, darüber will er nicht reden. Damals gab es jedenfalls keinen derartigen Flüchtlingsstrom wie heute.
Mahmoud Dahoud ist seinen Weg gegangen. Der 20-Jährige wird häufig als Straßenfußballer bezeichnet. In der „ FAZ “ sagte er einmal: „Wo wir wohnten, gab es einen Parkplatz, aber niemand hatte ein Auto, also haben wir dort immer Fußball gespielt.“ Der erste Verein des heutigen Profis war der SC Germania Reusrath, später wechselte er zur Fortuna im nahe gelegenen Düsseldorf. Seit 2010 spielt Dahoud für die Borussia. Lucien Favre, der ehemalige Trainer der Gladbacher, gilt als sein größter Förderer. So gab er unter diesem auch sein Bundesligadebüt im April vergangenen Jahres. Inzwischen wird er schon als Nachfolger von Ilkay Gündogan beim Ligakonkurrenten Dortmund diskutiert.
Dahoud möchte nicht auf den syrischen Flüchtlingsjungen reduziert werden. Eberl sagt dazu: „Er will sich gar nicht dazu äußern. Mo sagt, dass es damals einfach anders war.“ Der Verein schützt ihn aus diesem Grund auch vor dem großen Medieninteresse. Ohnehin gilt Dahoud als schüchtern. Er konzentriert sich lieber auf den Fußball. Auch deswegen nimmt Dahoud nur wenige Interviewwünsche an. „Natürlich wollen viele Menschen ihn wegen seiner syrischen Herkunft fragen, aber er sagt, er könne das Leid der heutigen Flüchtlingswelle gar nicht verstehen und nicht beschreiben“, meint Eberl.
Dennoch wurde das Thema auch bei der Borussia in der Mannschaftskabine diskutiert. „Natürlich spricht man auch in den Spielerkreisen darüber. Zu Beginn, als die Flüchtlingswelle anfing, wurde intensiver darüber geredet. Fußballer sind ja auch Menschen, die am Tagesgeschehen sehr interessiert sind – der eine mehr, der andere weniger. Mit Mo hat man da eben auch jemanden, der erzählen kann, wie es in Syrien war, bevor das alles angefangen hat.“ Aktuell, so Eberl, sei dies aber im Mannschaftskreis kein Thema mehr. Ob Dahoud direkten Kontakt zu Flüchtlingen aus Syrien hat, weiß der Sportdirektor nicht. „Er hat natürlich eine große syrische Familie. Ich denke schon, dass es da auch Kontakt gibt, aber bestätigen kann ich das jetzt nicht.“
Eberl: „Mo fühlt sich als Deutscher“
Für Dahoud ist Deutschland zur Heimat geworden. „Ich glaube, dass er sich sehr deutsch fühlt. Er ist ja auch in Deutschland groß geworden“, sagt Eberl. Und vielleicht hat er sich auch deswegen für den Fußball entschieden, der in der Heimat seiner Eltern keineswegs so populär ist wie in Europa. „Natürlich sind in Syrien immer seine Wurzeln, aber er hat im Grunde sein ganzes Leben in Deutschland verbracht. Ob er sich irgendwann als Fußballspieler für Syrien entscheidet? Ich weiß es nicht. Aber momentan – das hat er auch geäußert – fühlt sich Mo als Deutscher und möchte für Deutschland spielen.“ Somit stünde einer Nominierung durch Bundestrainer Joachim Löw nichts im Weg.
Mahmoud Dahoud spielte 2014 das erste Mal für die deutsche U18-Nationalmannschaft. Inzwischen gehört er zum Kader der U20-Junioren. Jedoch werden nach den überzeugenden Leistungen in der Bundesliga und der Champions League Nominierungen für die U21 – und somit für Olympia oder gar für die EM der A-Nationalmannschaft erwartet. „Das trauen wir ihm zu“, sagt auch Eberl, „Wenn er so weiterspielt, glaube ich, dass es schneller geht, als wir alle glauben. Aber eine Prognose kann ich nicht abgeben, weil ich es nicht beeinflussen kann. Das kann am Ende nur Mo mit seinen Leistungen entscheiden – und der Trainer, der so begeistert ist, dass er ihn einlädt.“