Fließband
Balkan und Beats auf dem Donaufest
Ulm / Lesedauer: 3 min

Schwäbische.de
Wie am Fließband schieben sich die die Besucher am Stand von Julia Hrushko vorbei. Die Künstlerin aus der Ukraine nimmt zum ersten Mal am Donaufest teil und ist begeistert: „Das Interesse der Gäste ist riesig und die Stimmung ist einfach fabelhaft.“ Mit farbenfroh bemalten Tassen, Tellern und Krügen hat die Keramikmalerin offenbar den Geschmack des Publikums getroffen. Und das strömt am ersten Donaufest-Wochenende in Massen an den Fluss.
Aus dem Dorf Petrykiwka stammt die volkstümliche Kunst, die vor fünf Jahren sogar in die Liste des immateriellen Kulturerbe der Unesco aufgenommen wurde. Dabei macht Hrushko aus dem Malstil kein Geheimnis, sondern will ihn sogar verbreiten: „Wir bieten täglich kostenlose Kurse für Erwachsene und Kinder an.“ Grundlegende Elemente der Petrykiwka-Malerei sollen dabei in wenigen Stunden erlernt werden. „Auch Menschen, die noch nie zuvor gemalt haben, können sich bei uns ausprobieren.“
Traditionelle Motive
Nur einen Steinwurf entfernt, auf der Bühne vor dem Edwin-Scharff-Haus, lässt das Serbische Quartett mit dem Namen Naked musikalisch die Hosen herunter. Orientiert an den traditionellen Motiven der Balkanmusik, mischen die fünf Musiker melancholische Klarinetten- und Geigensoli mit harten Bass- und Schlagzeugbeats. Die Hochgeschwindigkeitsmusik, zum Mittanzen für Mitteleuropäer fast zu schnell, quittieren die Zuschauer, es dürften mehrere Hundert sein, immer wieder mit tosenden Applaus.
Die Musik ist, neben dem kulinarischen Spezialitäten aus den Donauländern, wahrscheinlich der wichtigste Publikumsmagnet auf dem Donaufest. Das klingt oft nach Balkan-Tradition, manchmal aber nach Großstadt. Sie wie die fünf Musiker von Abop aus Zagreb, die an diesem Abend im Donausalon auf der Ulmer Seite spielen. Abop steht für Techno ohne DJ, aber mit konventionellen Instrumenten wie Schlagzeug, Gitarren und Keyboards. Damit bringen die Kroaten dem sonst oft statischen Sound einen menschlichen Klang bei. Ein Experiment, das gelingt: Schon nach wenigen Minuten strömen neugierige Zuhörern in das Zelt.
Europäische Werte verteidigen
Braver zeigt sich da die Tanztruppe Sokolovi auf der Ulmer Weindorfbühne. Die vier aus Ungarn spielen dem weintrinkenden Publikum leichte Muse zu Begleitung. Schwerere Kost dagegen bietet die Schauspielerin Katja Riemann im fast ausverkauften Stadthaus-Saal. Mit einer Lesung aus Stefan Zweigs Werk „Die Welt von Gestern – Erinnerungen eines Europäers“ mahnt der prominente Gast den Geist der Europäischen Idee an. So zeigen sich doch in Zweigs Roman Parallelen zum heutigen Europa: „Nie war Europa schöner, stärker und reicher – Erfindungen und Entdeckungen jagen einander.“ Als das Buch 1942 erschien, tobte auf dem Kontinent der Zweite Weltkrieg. Und Zweig hatte sich im brasilianischen Exil das Leben genommen. Buchhändler Thomas Mahr, Mitorganisator der Lesung, sprach jedoch von heute: „Die Werte im europäischen Haus müssen verteidigt werden, wenn Nationalisten das Fundament aushöhlen.“ So scheint es fast wie eine Demonstration für Europa, wenn Tausende Menschen (nicht nur) aus den Donauregionen nach Ulm und Neu-Ulm kommen, um miteinander zu feiern.
Unter den Feiernden gibt es derweil schon viel Nachwuchs. Deshalb haben die Organisatoren wieder ein Programm mit einem Jugendcamp, Familienkonzerten oder Kinder-Workshops organisiert. Bei einem ist die achtjährige Emila aus Blaustein eifrig dabei. Sie bemalt gerade ein Holzstück in Form eines Fisches. Das Projekt des Vereins „Kinder, Kunst, Natur und Nachhaltigkeit“ (Kikuna) soll für die Donau als Lebensraum für Fische sensibilisieren. Emilia genießt die Beschäftigung unter dem Schatten der Bäume an Jahnufer – und die ganze Veranstaltung: „Das Donaufest ist einfach cool.“