StartseiteRegionalRegion Ulm/Alb-DonauMunderkingenSo hart kämpfen diese Wirte um die Gäste ‐ und um ihre Existenz

Gastronomiebranche steht vor Problemen

So hart kämpfen diese Wirte um die Gäste ‐ und um ihre Existenz

Munderkingen / Lesedauer: 5 min

Wenn der Kuchen auch mal kiloweise im Müll landet: Branchenneulinge berichten über ihre ersten Erfahrungen. Und im neuen Jahr droht neues Unheil.
Veröffentlicht:21.11.2023, 17:20

Von:
  • Reiner Schick
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Kostensteigerung, Personalmangel, rückläufige Gästezahlen ‐ und bald auch noch die Rückkehr zur 19-prozentigen Mehrwertsteuer: Gastronomen kämpfen aktuell mit vielen Widrigkeiten. Die Munderkinger Branchenneulinge im Café und Restaurant „Melber“ erzählen, wie sie damit zurecht kommen.

Seit zehn Monaten betreibt Benedikt Schmelzer, unterstützt von seiner Frau Angelina, das Traditionscafé und Restaurant „Melber“ am Munderkinger Marktplatz. Schmelzer ist gelernter Koch, hatte während der Corona-Pandemie aber als Landschaftsgärtner gearbeitet - und dann den Schritt ins eigenständige Wirtsleben gewagt. Das Lokal liegt zentral in der Donaustadt, die stolz auf ein relativ hohes Touristenaufkommen ist. Vor allem Radfahrer auf dem Donauradweg machen Station. Und doch ist das erste Dreivierteljahr für die Melber-Betreiber ein eher holpriges.

Wir haben auch extra Kuchen besorgt und einen Großteil wegwerfen müssen. Das tat weh.

Angelina Schmelzer

„Durchwachsen“ sei es bislang gelaufen, räumen Benedikt Schmelzer (37) und seine Frau Angelina (25) unisono ein. Tage, in denen der Laden brummt, wechseln sich ab mit ruhigen Stunden. „Der Januar und der Februar waren super“, erzählen die beiden, die Fasnet wurde zum Selbstläufer. „Auch im Sommer und Frühherbst lief es ordentlich, wobei wir vor allem von den Radfahrern lebten.“

Enttäuschungen erlebte das Paar dagegen bei Spezialevents ‐ etwa an Valentinstag, Ostern oder Pfingsten. „Dabei habe ich mir wirklich tolle Menüs einfallen lassen und viel Zeit dafür investiert“, sagt Benedikt Schmelzer, der nach längerer Küchenabstinenz hoch motiviert ans Werk gegangen war. „Wir haben auch extra Kuchen besorgt und einen Großteil wegwerfen müssen. Das tat weh“, ergänzt seine Frau. An Pfingsten seien gerade mal rund 20 Gäste gekommen. „Normalerweise arbeitet man an solchen Tagen im Zwei-Schicht-Betrieb“, weiß Schmelzer.

Vor allem Produkte aus der Region werden verwendet

Vielversprechend sei das erste Grillevent gelaufen („Es kam super an“), aber beim zweiten kamen nur noch die Stammgäste. „Dabei hatten die Leute noch danach gefragt“, wunderte sich der Koch. Seine Frau fügt an: „Wir versuchen wirklich, die Wünsche unserer Gäste umzusetzen.“ Besuchermagneten wiederum seien sei das Biergartenkonzert mit Friedemann Benner Anfang August und die Weinabende mit Philipp Edel gewesen.

Mitunter haben die beiden den Eindruck, als würde das „Melber“ in Munderkingen mehr als Kneipe wahrgenommen denn als das, was es in erster Linie sein soll: ein Speiselokal mit familiärer Atmosphäre und gehobener Küche. Dabei dachte Benedikt Schmelzer, Qualität sei gefragt. „Ich koche zu 90 Prozent mit Produkten aus der Region“, betont er. „Wir brauchen kein Rind aus Argentinien, wenn es hier auch gutes Fleisch gibt.“ Ein echtes „Melber“-Wahrzeichen seien die hausgemachten Maultaschen, „mit Zutaten aus der Region und verfeinert von meinem Mann in der Küche. Das kommt an“, sagt Angelina Schmelzer.

So richtig erklären können sie sich die Zurückhaltung der Munderkinger nicht. „Es ist sicher auch eine Folge der Pandemie und der Inflation. Man merkt ja auch selber, dass man mehr aufs Geld schauen muss“, meint Benedikt Schmelzer. Umso froher sind die Schmelzers, dass sie im Gegensatz zu manch anderen Gastronomen keine Personalprobleme haben. Drei minjobbende Schüler und eine Teilzeitkraft unterstützen Angelina beim Service, sodass sich Benedikt ganz auf seinen herausfordernden Job in der Küche konzentrieren kann.

Ein Glücksfall im Personal

Als Glücksfall habe sich das Engagement von Jonas Neugebauer im Service erwiesen. Der gelernte Restaurantfachmann aus Emerkingen wurde vor einem Jahr von Rezeptsucherin Susanne Nett für die gleichnamige SWR-Sendung „Die Rezeptsucherin“ in Munderkingen sprichwörtlich aufgegabelt und überzeugte mit seinen „Dampfnudeln mit Linsen“.

Aber auch als Straßenmusiker kennt man ihn über die Donaustadt hinaus, zuletzt lief er mit seiner Gitarre beim Klimalauf der Firma Kaufmannbau in Oberstadion mit. Auch im Café „Melber“ komme er mit seiner unterhaltsamen Art gut an, sagen die Schmelzers: „Unsere Stammgäste wissen, was sie an ihm haben.“ Das gilt auch für das Wirtspaar selbst. „Jonas gehört fast schon zur Familie“, sagt Benedikt Schmelzer. „Und vor allem: Seit wir ihn haben, kann meine Frau abends daheim bleiben.“

Als Selbstständiger hat man kein festes Gehalt, und eine Goldgrube ist so ein Lokal nicht unbedingt. Immerhin haben wir zwei Kinder und ein paar Haustiere zu ernähren.

Angelina Schmelzer

Wie wichtig das ist, wird deutlich, wenn die beiden von einem Familienleben berichten, das oft zu kurz kommt. „Wir hatten gerade mal drei Wochen Urlaub“, erzählt Angelina Schmelzer. „Der war auch bitter nötig, ganz besonders für die Kinder.“ Aber auch für die Eltern. „Das Jahr war schon hart. Meine Reserven sind aufgebraucht“, sagt Benedikt Schmelzer und räumt ein: „Auch die Beziehung leidet. Man ist gereizter, und das führt leichter zu Reibereien.“ Vor allem dann, wenn auch noch Existenzsorgen im Hinterkopf schwirren.

„Als Selbstständiger hat man kein festes Gehalt, und eine Goldgrube ist so ein Lokal nicht unbedingt. Immerhin haben wir zwei Kinder und ein paar Haustiere zu ernähren“, sagt Angelina Schmelzer. Trotzdem will ihr Mann die Vorteile der Eigenständigkeit nicht vermissen: „Es hockt mir niemand im Nacken, ich bin einfach flexibler.“ Und bei allen Sorgen überwiege noch immer der Spaß am Beruf: „Sonst würden wir es nicht machen.“

Darum fürchten viele Gastronomen das Aus

Allerdings droht bereits neues Unheil: die Rückkehr zur 19-prozentigen Mehrwertsteuer. Das Ende der coronabedingten Reduzierung auf sieben Prozent im kommenden Jahr „bedeutet für ein Drittel der Gastronomen das Aus“, glaubt Benedikt Schmelzer. Und er fürchtet: „Wir werden dazugehören.“ Denn schließlich steigen nicht nur die Steuern, auch der Einkauf der Waren verteuert sich „um 20 Prozent“, schätzt Schmelzer.

Hinzu kommen höhere Personalkosten. „Wir können schon jetzt nicht mehr bezahlen als den gesetzlichen Mindestlohn, dafür dürfen unsere Mitarbeiter hier immer kostenlos essen und trinken“, sagt Benedikt Schmelzer und ist überzeugt: „Der Mindestlohn wird ebenfalls steigen.“ Man habe gar keine andere Wahl, als die Kostensteigerung auf die Preise umzulegen. „Ein Zwiebelrostbraten kostet dann 30 statt 24 Euro. Wer kann sich das noch leisten?“, fragt sich Angelina Schmelzer.

Dennoch bleiben die beiden kämpferisch ‐ und schauen lieber in die nahe statt in die fernere Zukunft. Das nächste Projekt lautet: Sonntagsbrunch im Advent. Und tatsächlich: die Resonanz ist vielversprechend. „Es gibt bereits sehr viele Reservierungen. Zwei der drei Termine sind schon fast ausgebucht“, freut sich Benedikt Schmelzer. Das klingt nach froher Botschaft in der Vorweihnachtszeit.