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Diebstahl

Raubgräber klauen historische Grenzsteine

Westerheim / Lesedauer: 4 min

400 Jahre alte Steine, die eine historische Gemarkungsgrenze bei Westerheim markierten, sind verschwunden
Veröffentlicht:20.05.2015, 14:51

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Seit geraumer Zeit fehlen an der Gemarkungsgrenze zwischen Westerheim und Feldstetten im Gewann Hochwang südlich der Egelsee-Höfe mindestens zwei wertvolle, sehr alte Grenzsteine. Diesem Sachverhalt sind unlängst zwei Experten für Kleindenkmäler, Martin Häußler und Gottfried Deckenbach aus Blaustein, bei Überprüfungen auf die Spur gekommen.

Sie untersuchten an Hand von Kartendokumenten Lage und Zustand von Grenzsteinen und verglichen ihre Erkenntnisse mit vor Jahren gemachten Veröffentlichungen. Dabei stellten sie fest, dass zwei markante Steine verschwunden waren. Historiker Harmut Schröder aus Westerheim geht von einem Diebstahl.

Nachfragen bei Historiker Hartmut Schröder , Autor des Buches „Luftkurort Westerheim, dynamisches Dorf auf der Schwäbischen Alb“ von 1986 ergaben ein weiteres überraschendes Moment: In der Bildersammlung zur Vorbereitung des Buches ist ein zweiter dekorativer Grenzstein dokumentiert, der ebenfalls heute nicht mehr aufzufinden ist. „Die Grenzsteine sind geraubt worden. Da gibt es Sammler und Liebhaber, die sie gerne im Besitz haben und einen hohen Sammlerwert bezahlen“, erklärt Schröder. Auffallend sei, dass ausgerechnet die schönsten Steine fehlen, die mit den Nummern 80 und 74. Diese seien 1985 restauriert worden und ihre Gravuren nachgezeihnet worden. Das könne kein Zufall sei, da seien dreiste Diebe entlang des historischen Römerwegs vorgegangen, sich sich Schröder sicher. Denn die anderen, weniger schönen Steine stehen noch fest im Boden.

Schöne Gravuren in den Steinen

Was für mutmaßliche Raubgräber die Steine so wertvoll erscheinen ließ, war zum einen ihr Alter, zum andern aber sicher auch die angebrachten Gravuren, erläutert Schröder. Es gebe wohl wenige Grenzsteine in Deutschland, auf denen auf der einen Seite ein Abtstab und auf der anderen das Bild eines Elefanten eingehauen ist. Sehr wahrscheinlich aufgestellt wurden die Steine als Graf Ulrich VI. 1447 das zum Kloster Blaubeuren gehörende Gebiet mit Feldstetten an Württenberg verkaufte – bis dato lag sein Besitz in direkter Nachbarschaft seines im Filstal regierenden Vetters Ulrich V. d. Ä., zu dessen Grafschaft auch Westerheim gehörte, erläutert der Historiker.

In den Folgejahren gab es zwischen dem Kloster Blaubeuren und den Helfensteiner Grafen immer wieder Streitigkeiten, und fast immer ging es um Besitzansprüche im Bereich des Egelseebezirks. Einem Vermerk im Westerheimer Saalbuch von 1754 wurde eben dieses Gebiet „unterm 20ten Maii, anno 1593 zwischen ermeldten beiden Orthschaften Westerheim und Feldstetten … Egelsee abgetheylt“. Die Kosten für das Herstellen und Setzen der Grenzsteine teilten sich beide Gemeinden.

Insgesamt 55 Steine kennzeichneten die neue Markungsgrenze, so Schröder. So viele Markierungselemente waren nötig, weil der Grenzverlauf häufig einem Zickzackmuster ähnelte und folglich jedes Eck mit einem Stein versehen werden musste. Im „Grentz-Marckungs-Hut-Wayd“- Protokoll „umb den Marckungs Bezirckh zu Westerheimb“ ist 1754 genauestens beschrieben, „sowohl wie ein jeder stehet, und wohin er weißet, als wie viele Ruthen und Schue ein jeder Stein von dem andern entfernt“ ist.

Schröder, früherer Lehrer an der Schule am Sellenberg in Westerheim, weiß noch mehr zu den Grenzsteinen: Stein Nummer 1 stand an der Grenze zur Gemarkung Laichingen, ausdrücklich, so steht es im Vermessungsdokument, an drei Seiten gekennzeichnet mit den Buchstaben W, L und F für Westerheim, Laichingen und Feldstetten. Stein 55 befand sich an der Grenze zu Zainingen. Nachdem sich 1717 die Westerheimer und Feldstetter Bauern wiederum wegen nicht eindeutig geklärter Besitz- und Nutzungsrechte in die Haare gerieten, wurden danach sicher weitere Steine gesetzt. Ein Stein „führet das Württenbergische Hirschhorn, auch einen Abtstab nebst No 67“ ist im Messprotokoll des Saalbuchs vermerkt.

„Auf einem Teilstück des Grenzverlaufs – vielleicht ein besonders strittiger Abschnitt, der allein mit Marksteinen nicht zuverlässig gekennzeichnet werden konnte – ist ein heute noch deutlich sichtbarer Grenzgraben ausgehoben worden“, erklärt Hartmut Schröder.

Neue alte Grenzsteine entdeckt

Martin Häußler und Gottfried Deckenbach, die beiden Grenzstein-Experten aus Blaustein, 2013 mit dem Sonderpreis Kleindenkmale des Schwäbischen Heimatbunds ausgezeichnet, fanden bei mehreren Begehungen noch einige alte Grenzsteine. Mit Drahtbürste, Schäufelchen und viel Fingerspitzengefühl konnten sie Grenzsteine mit den Nummerierungen zwischen 75 und 95 sichtbar machen. Die Suche nach den Steinen 74 und 80, die 1986 fotografisch an ihrem Standort dokumentiert wurden, blieb indes erfolglos. „Es ist davon auszugehen, dass diese Kulturdenkmäler Raubgräbern zum Opfer gefallen sind“, fasst Schröder zusammen und bedauert den historischen Diebstahl.