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Nahverkehr in Ulm könnte billiger werden

Ulm / Lesedauer: 4 min

Kurzstreckenticket, 365-Euro-Ticket oder immer gratis: Ulm hat Studien zu anderen Tarifsystemen ausgewertet, die Stadträte streiten über die beste Lösung. Die Probleme ähneln sich.
Veröffentlicht:21.02.2019, 19:22

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  • Schwäbische.de
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Ab April bis Ende des Jahres sind Fahrten mit Bus und Straßenbahn in Ulm und Neu-Ulm gratis. Beim nächsten Tarifwechsel in einem knappen Jahr könnte eine Preissenkung dazukommen: Der Ulmer Gemeinderat diskutiert über ein Kurzstreckenticket. Es könnte für maximal drei Stationen in einem Ort und für höchstens 30 Minuten gültig sein und 1,50 Euro kosten.

Die Stadträte von CDU, SPD und Grünen fordern das neue Angebot vehement, auch die Freien Wähler haben ihre Zustimmung signalisiert. Die vier Fraktionen kommen auf 36 der 40 Sitze im Ulmer Gemeinderat. Eine Entscheidung über das neue Tarifsystem hat das Gremium am Mittwochabend aber erst einmal vertagt. Denn viele Fragen sind noch offen, auch die entscheidende.

Busfahren in Ulm und Neu-Ulm wird kostenlos – von 1. April bis Ende des Jahres. Der Ulmer Gemeinderat stellt eine Million Euro für dieses Angebot bereit. (Foto: Alexander Kaya/Schwäbische.de)
Auf der Decke der neuen Tiefgarage fährt ab kommenden Montag die Straßenbahn. Die Schienen und neuen Haltestelle befinden sich dann provisorisch zwischen den roten Bauzäunen. (Foto: Alexander Kaya/Schwäbische.de)

Aus Sicht der Verwaltung und der Stadtspitze steigt durch ein solches Modell der Aufwand, während die Einnahmen sinken. Kontrollen seien komplizierter und teurer. Mehr Fahrgäste werde es aber nicht geben. Bisherige Auswertungen der Stadtverwaltung und der Donau-Iller-Nahverkehrsverbund-GmbH (Ding) sagen aus, dass fast 98 Prozent der Kurzstreckenticket-Käufer aus anderen Tarifprodukten abwandern würden. Sprich: Die Fahrgäste hätten ohne ein solches Angebot ein anderes Billett gekauft.

Den bislang letzten Vorstoß zum Kurzstreckenticket hat der Ding-Aufsichtsrat im November 2011 abgelehnt. Damals ging man von einem Einnahmeverlust von rund 360 000 Euro aus. Inzwischen wären es wohl mindestens 500.000 Euro weniger Einnahmen im Jahr – auch die Basis dieses Werts ist bereits eineinhalb Jahre alt.

Wenn man Signale macht, müssen sie deutlich sein. Die Leute müssen wissen, dass wir es ernst meinen.

Dorothee Kühne (SPD)

Die Zahlen brachten die Stadträte nicht von ihrem Ziel an. Dorothee Kühne (SPD) sprach von einem wichtigen Signal. Durch die neue Straßenbahnlinie 2 seien der öffentliche Nahverkehr beliebter geworden, dieses Hoch müsse man nutzen. Kühne forderte: „Wenn man Signale macht, müssen sie deutlich sein. Die Leute müssen wissen, dass wir es ernst meinen.“ Gerhard Bühler (FWG) nannte den Vorschlag eine „gute und sinnvolle Ausgabe“ und ergänzte: „Dass es so etwas selbst in Biberach gibt, zeigt ja, dass Bedarf da ist.“ In der nahegelegenen Kreisstadt kosten Fahrten im Stadtbusverkehr seit 1. Januar nur noch einen Euro – wenn das Ticket mit dem Handy gekauft wird. Wolfgang Schmauder ( CDU ) verwies auf andere baden-württembergische Großstädte: „Stuttgart hat es, Tübingen hat es, Freiburg führt es jetzt ein“, zählte er auf.

Bus- und Tram-Pendler deutlich stärker belohnen

Denise Niggemeier (Grüne) sprach von einem attraktiven Angebot. Geht es nach ihrer Fraktion, sollte Ulm Bus- und Tram-Pendler deutlich stärker belohnen: „Das 365-Euro-Ticket ist dafür perfekt geeignet“, sagte Niggemeier. Hinter diesem Jahreskarten-System steckt die Idee, dass Fahrten mit den Öffentlichen nur einen Euro pro Tag kosten dürfen. Das überzeugt die Wiener, in deren Stadt dieses Ticket 2012 eingeführt wurde: Die Zahl der Abonnenten hat sich nach Angaben des Betreibers Wiener Linien GmbH seitdem auf 760 000 verdoppelt. Doch die Stadt Ulm verweist auf eine Studie aus der österreichischen Hauptstadt: Demnach haben vor allem ein verbessertes Linienangebot und höhere Parkgebühren zu diesem Effekt geführt. Das Defizit der Wiener Linien sei dagegen dauerhaft gestiegen.

Vorsichtshalber hat die Stadtverwaltung auch ausgerechnet, was es kosten würde, wenn das Bus- und Tramfahren nicht nur samstags gratis wäre – sondern immer. Stadt und Stadtwerke könnten die Mehrausgaben mit dem jetzigen Haushalt wohl nicht stemmen, Steuererhöhungen wären nötig. Baubürgermeister Tim von Winning geht davon aus, dass die Grundsteuer für Gebäude verdoppelt werden müsste.

Kosten sind nur ein Problem

Die Kosten sind nur ein Problem. Das andere: Wenn Ulm eins der neuen Systeme auswählt, müsste die Stadt auch Fahrkarten für Bürger aus den Kreisen Neu-Ulm, Alb-Donau, Biberach und Heidenheim bezuschussen. Darauf habe er „wenig Lust“, betonte Oberbürgermeister Gunter Czisch. Beim Kurzstreckenticket hielte sich das Problem noch in Grenzen: 94 Prozent der Haltestellen, die mit der Karte angefahren werden könnten, liegen im Gebiet der Doppelstadt.

Erik Wischmann (FDP) brachte einen anderen Kritikpunkt: Ein Kurzstreckenticket verhindere keine Fahrten mit dem Auto, sondern Wege zu Fuß. „Sie fallen dann als Kunden für den Einzelhandel weg.“ Reinhold Eichhorn (FWG) stellte den Sinn grundsätzlich infrage: „Drei Stationen sind manchmal bloß 500 Meter“, merkte er an.

Die Stadtverwaltung soll gemeinsam mit Ding ein Konzept erarbeiten und dem Gemeinderat vorlegen. Die Entscheidung, ob das Kurzstreckenticket eingeführt wird, wollen die Räte vor dem nächsten Tarifwechsel am 1. Januar 2020 fällen.