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Gefährliche Reise

Leichen, Schmerz und Terror: Was ein Ulmer Politiker in Israel erlebt hat

Tel Aviv / Lesedauer: 5 min

Der Grünen-Abgeordnete Michael Joukov ist zurück aus Israel. Als er die Reise plante, konnte er nicht wissen, was er dort Monate später vorfinden würde.
Veröffentlicht:18.11.2023, 17:00

Von:
  • Dennis Bacher
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Knapp einen Monat nach dem Überfall der Hamas auf Israel hat der jüdischstämmige Grünen-Politiker Michael Joukov aus Ulm die Stadt Tel Aviv und einige Dörfer an der Grenze zum Gazastreifen besucht.

Als der 42-Jährige die Reise plante, konnte er nicht wissen, was er Monate später vorfinden würde. Nun bringt der Landtagsabgeordnete Erzählungen der Zerstörung, des Leides aber auch der Entschlossenheit mit.

Ich habe Freunde und Verwandte in Israel und weiß genau, wie stark sie der 7. Oktober getroffen hat.

Michael Joukov

Michael Joukov war mit einer Delegation aus europäischen Parlamenten auf Einladung der unabhängigen und regierungskritischen Organisation Elnet für vier Tage in Israel. Dass die Reise gefährlich sein würde, sei dem 42-Jährigen bewusst gewesen. Doch er wollte trotzdem hin, auch an den Gazastreifen, wo mit Angriffen zu rechnen war.

Es sei ihm wichtig gewesen, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. „Ich habe Freunde und Verwandte in Israel und weiß genau, wie stark sie der 7. Oktober getroffen hat. Der Tag war ein dramatischer Einschnitt in ihr Leben.“

Gesprächen nur schwer zu ertragen

Joukov unterhielt sich mit Politikern aus der Regierung und aus der Opposition, sprach mit Soldaten, darunter auch ein Offizier, dessen Aufgabe es gewesen sei, aufgestapelte Leichen in einem Container zu identifizieren.

Verzweifelte Angehörige und Hinterbliebende erzählten Michael Joukov von ihren vermissten Kindern, Schwestern und Brüdern. (Foto: ZVG Michael Joukov)

Joukov hörte sich auch das Leid von Zivilisten an. Verzweifelte Angehörige erzählten ihm von „vermissten und verschleppten Brüdern, Schwestern und Kindern“, Hinterbliebene von den Opfern in ihren Familien. Es seien Gespräche gewesen, die nur schwer zu ertragen gewesen seien.

In einem überfallenen Kibbuz (israelische Kollektivsiedlung) an der Grenze zu Gaza fielen Joukov die Wahlplakate auf, die für die Kommunalwahl Ende Oktober aufgehängt worden seien, die nie stattfinden konnten.

Auf einem davon habe Ofir Liebstein, Landrat von Scha’ar Ha Negev, dem Partnerkreis des Landkreises Karlsruhe, für eine gemeinsame Wirtschaftszone im Gazastreifen geworben, damit Menschen dort ohne langwierige Grenzkontrollen arbeiten könnten. „Und vor einem dieser Plakate ist Ofir Liebstein erschossen worden“, berichtet Joukov.

„Es ging der Hamas um den blanken Terror“

Auch Menschen von den Philippinen, aus Thailand, China und Bangladesch, die im Nachbarort Be’eri für eine große Druckerei gearbeitet hätten, seien „abgeschlachtet“ worden. „Das waren Buddhisten und Muslime“, erzählt der Ulmer Abgeordnete.

„Es ging der Hamas also nicht um Muslime gegen Juden, auch nicht um Palästinenser gegen Israelis. Es ging ihr um den blanken Terror. Die Hamas wollte einen neuen Flächenbrand erzeugen“, so Joukovs Meinung.

In den verlassenen Kibbuzen bot sich dem Abgeordneten ein Bild der Zerstörung. (Foto: ZVG Michael Joukov)

Sorgen um seine eigene Sicherheit habe sich der Politiker nie gemacht, wie er sagt. Obwohl die Gruppe der Parlamentarier mehrfach unter Raketenbeschuss geriet. Joukov sorgte sich im Vorfeld eher darum, dass die Reise abgesagt würde.

„Im April hatten sich 75 Abgeordnete für die Reise angemeldet, darunter 25 aus Deutschland“, erzählt der Ulmer. Nach Beginn des Krieges sei die Delegation jedoch auf 18 Teilnehmer geschrumpft. Neben Joukov waren noch zwei weitere deutsche Politiker dabei. „So viel zum Thema Solidarität“, sagt er.

„Bäumepflegende Katzenfutter-Einheit“

Es gibt ein Bild von seiner Reise, das Michael Joukov so schnell nicht mehr vergessen wird: „Ganz einfach, weil ich damit nicht gerechnet habe“. Denn auf die „Spuren des Terrors“ sei der 42-Jährige vorbereitet gewesen, „nicht aber auf schwerbewaffnete Soldaten, die Pflanzen gossen und einäugige Katzen fütterten“.

In der Nähe des Gazastreifens traf die Delegation um den Ulmer Grünen-Abgeordneten auf eine Gruppe Militärs, mit Gewehren auf den Rücken und Gießkannen in den Händen. Wenn Joukov im Nachhinein von der Einheit erzählt, dann nennt er sie die „bäumepflegende Katzenfutter-Einheit“.

„Es war deren Aufgabe, in den verlassenen Dörfern, aus denen die Menschen fliehen mussten, dafür zu sorgen, dass das Land nicht wieder zur Wüste wird.“ Mit Gartengeräten und Tierfutter ausgerüstet, hätten die Soldaten in dem Kibbuz versucht, die Flora und Fauna zu erhalten. „Damit die Bewohner nach dem Krieg zurückkehren können“, erklärt der 42-Jährige.

Bevölkerung zeige Entschlossenheit

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland berichtet Michael Joukov von einer Entschlossenheit unter den Israelis. „Die Bevölkerung ist sich über alle politischen Lager hinweg einig, dass die Hamas unschädlich gemacht werden muss.“ Und sie sei auch bereit dazu, für dieses Ziel einiges zu riskieren, so der Politiker weiter.

Wenn die Hamas unschädlich gemacht worden ist, dann braucht Israel internationalen Beistand für eine dauerhafte Lösung im Gazastreifen.

Michael Joukov

Beispielhaft erzählt Joukov von einem „ziemlich reichen Israeli“, mit dem er sich in Tel Aviv unterhalten habe. Er habe sich während des 7. Oktobers in den USA aufgehalten, „flog dann aber umgehend mit seinem Privatflugzeug zurück in die Heimat, um sich der Armee anzuschließen“.

Michael Joukov fordert, dass die europäischen Staaten Israel nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten unterstützen. „Wenn die Hamas unschädlich gemacht worden ist, dann braucht Israel internationalen Beistand für eine dauerhafte Lösung im Gazastreifen.“ Solidarität werde jetzt mehr denn je benötigt.