StartseiteRegionalRegion Ulm/Alb-DonauMerklingenStuttgart 21: Auf der Albhochfläche liegt man gut in der Zeit

Albhochfläche

Stuttgart 21: Auf der Albhochfläche liegt man gut in der Zeit

Merklingen / Lesedauer: 7 min

Die Bahn kann auch pünktlich: Zwischen Ulm und Hohenstadt steht der Rohbau der Neubaustrecke kurz vor dem Abschluss
Veröffentlicht:24.10.2018, 20:51

Von:
Artikel teilen:

Sieben Jahre lang haben die Bauarbeiten bis jetzt gedauert. Sieben Minuten lang werden die Bahnreisenden bald zwischen Hohenstadt ( Landkreis Göppingen ) und Ulm unterwegs sein, wenn sie im ICE mit bis zu 250 Stundenkilometern über die Schwäbische Alb rasen. Hier, im Bereich von Albhochfläche und Albabstieg, dem östlichen Teil der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, sind die Arbeiten am Rohbau der Hochgeschwindigkeitstrasse so gut wie abgeschlossen. Noch in diesem Jahr werden erste Gleise verlegt.

„Tolle Aussicht, oder?“: Stefan Kielbassa steht über dem fertig betonierten Portal des Albabstiegstunnels bei Dornstadt (Alb-Donau-Kreis). Fünfzehn Meter weiter unten zieht sich eine breite, hellbraune Schneise durch die Landschaft. Bauarbeiter in orangefarbenen Schutzwesten sind zu sehen, ein Bagger rollt auf rasselnden Ketten umher. Den ersten Preis für Naturschönheit bekommt dieser Aussichtspunkt nicht, aber Kielbassa, 59 Jahre, Ingenieur, blickt mit offenkundiger Zufriedenheit auf die Szenerie.

Termin steht seit Anfang 2017 fest

Am 3. Dezember, erklärt der Bahn-Projektleiter für die Abschnitte Albhochfläche und Albabstieg der Neubaustrecke, ist der Stichtag. Die für Erdbau, Tunnel und Brücken zuständigen Bauarbeiter übergeben dann den fertigen Rohbau an die Kollegen vom Bahnbau. Die werden dann Gleise legen, Oberleitungen errichten, Kabel ausrollen.

„Der Termin für die Übergabe steht tagesscharf seit Anfang 2017 fest“, betont Kielbassa. Und er wird eingehalten. Das ist doch schon mal was, dafür, dass es sich hier um einen Teil des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm handelt, dessen bekannterer und umstrittenerer Teil unter dem Namen Stuttgart 21 für vieles steht, aber nicht unbedingt für Pünktlichkeit.

Allerdings: Auch die Neubaustrecke wird erst im Dezember 2022 in Betrieb gehen statt wie ursprünglich geplant im Dezember 2021. Das ist zwar noch immer früher als der Bahnknoten Stuttgart , dort ist inzwischen von einer Fertigstellung bis Ende 2025 die Rede. Verzögerungen gab es aber auch an der Neubaustrecke. „Aber nicht durch meinen Abschnitt“, stellt Kielbassa kategorisch fest.

Dazu muss man wissen: Die Bahn unterteilt die Neubaustrecke in fünf Abschnitte: Von West nach Ost sind das die Bereiche Albvorland, Albaufstieg, Albhochfläche, Albabstieg und Ulm. Die Verzögerungen ergaben sich, weil im Bereich des Albvorlandtunnels bei Kirchheim unter Teck (Landkreis Esslingen) unerwartet viele Eidechsen gefunden worden waren, die mit hohem Aufwand umgesiedelt werden mussten.

Mit Eidechsen wurden die Bahnbauer auf der Alb nicht konfrontiert, wohl aber mit dem Ameisenbläuling, einer geschützten Schmetterlingsart, die unter anderem auf dem Gelände der Rommelkaserne in Dornstadt vorkommt, in unmittelbarer Nähe zum Portal des Albabstiegstunnels. Ein paar Kilometer weiter leben auch Fledermäuse. Ameisenbläuling und Fledermaus auf der Alb haben aber nicht die gleiche Durchschlagskraft entfaltet wie die Eidechse im Albvorland. Unter Berücksichtigung einiger Auflagen, etwa die Vermeidung von Staub betreffend, konnten die Bauarbeiter weitermachen.

Steil wie die Geislinger Steige

Im Tunnelportal selbst sind die Arbeiter gerade damit beschäftigt, die letzten Bankette zu betonieren, das ist die seitliche Erhöhung neben den Gleisen, in denen später einmal sämtliche Leitungen verlaufen werden, unter anderem für Strom und Löschwasser. Bauingenieur Thomas Christoph erzählt, dass die Strecke, die bei Dornstadt im Berg verschwindet und erst direkt im Ulmer Bahnhofsgelände wieder ans Tageslicht kommt, vom Gefälle her mit der Geislinger Steige vergleichbar ist.

Das ist jener Teil der alten Strecke zwischen Ulm und Stuttgart, auf dem sich selbst ICEs quälend langsam die Alb hinauf oder hinab winden. Im Albabstiegstunnel werden sie schneller unterwegs sein. „Auf der Geislinger Steige sind die Züge wegen der Kurven langsam, nicht wegen des Gefälles“, erklärt Christoph. „Hier ist das kein Problem.“ Von Stuttgart kommend werden die Züge mit 250 Stundenkilometern im Tunnel verschwinden und knapp sechs Kilometer später, am Ende des Tunnels kurz vor dem Ulmer Bahnhof, mit 120 Stundenkilometern wieder herauskommen.

Geschäftiges Treiben herrscht auch etwa 15 Kilometer weiter östlich. Bei Merklingen (Alb-Donau-Kreis) entsteht der einzige Haltepunkt an der Neubautrasse – als Ergebnis beständigen Werbens der umliegenden Albgemeinden nachträglich in die Planungen eingefügt. Hier sind Kielbassas Leute noch bis Ende Juni kommenden Jahres mit dem Rohbau beschäftigt. Züge werden am neuen Bahnhof erst halten, wenn die gesamte Neubaustrecke zwischen Ulm und Wendlingen fertig ist.

Die Güterzuganbindung war nie dazu gedacht, dass man da viel Verkehr drüberfahren lässt

Bahnsprecher Jan Dambach

Das Problem ist ein Engpass bei Wendlingen: Bis auch das Projekt Stuttgart 21 vollendet ist, muss der gesamte Verkehr aus Stuttgart über eine wenige Hundert Meter lange eingleisige Güterzuganbindung geleitet werden, die noch dazu erst in einem Tunnel auf die Neubaustrecke überführt wird. „Die Güterzuganbindung war nie dazu gedacht, dass man da viel Verkehr drüberfahren lässt“, sagt Bahnsprecher Jan Dambach. Nun müssen die Fahrpläne für den gesamten Nah- und Fernverkehr dieses Nadelöhr berücksichtigen. Wie viele Züge ab 2022 über die Neubaustrecke rollen und welcher Takt etwa für den Bahnhalt Merklingen sich daraus ergibt, könne erst 2020 gesagt werden.

In Ulm wird es kompliziert

Für Stefan Kielbassa ist die Arbeit längst noch nicht beendet. Neben dem Bahnhalt in Merklingen muss er sich nun vor allem um die Bauarbeiten am Ulmer Bahnhof kümmern. Das ist noch einmal eine ganz andere Herausforderung als die Bauarbeiten an der bislang noch ruhig daliegenden Neubaustrecke. „In Ulm müssen wir einen bestehenden Bahnhof unter Betrieb umbauen“, sagt der Projektleiter. „Das ist wahnsinnig kompliziert.“

Um die Neubaustrecke in den Ulmer Bahnhof führen zu können, müssen die Gleise der alten Filstalbahn zeitweise verlegt werden – dafür ist ein provisorischer Tunnel entstanden. Blickt man an der Stelle, wo einmal die neuen Gleise liegen sollen, nach oben, sieht man über sich zwei weitere Brücken: Auf der einen liegen die Gleise der Brenzbahn nach Aalen, auf der anderen eine Straßenbahntrasse. In wenigen Jahren läuft der Verkehr hier kreuzungsfrei – und zwar auf drei Stockwerken.

Ulm in den nächsten beiden Wochen vom Fernverkehr abgeschnitten

Bahnreisenden in und um Ulm stehen zwei harte Wochen bevor. Vom heutigen Donnerstag an bis in die Morgenstunden des 9. November ist der Hauptbahnhof vom Fernverkehr abgeschnitten. Das liegt an Arbeiten im Zusammenhang mit der Neubaustrecke Stuttgart–Ulm. Diese mündet vor Ulm in den Albabstiegstunnel, der direkt im Gleisbereich des Ulmer Hauptbahnhofs endet.

Hier werden künftig die neuen Gleise unter den bestehenden Gleisen der Filstalbahn, also der alten Strecke zwischen Stuttgart und Ulm, verlegt. Um die Arbeiten möglich zu machen, müssen die Gleise der Filstalbahn nach Bahnangaben vorübergehend verlegt werden. Dieses Vorhaben steht nun an.

Für Reisende ergeben sich daraus folgende Einschränkungen:

Fernverkehr:

  • Die ICE-Züge zwischen Berlin und München sowie zwischen Dortmund und München werden über Aalen, Nördlingen und Augsburg umgeleitet. Die Halte in Ulm entfallen.
  • Zwischen Stuttgart und München fallen einzelne ICE-Züge aus. Die Fahrzeit der Züge verlängert sich um bis zu 60 Minuten.
  • Die IC-Züge zwischen Karlsruhe und München sowie zwischen Frankfurt und Salzburg fallen bis auf wenige Ausnahmen zwischen Stuttgart und München aus.

Filstalbahn/Südbahn:

  • Die IRE-Züge auf der Linie Stuttgart-Ulm-Lindau fahren wegen der Elektrifizierungsarbeiten auf der Südbahn zwischen Ulm und Laupheim derzeit bis Neu-Ulm.
  • Während der Bauarbeiten in Ulm fahren die Züge in Stuttgart 15 Minuten früher ab.
  • Zwischen den Bahnhöfen Neu-Ulm und Laupheim West ist bis zum 21.Dezember ein Schienenersatzverkehr eingerichtet.

Remstalbahn:

  • RE-Züge zwischen Ulm und Aalen fahren teils mit abweichenden Fahrzeiten.
  • In Richtung Aalen halten diese Züge nicht in Urbach und Waldhausen.

Murrbahn:

  • Mehrere Züge fallen montags bis freitags zwischen Stuttgart und Gaildorf West aus.