Das von klassizistischen Bauten geprägte Baden-Baden ist so elegant wie seine Spielbank: grün wie der Roulettetisch, glamourös wie die Kronleuchter im Florentiner Saal, stilvoll wie die im Smoking gewandeten Croupiers. Seit mehr als 200 Jahren rollt im Casino leise die Kugel. Dostojewski verlor im Florentiner Saal sein ganzes Vermögen, Tolstoi erging es unwesentlich besser. Kaiser, Könige und Künstler, Maharadschas, Mogule und Mätressen, Prinzen, Potentaten und Prälaten: Geld und Macht waren in diesem Casino. Sie flanierten, kutschierten, dinierten und sie zockten in Baden-Baden, der Stadt, die zu einem Must der gehobenen Gesellschaft von der Zeit der Reiseromantik des 19. Jahrhunderts über die Belle Époque bis heute wurde. Ach ja, manche kamen und kommen auch tatsächlich zur Kur ...
Vor zwei Jahren ist nun Baden-Baden, zusammen mit Bad Kissingen und Bad Ems, in den Kreis der Weltkulturerbestätten aufgenommen worden: als drei der „Great Spas of Europe", einem Zweckbündnis von insgesamt elf traditionsreichen europäischen Kurorten, zu denen auch Baden in Österreich, Bath in England, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad in Tschechien, Montecatini in Italien, Spa in Belgien und Vichy in Frankreich gehören. Ausgezeichnet wurden weder die Heilkraft der Quellen noch das heutige Spa-Angebot, sondern das Historische: geschlossene architektonische Ensembles, die bis heute von der Bäderkultur geprägt sind. Deshalb sind diese Orte nicht nur Ziel vieler erholungs- und rehabilitationsbedürftiger Menschen, sondern auch von Bustouristen, die vor allem einen oder mehrere Tage Urlaub machen wollen oder Lust auf interessante Städtetrips haben.
Die Tradition der Kur brachte es mit sich, dass rund um die Heilquellen ein neuer städtebaulicher Typ entstand: die noble Kurstadt mit herrschaftlichen Gebäuden, langen Kolonnaden, Rundbögen und Kapitellen, Grand Hotels, Parks mit Springbrunnen, Galerien und Casinos. Sie prägte das glamouröse Kur- und Reiseleben von Adel und Großbürgertum im 19. Jahrhundert.


Baden-Baden gehört sicherlich nicht nur unter den deutschen Bädern, sondern auch international an die Spitze der Welterbebäder: mit Kurhausanlage, dem einzigartigen römisch-irischen Friedrichsbad, dem wunderbaren Casino, den Parkanlagen an der Lichtentaler Allee, dem modernen Museum Frieder Burda und dem Weltklassehotel ,,Brenners Park-Hotel". Auf den acht Golfplätzen der Umgebung und besonders an der Pferderennbahn Iffezheim blüht der aristokratische Stil. Gentlemen mit wehenden Rockschößen und aufgeputzte Ladys stöckeln um die beste Aussicht. Und die Damen zeigen, was sie drauf haben. Die Hutschöpfungen variieren je nach Sendungsbewusstsein der Trägerin, der Brieftasche des Gatten und eigener Fantasie. Wen kümmern da die fleißigen Rösser, die sich die Lunge aus dem Hals rennen? So mancher Gast lässt bis heute seine Garderobe, insbesondere die Hüte, fachmännisch im ,,Brenners Park-Hotel" einlagern ...
Bad Kissingen und Bad Ems sind da deutlich provinzieller als die Bäderstadt an der Oos, auch wenn sich Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel mit der Welterbe-Auszeichnung ,,in der Champions-League der deutschen Städte" sieht. Freilich sind Regentenund Arkadenbau sowie die Wandelhalle große Architektur, aber bei Casino, Kunst und Grand Hotel kann Bad Kissingen ebenso wenig mithalten wie die umgebende Rhön mit dem Schwarzwald südlich von Baden-Baden.
In Bad Ems ist zwar die Spielbank älter als das Casino von Baden-Baden und auch Dostojewski war zu Gast, auch das Kurhaus und „Häcker's Grand Hotel" an der Ems beeindrucken, aber dennoch fehlt der letzte Schuss Eleganz, um auch mondän zu sein.
In allen drei Städten begann alles mit dem Wasser. Mineralische Quellen, heiß oder kalt, sprudelten aus der Erde und die Römer - bekannt für ihre Vorliebe zum Badebauten ihre Thermen, wie etwa in Baden-Baden. Auch getrunken wurde und wird das Wasser, zum Beispiel aus Bad Kissingens berühmter Rakoczy-Quelle, eine der sieben heilenden Quellen der Stadt. Der Geschmack ist sehr gewöhnungsbedürftig, doch die Kurgäste schwören auf die positive Wirkung bei Atemwegserkrankungen, Magen-Darm-Problemen oder Erschöpfungszuständen.
Auf 15 Heilquellen bringt es sogar Bad Ems: Die Robert-Kampe-Quelle gehört mit ihren 57 Grad zu den heiBesten in Deutschland. Die Inhaltsstoffe gibt es auch in den Emser Pastillen. Nach dem Verdampfen des Wassers bleiben pro Liter 3,5 Gramm Mineralsalze übrig, die seit knapp 150 Jahren zu den wohltuenden und nicht nur von Opernsängern geschätzten Pastillen gepresst werden.
Ob in der 4000 Quadratmeter großen Caracalla Therme von Baden-Baden, der doppelt so großen Kiss-Salis Therme in Bad Kissingen oder der 6000 Quadratmeter großen Emser Therme - man sieht, dass so manche öffentliche Einrichtung der Kurstädte des 19. Jahrhunderts in den 2020er-Jahren angekommen ist. Es gibt Sauna-Landschaften, verschieden temperierte Pools, Anwendungen wie Erdbeer-Wellness oder Lightshows: Ein bisschen Bling-Bling gehört eben zum Geschäft. Zu den traditionellen Kurgästen fehlt jetzt eigentlich nur noch der Zulauf einer jüngeren Kundschaft und moderne Hotels mit vier oder fünf Sternen, Infinity-Pools und verglasten Saunen mit Blick ins Grüne. Denn so manches Kurhotel hat seine Sauna immer noch im dunklen Keller versteckt. Jochen Müssig
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