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Flugobjekt

Ein unbekanntes Flugobjekt namens Stefanie Dauber

Sport / Lesedauer: 4 min

Die Stabhochspringerin des SSV Ulm 1846 läuft mit 30 Jahren zur Hochform auf und fährt zur EM nach Berlin.
Veröffentlicht:26.07.2018, 21:33

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Ulm - Der 30. Geburtstag mag für manche Frau der Legende nach ein eher problematisches Datum sein, für Stefanie Dauber gilt das krasse Gegenteil: Die 1,68 Meter kleine Stabhochspringerin schreibt derzeit eine der größten Geschichten im deutschen Sport. Dauber ist eine Art unbekanntes, 30 Jahre junges Flugobjekt. Nicht mal Experten nahmen von ihr bis zum Sonntag Notiz – bis sie in Nürnberg mit persönlichem Rekord von 4,45 Metern DM-Zweite wurde. Nun fliegt sie zur Leichtathletik-EM nach Berlin.

Als der SSV Ulm 1846 am Donnerstag in der Sparkasse seine vier Berlin-Starter geehrt und mit Sonnenblumensträußen bedeckt hatte, erfuhr man erst die wahre Dimension ihres langjährigen Inkognito-Daseins. Dauber erzählte lächelnd, das sei gerade die erste Pressekonferenz ihres Lebens gewesen. Und jenes Silber am Sonntag sei erst die zweite Medaille ihres Lebens gewesen. 2006, bei den nationalen Jugend-Titelkämpfen, mit 18, sei sie schon mal Dritte geworden. Höchste Zeit also, dass jemand mal einen Wikipedia-Eintrag erstellt.

Alle Rückschläge weggesteckt

In dem würde stehen, dass Stefanie Dauber, geboren in Wiesbaden, aufgewachsen an einem Ort in der Nähe, „den sowieso keiner kennt“, 2012 einen Kreuzband- und Meniskusriss erlitt, an dem sie zwei Jahre lang laborierte – bis zum nächsten Rückschlag: anderes Knie, gleiche Verletzung. Dann, im September 2015, wechselte sie wegen ihres Trainers, der beim SSV eine Stelle erhielt, von Mainz nach Ulm , alsbald aber trennte sich der Coach vom Schützling. Warum? Hat er nicht mehr an sie geglaubt? „Das müssen Sie ihn fragen. Ich hab wirklich keine Ahnung, warum.“

Viele Athleten hätten nun ihre Karriere leicht verbittert beendet mit den Worten „Schön war’s, müssen wir unbedingt mal wieder machen, Happy Ends und große Karrieren werden überbewertet“. Dauber aber sagte sich: jetzt erst recht. „Alle haben gesagt, dann hörst du jetzt wohl besser auf. Aber Stabhochsprung ist mein Leben, ich hab immer Spaß daran gehabt, ich konnte doch so nicht Schluss machen“, erzählt sie. Also wechselte die Verlassene zu SSV-Coach und Abteilungsleiter Wolfgang Beck, der ihr eine Halbtagsstelle beim Club als Trainerin und Eventmanagerin vermittelte und sie den Sport quasi noch einmal von vorne lehrte. „Ich habe ihm so viel zu verdanken“, sagt Dauber. Von 4,00 Metern 2016 ging es über 4,30 im Jahr 2017 auf 4,40 im Juni 2018 bei der süddeutschen Meisterschaft in Erding. „Bis dahin wollte ich eigentlich immer nur höher springen, noch höher, Bestweite. Weiter, an Platzierungen oder an die EM, hab ich nie gedacht.“ Schon damals und kurz darauf am Tegernsee ließ sie allerdings die EM-Norm auflegen, und als ihr der Sprung im letzten Moment gelang, war sie glückselig. Von überall her kamen die Glückwünsche und die Umarmungen, „dass die anderen Athleten so gönnen können, finde ich großartig“.

Derzeit in Europa die Nummer 17

Also fährt Stefanie Dauber nun zur EM, als unbekannteste, älteste Newcomerin aller Zeiten. 31 wird sie am Dienstag, dem 31., und sie glaubt und weiß, „dass da noch viel Luft nach oben ist“. Einer der drei Sprünge über 4,55, an denen sie sich in Nürnberg noch erfolglos versucht hat, sei eine 4,50 gewesen, sagt sie. Die – einen nächsten Rekord – wird sie auch brauchen, denn natürlich träumt sie davon, den Vorkampf bei der EM zu überstehen. Nr. 17 in Europa ist sie derzeit.

Älteste deutsche Stabartistin in Berlin wird Dauber derweil nicht sein. Während die langjährigen Machthaberinnen Silke Spiegelburg, Martina Strutz und die verletzte Lisa Ryzyh die EM verpasst haben, wird Carolin Hingst, Dritte von Nürnberg, mit 38 als Oma im Olympiastadion firmieren. Die Spiele 2020 in Tokio dürfte Hingst kaum mehr mitmachen, Stefanie Dauber dagegen ist in ihrem zweiten Leben nach dem Kniefall alles zuzutrauen. Wer weiß, vielleicht gibt es bis 2020 auch Videos von ihrem 4,45-Satz im Internet und noch mehr Wissenswertes über die Spätzünderin, die am Ende des Gesprächs, man kann ja nie wissen, noch eine dringende Bitte hat: „Bitte, bitte schreiben Sie Dauber, nicht Daubner. Ich musste ja schon so oft Daubner lesen.“ Hiermit erledigt, Stefanie Dauber.