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Im Kampf um seine Kinder

Mann klagt gegen Polizisten und scheut dabei kein zweifelhaftes Mittel

Munderkingen / Lesedauer: 9 min

Er sieht sich als „Familien–Aktivist“: Im Kampf um seine Kinder klagt ein Ehinger Vater jetzt gegen einen Polizisten - und bringt dabei sogar den Richter zum Staunen.
Veröffentlicht:13.05.2023, 05:00

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Er verbringt mehr Zeit in Gerichtssälen als mit seinen Kindern — und das keinesfalls freiwillig: Der geschiedene Familienvater Sandro Groganz aus Ehingen sieht sich seit Jahren gezwungen, juristisch gegen einen aus seiner Sicht ungerechtfertigten „Kindesentzug“ zu kämpfen.

Online teilt er gegen den Staat aus

Dabei teilt er über ein eigenes Online–Journal mächtig gegen die Staatsobrigkeit aus: Er bezichtigt Richter der gestörten Psyche, der Nazi–Nähe und der „Perversität gegen Kinder“, schreibt von politischer Erpressung und wird deshalb vom Landtag verklagt.

Seine aktuellste Zielscheibe ist ein Munderkinger Polizist, den er vors Verwaltungsgericht zerrt, weil dieser ihm fälschlich vorgeworfen habe, seine Kinder zu schädigen. Die Verhandlung endet mit einem Paukenschlag.

Darum geht es

Dabei wird deutlich: Groganz nimmt bei der Wahl seiner Mittel keine Rücksicht auf seine Gegner und deren Persönlichkeitsrechte. „Munderkinger Polizist ... vor Gericht wegen Äußerung über Gewalt gegen Kinder“ titelt er in Großbuchstaben in seinem Online–Journal, darunter der Screenshot eines Zeitungsfotos und ein dicker Pfeil auf den darauf abgebildeten Polizisten, den er auch namentlich nennt.

Der Vorwurf des Klägers: Im Zuge eines Streits mit der Ex–Frau um die Abholung eines seiner Kinder auf dem Munderkinger Schulhof soll der Polizeibeamte gesagt haben:

„Was Sie da machen, das geht auf das Psychische mit den Kindern. Das ist wie schonmal. Das, was ich jetzt gerade gesehen habe, da haben Sie das Kind bearbeitet.“

Ein Handyvideo auf dem Schulhof gedreht — da eskaliert der Streit

Zugetragen hat sich der Vorfall bereits vor viereinhalb Jahren, am 13. September 2018. Für den Tag habe er, schildert Groganz dem Gericht, mit dem zweitältesten seiner vier Kinder vereinbart gehabt, dass er es nach dem Vormittagsunterricht von der Schule abhole.

Dort sei dann aber schon seine Ex–Frau gewesen. Sie habe sich geweigert, das Kind zu ihm zu lassen und es festgehalten. Es habe sich ein Streit entwickelt, in dessen Verlauf sich auch eine Lehrerin eingemischt habe.

„Das gefiel mir nicht“, erzählt Groganz, und um zu beweisen, dass die Lehrerin das Kind manipuliert habe, habe er ein Video von der Szene gedreht.

Polizeibeamter wird hinzugerufen

Nachdem auch die Schulleiterin dazugestoßen sei, habe man sich zur Klärung des Disputs ohne das Kind in ein Klassenzimmer begeben. Dort seien dann auch die beiden von der Schulleitung zu Hilfe gerufenen Polizeibeamten hinzugekommen.

Beim Verlassen des Gebäudes hat er dann weiter auf mich eingeredet, dabei fielen Worte wie ,psychischer Terror’.

Sandro Groganz

In dem Zimmer eskaliert der Streit, auch weil Schulleitung und Polizei fordern, das Video zu löschen. Schließlich seien Privataufnahmen auf dem Schulhof nicht erlaubt. Nachdem er das Video den Polizisten gezeigt habe, sei besagte Äußerung gefallen.

„Beim Verlassen des Gebäudes hat er dann weiter auf mich eingeredet, dabei fielen Worte wie ,psychischer Terror’“, behauptet Groganz vor Gericht.

Polizist soll angebliche Äußerung unterlassen

Er verlangt daher, dass der Polizist die angebliche Äußerung widerrufe und künftig unterlasse. Er begründet dies mit einer Wiederholungsgefahr für den Fall, dass es zu einer erneuten Begegnung zwischen ihm, seinen Kindern und dem Polizisten kommen könne.

Da sind die Grenzen fließend.

Die Richterin

Die Beweislast für die angebliche Äußerung liege beim Kläger, stellt das Gericht klar. Außerdem sei zu beurteilen, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung handle, für die ein Widerruf verlangt werden könne, oder um eine Meinungsäußerung, zu der auch ein Polizist berechtigt sei.

Allerdings unterliege er dabei dem „Sachlichkeitsgebot“, fügt die Richterin an. Auf Groganz’ Frage, wie es zu beurteilen sei, wenn die Meinung auf einer falschen Tatsachenbehauptung beruhe, antwortet die Richterin: „Da sind die Grenzen fließend.“

Psychische Gewalt? Der Polizist klagt zurück

Der Polizist wird in der Verhandlung als Zeuge gehört, weil nicht er persönlich als Beklagter gilt, sondern das Land Baden–Württemberg und das Polizeipräsidium Ulm als Institution des Landes, das vor Gericht von einer Juristin vertreten wird.

Das ist für mich psychische Gewalt ersten Ranges.

Der Polizist

Er könne sich nicht mehr an den genauen Ablauf und seine Wortwahl erinnern, erklärt der Polizist, weil der Vorfall schon so lange zurückliege. Er sei sich aber sicher, dass er das, was ihm vorgeworfen werde, nicht gesagt habe. Auch nicht sinngemäß.

Er berichtet weiter, dass er unter den Veröffentlichungen in dem Online–Journal des Klägers leide, weil er von vielen darauf angesprochen werde. „Das ist für mich psychische Gewalt ersten Ranges“, sagt er.

Der Mann lehnt alle Richter am Amtsgericht wegen Befangenheit ab 

Groganz kontert den Vorwurf mit der Bemerkung: „Und ich leide seit vier Jahren, in denen ich meine Kinder nicht mehr gesehen habe.“ Nach dem Vorfall an der Schule habe ihn das Familiengericht dazu verdonnert, dass er seine drei jüngeren Kindern — die älteste Tochter wohnt mittlerweile bei ihm — nur noch selten und dazu unter Aufsicht zweier Mitarbeiterinnen des Kinderschutzbundes sehen dürfe.

Doch nicht mal dazu komme es, weil der Kinderschutzbund den begleiteten Umgang nicht übernehmen wolle und das Familiengericht bislang keine andere Entscheidung habe fällen können.

Der Grund: Er lehne alle Richter am Amtsgericht und am Oberlandesgericht wegen Befangenheit ab, erklärt Groganz.

Er gibt dem Polizisten Mitschuld für Kindesentzug

Eine Mitschuld am aktuellen Kindesentzug gibt er dem Polizisten, der sich an einer Hetzjagd gegen „einen unbescholtenen Vater und seine Kinder“ beteiligt habe.

Ich bin nicht schuld daran, dass Sie Ihre Kinder nicht sehen dürfen.

Der Polizist

So soll der Polizist nach einer Anzeige von Groganz gegen die Oma seiner ältesten Tochter, die von ihrer Oma geschlagen worden sei, beim Familienrichter angerufen und die Aussage des Vaters als unglaubwürdig dargestellt haben.

An einen solchen Anruf erinnere er sich nicht, sagt der Polizist vor Gericht und wehrt sich vehement gegen den Vorwurf des Klägers: „Ich bin nicht schuld daran, dass Sie Ihre Kinder nicht sehen dürfen.“

Der Kläger räumt ein: "Wir skandalisieren das Unrecht"

Die Beisitzende Richterin wundert sich sowohl über die Boulevard–Schlagzeile in Groganz’ Online–Journal als auch darüber, dass er seine Klage beim Verwaltungsgericht erst zwei Jahre nach dem Vorfall in der Munderkinger Schule eingereicht habe.

Kurz zuvor war er mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Polizisten gescheitert. Groganz bestreitet einen Zusammenhang und erklärt, er habe erst später erfahren, dass er die Möglichkeit habe, auf Widerruf und Unterlassung zu klagen.

Zum Boulevard–Stil seines Journals meint Groganz, der sich darin selbst als „Familien–Aktivist“ bezeichnet: „Wir skandalisieren das Unrecht, das uns passiert, um Aufmerksamkeit zu erregen.“

Dabei stünde ihm eine andere Ausdrucksweise zu als einem staatlichen Ordnungshüter: „Ich bin da knallhart. Ich nehme mir etwas heraus, was sich ein Polizist nicht herausnehmen darf.“

So reagiert er auf einen Vergleichsvorschlag des Gerichts

Wenig begeistert zeigt sich Groganz daher über einen „Vergleichvorschlag“ des Gerichts. Da sich in der Verhandlung herausgestellt hat, dass der Polizist kurz vor seiner Pensionierung steht, sieht das Gericht die vom Kläger befürchtete „Wiederholungsgefahr“ als gering an.

Mir geht es aber darum, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Was er meinen Kindern angetan hat, muss Konsequenzen haben.

Sandro Groganz

Es schlägt daher vor, den Streit beizulegen, indem der Polizist eine Erklärung unterzeichne, wonach er in den verbleibenden 28 Diensttagen nichts Nachteiliges über den Kläger und dessen Kinder verlauten lasse. „Mir geht es aber darum, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Was er meinen Kindern angetan hat, muss Konsequenzen haben“, entgegnet Groganz.

Dennoch zeigt er sich scheinbar kompromissbereit, wenn das Land die Kosten des Verfahrens übernehme. Die Vertreterin des Polizeipräsidiums lehnt dies nach kurzer Rücksprache aber ab: „Wir können dem Vorschlag, unabhängig von der Kostenfrage, nicht zustimmen. Denn Herr Groganz wird das auf seiner Internetseite als Niederlage des Landes darstellen.“

Schulleiterin und Konrektor sagen aus

Also sieht sich das Gericht genötigt, nach schon mehr als fünfstündiger Verhandlungsdauer weiterzumachen und sowohl die Schulleiterin als auch den zweiten Konrektor zu befragen.

Beide können sich nur bruchstückhaft an den Vorfall erinnern und an eine den Kläger diffamierende Äußerung des Polizisten gar nicht. Vielmehr habe der Polizist, der an der Schule auch Gewaltprävention betreibt, bei dem Streit im Klassenzimmer deeskalierend gehandelt, beteuern beide Zeugen.

Auch die Vertreterin des Landes nimmt den Beamten in Schutz: Sollte so ein Satz gefallen sein, sei er als Meinungsäußerung zu werten und „vielleicht als emotionale Reaktion, weil ihm das Kind leidtat, das in dieser Situation zwischen den streitenden Parteien zerrieben wurde“.

Ein Beweisantrag überrascht alle

Nachdem die Kammer keinen weiteren Klärungsbedarf sieht und die Beweisaufnahme schließen will, sieht Groganz seinen großen Moment gekommen, um einen „Beweisantrag“ aus dem Hut zu zaubern:

Es gebe zu dem Vorfall in der Schule eine 36–minütige Audiodatei, in der klar hörbar sei, dass der Polizist die ihm unterstellte Äußerung gesagt habe.

Ich wollte erst die Zeugenaussagen abwarten und dann aufzeigen, wie stark sich die subjektive Wahrnehmung von der Tatsache manchmal unterscheidet.

Sandro Groganz

„Warum rücken Sie damit erst jetzt heraus?“, möchte ein sichtlich erstaunter Richter wissen. Groganz verweist auf eine elfseitige Begründung, die er zusammen mit einer URL, über welche die Datei abrufbar sei, dem Gericht übergibt.

So erklärt er sein Vorgehen

Gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ erklärt er später sein Vorgehen mit taktischen Gründen: „Ich wollte erst die Zeugenaussagen abwarten und dann aufzeigen, wie stark sich die subjektive Wahrnehmung von der Tatsache manchmal unterscheidet.“

Als das Gericht andeutet, dass es eine technische Herausforderung werden könnte, den URL–Inhalt abzurufen und man dazu die IT–Abteilung des Verwaltungsgerichts zu Rate ziehen müsse, spielt Sandro Groganz sein Spielchen weiter: Er bietet an, die Audiodatei auf CD zu brennen.

Verhandlung wird vertagt

Das Gericht willigt ein, woraufhin Groganz die URL nach eigener Aussage noch im Gerichtssaal löscht, damit die Aufnahme nicht in öffentliche Ohren gelangt.

Das Gericht vertagt die mittlerweile bis 21 Uhr fortgeschrittene Verhandlung auf einen noch unbestimmten Termin. Man müsse in Ruhe überprüfen, ob das Beweismittel verwertbar sei. Außerdem sei unklar, ob solch eine Aufnahme strafbar sei.

Doch das beunruhigt den Kläger nicht. Vielmehr fragt er das Gericht: „Soll ich dem Staatsanwalt auch eine CD machen? Wie viele brauchen Sie?“