Erfolgreich im Frauenfußball

Freiburg-Trainerin Merk: Professionalisierung muss vorangetrieben werden

Ravensburg / Lesedauer: 8 min

Der SC Freiburg mischt die Bundesliga auf. Was auf die Männer zutrifft, gilt auch für die Frauen. Teil des Erfolgs ist auch ihre Trainerin Theresa Merk aus Ravensburg.
Veröffentlicht:03.02.2023, 19:00

Von:
Artikel teilen:

Mit dem VfL Wolfsburg holte sie als Co-Trainerin die Meisterschaft, zwei Pokalsiege und stand im Finale der Champions League – nun will Theresa Merk ihrem Ex-Club die erste Saisonniederlage zufügen.

Als Cheftrainerin hat die gebürtige Ravensburgerin den SC Freiburg innerhalb eines halben Jahres zur Überraschungsmannschaft der Frauen-Bundesliga geformt, am Samstag (14 Uhr/MagentaSport) empfängt sie mit ihrem Team zum Auftakt der zweiten Saisonhälfte den Spitzenreiter aus Wolfsburg im Dreisamstadion.

Was ihr das Duell bedeutet, welche Ziele sie im Breisgau verfolgt und wo es in der Liga nach wie vor hakt, erzählt die 33-Jährige im Interview.

Frau Merk, Sie leben als Oberschwäbin nun ein gutes halbes Jahr im tiefsten Baden: Wie geht es Ihnen in Freiburg?

Richtig gut. Ich habe mich gut eingelebt und fühle mich hier sehr wohl. Am Anfang war natürlich schon vieles ungewohnt – damit meine ich aber nicht das Badische. Wir mussten uns als Trainerteam erst einmal finden und uns an den Verein gewöhnen. Ich denke aber, dass uns das ganz gut gelungen ist.

Der Erfolg spricht zumindest dafür. Der Sport-Club startet auf Rang vier in die zweite Saisonhälfte. Hätten Sie gedacht, dass es von Beginn an so gut läuft?

Ich wusste natürlich schon, dass ich eine Mannschaft mit großem Potenzial übernehme, die schon in der Rückrunde der vergangenen Saison bewiesen hat, dass sie wirklich gut ist. Nichtsdestotrotz ist es auch immer ein Risiko, wenn man neu wo hinkommt und auch einen anderen Fußball spielen möchte als der Vorgänger.

Da kann man nicht damit rechnen, dass das sofort von allen angenommen wird und funktioniert. Umso glücklicher bin ich, dass wir eine so gute Hinrunde gespielt haben. Das gilt es jetzt zu bestätigen.

Tauschen Sie sich dafür auch mit dem Männerteam um Trainer Christian Streich aus?

Das ist leider gar nicht so einfach, weil wir in Freiburg an drei verschiedenen Standorten arbeiten. Die Männer sind am neuen Europapark-Stadion und wir hier am alten Dreisamstadion, da läuft man sich nicht täglich über den Weg. Aber wenn man sich mal trifft, gibt es immer gute, offene und sympathische Gespräche.

Dann müssten Sie ja gewarnt sein. Die Männer haben schließlich zum Jahresauftakt eine 0:6-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg kassiert. Warum wird Ihnen das nicht passieren?

Weil es den Männern ja schon passiert ist (lacht). Nein, im Ernst: Wolfsburg wird eine extrem harte Nuss für uns. Sie haben bislang alle zehn Saisonspiele gewonnen und sind in Deutschland momentan klar die stärkste Mannschaft.

Dennoch haben auch sie immer wieder mal gezeigt, dass sie auch verwundbar sind. Für uns gilt es, dann da zu sein und das auszunutzen. Dafür müssen wir aber unseren besten Fußball spielen und mit extrem viel Leidenschaft ins Spiel gehen.

Für Sie persönlich wird es ein besonderes Spiel, immerhin waren Sie in Wolfsburg zwei Jahre Co-Trainerin, haben dort die Meisterschaft (2020) und den Pokal (2020, 2021) gewonnen und waren im Champions-League-Finale (2020). Wie sehr hat Sie die Zeit in Niedersachsen geprägt?

Für meine Entwicklung war das eine enorm wichtige Phase. Wolfsburg war meine erste große Vereinsstation – und dann gleich ein Club in der deutschen und europäischen Spitze. Ich habe gesehen, wie es dort läuft.

Natürlich haben auch wir beim Sport-Club gewisse Ambitionen, allerdings sind die Ansätze von uns und von Wolfsburg schon sehr unterschiedlich: Wo kommt man her? Mit welchen Mitteln wird gearbeitet? Wie sehr setzt man auf den Nachwuchs? Da haben die beiden Vereine eine ganz andere DNA.

Mit dem VfL kommen viele Topspielerinnen in den Schwarzwald. Das Dreisamstadion wird bestimmt wieder viele Fans anlocken. Was bedeutet es Ihnen, in diesem besonderen Stadion spielen zu dürfen?

Es ist immer wieder ein bisschen Fußball-Romantik dabei, wenn man dort einläuft. Von der Schieflage des Platzes über die Tribünen, auf denen man früher selbst stand und Spiele angeschaut hat, hat alles dort einen ganz besonderen Reiz.

Auch für die Liga ist es etwas ganz Besonderes, schließlich ist es nach wie vor eher die Ausnahme, dass wir Frauen in so einem Stadion spielen dürfen.

Der Umzug ins Dreisamstadion vor dieser Saison ist Teil einer Strategie für den Frauenfußball beim SC Freiburg, die schon vor längerer Zeit begonnen hat. Warum investieren andere Bundesligisten der Männer noch immer deutlich weniger in ihre Frauenteams?

Es passiert ja schon was, aber es wird leider noch einige Jahre dauern, bis das auch sichtbar wird. Clubs wie Dortmund oder Schalke haben für sich entschieden, von ganz unten starten zu wollen. Andere Clubs wie der VfB Stuttgart haben sich mit anderen Vereinen zusammengetan, die schon eine gewisse Vorleistung gebracht haben.

Das hat alles Vor- und Nachteile. Generell ist es schade, dass so viele Clubs erst so spät auf den Zug aufgesprungen sind. Ich hoffe aber, dass sie nun mit einer Konsequenz dranbleiben, die sie versprochen haben, und nicht nur etwas fürs Image machen wollen. Dann sieht die Bundesliga in zehn Jahren noch mal ganz anders aus.

Wie haben Sie das erste halbe Jahr nach der erfolgreichen EM erlebt? Ist es gelungen, den Schwung mitzunehmen?

Was das Interesse der Bevölkerung und die Zuschauer in den Stadien angeht, auf jeden Fall. Auch der neue Fernseh-Deal ist sicherlich gut für die Liga.

Aber davon, dass es klare Kampagnen und Strukturreformen gegeben hätte, habe ich noch nichts mitbekommen. Ob so der Hype aus dem Sommer dauerhaft mitgenommen werden kann, weiß ich nicht. Die Basis ist aber auf jeden Fall da.

Was muss nun weiter passieren?

Vor allem muss die Professionalisierung vorangetrieben werden. Viele Strukturen passen noch nicht zu den Ansprüchen und wir müssen aufpassen, dass wir nicht überrollt werden. Ich sehe zum Beispiel die Montagsspiele, die ab der nächsten Saison kommen werden, kritisch.

Es ist aktuell einfach so, dass die Bundesliga noch keine hundertprozentige Profiliga ist und viele Spielerinnen nach wie vor noch einem anderen Job nachgehen. Da finde ich es schon schwierig, einen Rahmenterminplan zu setzen, der nicht zu den vorhandenen Strukturen passt.

Die Vereine und Verbände müssen nun zeigen, ob sie bereit sind, die nötigen Schritte mitzugehen, um die Liga weiter voranzubringen.

Wenn Sie den Verband schon ansprechen: Hat es Sie geärgert, dass in die Taskforce, die über die Erneuerung des DFB beraten soll, keine Frau berufen wurde?

Einerseits finde ich es wichtig, dass sich in der Taskforce Männer zusammengefunden haben, die seit Jahrzehnten Vereine auf höchstem Niveau gemanagt haben und sehr viel Wissen und Erfahrung mitbringen.

Andererseits geht es aber auch darum, den DFB zukunftsträchtig aufzustellen, und dafür fehlt mir schon ein bisschen die Diversität – nicht nur, was das Verhältnis Mann-Frau angeht, sondern auch was verschiedene Altersgruppen betrifft. Dafür hätte ich mir schon noch ein bis zwei zusätzliche Gesichter in der Gruppe gewünscht.

Bei der Zusammenstellung ging es vor allem um die Männer-Nationalmannschaft und die Heim-EM im nächsten Jahr. Dabei stehen auch für den Frauenfußball extrem wichtige Jahre bevor. Die Nationalelf spielt dieses Jahr eine WM in Australien und Neuseeland, nächstes Jahr wartet Olympia in Paris und 2027 soll eine Weltmeisterschaft in Deutschland stattfinden. Ist jetzt die perfekte Zeit, den Frauenfußball endgültig nach oben zu bringen?

Diese Ausgangslage ist natürlich eine große Chance, gerade für den deutschen Frauenfußball. Wir haben aktuell eine sehr gute Mannschaft zusammen, die bei der EM gezeigt hat, wie gut sie ist, und die mit weiteren Erfolgen sicher beste Werbung machen kann.

Als Trainerin sehe ich es aber auch kritisch, dass so viele große Turniere innerhalb kürzester Zeit angesetzt sind, weil das natürlich eine sehr große Belastung und eine höhere Verletzungsgefahr für die Spielerinnen mit sich bringt.

Und was bedeutet die Entwicklung für den SC Freiburg? Sie stehen aktuell vier Punkte hinter den Champions-League-Plätzen. Muss eine Qualifikation für die Königsklasse in diesem oder einem der nächsten Jahre her, um Schritt halten zu können?

Das ist sicher kein ausgerufenes Ziel des Vereins. Wir definieren uns hier nicht darüber, ob wir in der Champions League spielen oder nicht. Aber natürlich tut man alles dafür, wenn sich die Chance bietet.

Das ist bei den Männern sicher nicht anders als bei uns Frauen. Wenn es so kommen würde, würden wir es natürlich mitnehmen. Aber ich glaube nicht, dass eine Qualifikation für unsere persönliche Entwicklung und die des Vereins zwingend notwendig ist.