Deutschland als Bordell Europas
Experten fordern Verschärfung des deutschen Prositutionsgesetzes
Ulm / Lesedauer: 4 min

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Hartnäckig halten sich Mythen rund um das Thema Prostitution, oft ist der rechtliche Rahmen dabei nicht klar. Dabei ist Thema Prostitution seit dem Jahr 2002 eigentlich „legal“. Doch was heißt das? Vor allem für den Kampf gegen den Menschenhandel?
Das Ulmer Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution hat zwei Experten auf diesem Gebiet zur Veranstaltung „Blaulicht im Rotlicht: Polizeilicher Handlungsspielraum im Prostitutionsmilieu“ kürzlich in die Handwerkskammer Ulm eingeladen.
Simon Häggström, Kriminalkommissar und Buchautor aus Schweden, arbeitet seit 15 Jahren an der Einführung des sogenannten Nordischen Modells und berichtete von seinen Erfahrungen und aus der Praxis. Eindrücklich schilderte er seine persönlichen Eindrücke aus Gesprächen mit den Frauen in der Prostitution. „Ich habe in meiner ganzen Zeit als Ermittler keine einzige Frau getroffen, die sich selbst als Sexarbeiterin bezeichnet hat.“
Experten sprechen von menschenverachtendem System
Prostitution mache etwas mit den Menschen und der Gesellschaft. Man könne ein menschenverachtendes System, wie das der Prostitution, nicht von der Gesellschaft abkoppeln.
„Welchen Sinn haben unsere Bemühungen zur Bekämpfung sexueller Belästigung und männlicher Gewalt zu Hause, am Arbeitsplatz oder auf der Straße, wenn es Männern gestattet wird, sich das Recht zu erkaufen, in der Prostitution dieselben Taten gegen Frauen und Kinder zu begehen?“, so Häggström weiter.
Simon HäggströmFür Menschenhändler gilt in Deutschland: höchster Profit, kein Risiko.
Das Prositutionsgesetz in Deutschland mache das Land zudem äußerst attraktiv für Menschenhändler, berichtete Häggström. „Für Menschenhändler gilt in Deutschland: höchster Profit, kein Risiko.“
Diese Beobachtung teilte auch Helmut Sporer, ehemaliger Kriminaloberrat aus Augsburg. „Deutschland wird zu Recht als das Bordell Europas bezeichnet. Die Polizei geht von 400.000 Prostituierten aus und über eine Millionen Freier pro Tag“, sagte Helmut Sporer.
Auch er habe bei seiner Tätigkeit bei der Polizei festgestellt, dass die wenigsten Frauen selbstbestimmt und freiwillig in der Prostitution arbeiten. Offizielle Schätzungen gingen davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Frauen sich nicht freiwillig prostituierten.
Experten sprechen von Anstieg der Prostitution
Zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Menschenhandels brauche es in Deutschland aber immer die Aussage des Opfers. Die Frauen seien aber in der Regel nicht in der Lage, dem psychischen Druck Stand zu halten. Die Gesetzgebung erleichtere es den Akteuren, die Frauen in der Prostitution auszubeuten und es sei nicht gelungen, Menschenhandel einzudämmen.
Helmut SporerKlar ist; Im System der Prostitution profitieren die Bordellbetreiber, Zuhälter, Menschenhändler und nicht die Frauen, die in diesem System missbraucht werden.
Das Gegenteil sei der Fall: Seit der Liberalisierung der Prostitution im Jahr 2002 käme es zu einem Anstieg der Prostituierten in Deutschland und zu einem Anstieg des Menschenhandels mit Frauen und Kindern zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung.
Mit der geplanten EU Erweiterung auf dem Westbalkan werde sich die Lage weiter verschlechtern. „Klar ist; Im System der Prostitution profitieren die Bordellbetreiber, Zuhälter, Menschenhändler und nicht die Frauen, die in diesem System missbraucht werden“, so Sporer.
Studien im Blick
Die Moderation der Veranstaltung übernahm im Anschluss die Menschenrechtsaktivistin Inge Bell, Vorsitzende von Solwodi Bayern. Sie verwies auf eine Forschungsarbeit zur rechtlichen, rechtsethischen und verfassungsrechtlichen Überprüfung der Prostitutionsgesetzgebung.
Ulrich RommelfangerDer Staat muss seiner Schutzverpflichtung nachkommen und die andauernden Rechtsverletzungen beenden.
Inge Bell zitierte daraus Elke Mack, Sozialethikerin an der Universität Erfurt und eine der Autoren: „Bei meiner Studie habe ich die größte Verletzung der Menschenwürde in Deutschland im Bereich der Prostitution identifiziert.“
Auch Ulrich Rommelfanger, ehemaliger Richter am Thüringer Verfassungsgerichtshof und Lehrbeauftragter an der Hochschule der Sächsischen Polizei komme bei der Studie zu dem Schluss: „Die Würde des Menschen wird in der Prostitution verletzt.“ Rommelfanger weiter: „Der Staat muss seiner Schutzverpflichtung nachkommen und die andauernden Rechtsverletzungen beenden.“
Das Fazit aller Experten auf dem Podium: Ein bundesweites Umdenken im Bereich der Prostitution ist längst überfällig. Man hoffe, dass die aktuelle Studie „Sexkauf — Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“ von Mack und Rommelfanger die Diskussion in Deutschland in Richtung Sexkaufverbot beschleunigen wird.
Nach zahlreichen Fragen aus dem Publikum, schloss Inge Bell die Diskussion mit einem Zitat der Überlebenden Sandra Norak „Prostitution ist Seelenmord.“