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Spinnrad

„Ziehen und loslassen, ziehen und loslassen“

Gundershofen / Lesedauer: 3 min

Eine alte Tradition lebt bei der Spinngruppe in Gundershofen wieder auf
Veröffentlicht:28.02.2014, 18:40

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Stroh zu Gold spinnen, wie die Müllerstochter im Märchen von Rumpelstilzchen, können diese Damen zwar nicht. Etwas Zauberhaftes hat es trotzdem, das leise Surren der vielen Spinnräder in einem Raum der alten Schule in Gundershofen. Hier treffen sich Spinnfreunde aus der ganzen Region seit vier Jahren regelmäßig, um zusammen bis in die Nacht hinein zu spinnen.

„Zehn bis Zwölf kommen regelmäßig von Ulm, Ehingen, Münsingen oder auch Nürtingen“, erzählt Martina Fischer. Gemeinsam mit Christine Bischof hat sie die Gruppe ins Leben gerufen, nachdem ein angebotener VHS-Kurs der beiden so eine große Resonanz hatte.

Spinnräder sind Herdentiere

Jede Teilnehmerin bringt ihr eigenes Spinnrad von daheim mit; viele von ihnen haben sogar mehrere Räder daheim stehen. „Wie sagt man so schön? Spinnräder sind Herdentiere“, weiß Christine Bischof. Das bestätigt auch der einzige Mann in der Runde, Horst Richter. Seit vielen Jahren zeigt er Besuchern auf Mittelaltermärkten in der Umgebung die Kunst des Spinnens an der sogenannten Spinnschachtel. „Alles eine Frage der Übung. Ich kann aber aus Erfahrung sagen, dass die Kinder auf den Märkten das viel schneller lernen. Sie haben nicht so viele Konzepte im Kopf und tun, was einem gesagt wird“, weiß Richter.

In der Tat ist es gar nicht so einfach, seinen Kopf beim ersten Spinnversuch auszuschalten, das zeigt sich beim Selbstversuch. Wie bei der ersten Autofahrt muss die Koordination von unterschiedlichen Bewegungen erst einmal eingeprägt werden. Den Wollknäul in der Hand, die richtige Menge heraus ziehen, Finger koordinieren, mit dem Fuß gleichmäßig das Pedal drücken – und das alles mit Tempo. „Ziehen und loslassen, ziehen und loslassen“, ist das Mantra, das Anfänger verinnerlichen. „Übung ist alles, aber die Motorik ist bestimmt das Schwerste, denn man muss ja etwas mit den Beinen und den Händen gleichzeitig machen“, bestätigt auch Christine Bischof.

Ein Blick auf die geübten Spinner zeigt, wie leicht es nach einer Weile durch die Finger gleitet, einfach so beiläufig fließt. Fröhlich unterhalten sich die Damen und der Herr miteinander, tauschen Ideen aus. Denn das Garn, das sie beim Spinnen gewinnen, verarbeiten die Meisten natürlich auch weiter und erzählen sich gerne von ihren Erfahrungen. „Dann stricken oder weben wir Kleider, Sitzkissen oder Tücher“, berichtet Bischof, die selbst am liebsten Alpakawolle von ihren eigenen Tieren am Hof verarbeitet. „Ich schere meine Alpakas auch selber, so sehe ich den ganzen Ablauf von meinen Kleidungsstücken und wer kann das schon von sich sagen“, weiß sie ihre fertigen Einzelstücke zu schätzen. „Man kann abschalten und produziert etwas dabei“, bemerkt eine Spinnerin zu der Frage, warum das Spinnen so gefalle.

Wohl jeder, der sich einmal am Spinnen versucht weiß, dass es ein wahrhaftes Erfolgserlebnis ist, „wenn man erst mal drin ist“, wie Horst Richter es formuliert.

Auch Interessierte ohne ein Spinnrad auf dem Dachboden sind in der Spinngruppe jederzeit willkommen, wie Christine Bischof betont: „Wir freuen uns, wenn Neue kommen und wer kein Rad hat, der kann sich eines von denen leihen, die mehrere daheim haben.“