Bericht der Agentur für Arbeit
Wesentlich mehr Ausbildungsstellen als Bewerber
Ehingen / Lesedauer: 5 min

Verena Pauer
Wer sich im vergangenen Jahr auf einen Ausbildungsplatz beworben hat, hatte gute Karten ‐ zumindest rechnerisch. Denn auf 100 gemeldete Ausbildungsstellen kamen im Schnitt 61 Bewerbungen, also 1,7 Ausbildungsstellen pro Bewerbung.
„Der Ausbildungsmarkt bleibt ein Bewerbermarkt“, sagt deshalb auch Torsten Denkmann, Leiter der Agentur für Arbeit Ulm, über die Zahlen des Ausbildungsmarktes, die die Agentur für Arbeit zwischen Oktober 2022 und September 2023 erhoben hat und an der Gewerblichen Schule in Ehingen präsentiert hat. „Die Schere geht weit auf zwischen Ausbildungsstellen und Bewerbern.“ So blieben im vergangenen Jahr 16,5 Prozent der gemeldeten Ausbildungsstellen unbesetzt. Im Jahr davor waren es 13,3 Prozent.
Auch die großen Unternehmen spüren die Auswirkungen
Was vor einigen Jahren noch das Problem von kleinen Unternehmen gewesen sei, komme nun auch immer mehr bei den großen Firmen in der Region an, sagt Denkmann: Es werde immer schwerer, Ausbildungsplätze zu besetzen. 638 Ausbildungsstellen blieben in diesem Jahr unbesetzt ‐ 17,5 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Jedoch habe nicht nur die Menge der Bewerbungen nachgelassen, sondern auch die Qualität.

Das Problem sei flächendeckend geworden. Besonders bei Ausbildungsstellen auf dem Bau sei das zu sehen. Im Tiefbau kann sich jeder Bewerber zwischen 13 Stellen entscheiden, im Hochbau sind es hingegen „nur“ neun Stellen pro Bewerberin. Jedoch auch beim Verkauf von Lebensmitteln, im IT-Bereich und im Handel gibt es die meisten unbesetzten Stellen pro Bewerbung.
Besonders die Baubranche findet immer weniger Azubis
Allgemein spitze sich die Situation für viele Ausbildungsbetriebe immer weiter zu. Weniger Azubis bedeutet schließlich auch: weniger Fachkräfte. Es seien jedoch die Berufe mit eher schlechterem Ruf, die verhältnismäßig viele freie Stellen vorweisen würden. Das Baugewerbe habe nun einmal mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass es schwere Arbeit sei, die draußen stattfindet, sagt Denkmann ‐ auch wenn die Verhältnisse auf den Baustellen nicht mehr so seien wie noch vor einigen Jahren.
Das Handwerk habe allgemein Probleme, Nachwuchs zu finden, sagt auch der Schulleiter der Gewerblichen Schule, Jochen Münz: „Besonders im Bau ist es so, dass wir einfach nicht wissen, wer in Zukunft die Häuser bauen soll.“
Bei einigen Ausbildungsstellen gibt es mehr Konkurrenz
Wer sich hingegen für Berufe wie Tierpflege, Technische Mediengestaltung, Verkauf von Bekleidung, Elektronik oder Autos entscheidet, in die Innenarchitektur oder in den Bereich der Körperpflege geht, muss sich für einen Ausbildungsplatz gegen mehr Konkurrenz durchsetzen.
Im Bereich der Ulmer Agentur für Arbeit kamen im vergangenen Jahr 14 Bewerbungen auf drei Stellen im Bereich der Tierpflege, 35 junge Leute bewarben sich auf zehn Ausbildungsstellen im Bereich Technische Mediengestaltung. „Nur weil ich einen Bewerbermarkt habe, heißt das nicht, dass ich definitiv eine Ausbildungsstelle kriege“, sagt Denkmann. Wichtig sei es deshalb auch, einen Plan B zu haben.
Beliebt sind seit einigen Jahren bei den Bewerbern vor allem der Kfz-Mechatroniker und der Industriemechaniker, ebenso wie der Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Bei den Bewerberinnen sind es Berufe wie der der Medizinischen Fachangestellten, der Kauffrau für Büromanagement und der Industriekauffrau.
Berufsberatung soll die Jugendlichen unterstützen
Die Agentur für Arbeit setzt nun bereits seit einigen Jahren auf Berufsberatung vor Ort an allen regionalen Schulen in ihrem Gebiet. So sollen die Jugendlichen darin unterstützt werden, ihren Weg bis zum Ende der Ausbildung zu gehen. Frank Groll ist Berufsberater an der Gewerblichen Schule, aber auch an der Magdalena-Neff-Schule, und erklärt seine Aufgabe so: „Es geht um einen funktionierenden Übergang zwischen Schule und Beruf. Und mein Job ist es, die Jugendlichen abzuholen und zu begleiten.“
Bei der Berufsberatung gehe es darum, die Neigungen und Eignungen der Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen und zu schauen, auf welchen Beruf sie passen könnten. Die Ziele seien deshalb nicht nur steigende Zahlen bei den Ausbildungsverträgen sondern auch eine abgeschlossene Ausbildung.
Einige der Jugendlichen gehen ohne Ausbildung in einen Beruf
54 Prozent der von den Berufsberatern betreuten Jugendlichen sind im vergangenen Jahr in eine Ausbildung gegangen ‐ viele gehen weiter zur Schule, einige studieren oder machen ein Soziales Jahr. Bei etwa zehn Prozent kam keine Rückmeldung mehr, die Agentur für Arbeit weiß nicht, was genau sie jetzt machen.
Sechs Prozent haben sich nach der Schule für eine Erwerbstätigkeit entschieden, also ohne Ausbildung angefangen zu arbeiten. Auch wenn es sehr verlockend sei, direkt nach der Schule Geld zu verdienen, betont Agenturleiter Denkmann, wie wichtig eine abgeschlossene Ausbildung seiner Meinung nach ist: „75 Prozent derjenigen, die beim Jobcenter sitzen, haben keine Ausbildung.“
Besonders im ersten Lehrjahr brechen einige ihre Ausbildung ab
Etwa 30 Prozent der Auszubildenden in Deutschland brechen ihre Ausbildung wieder ab ‐ besonders im ersten Lehrjahr. Das liege unter anderem daran, dass Betriebe aus Bewerbermangel junge Leute einstellen würden, die die „Ausbildungsreife noch nicht erreicht haben“, wie Münz sagt. Auch die Jugendlichen selbst würden zum Teil zu Beginn der Ausbildung feststellen, dass der Beruf ganz anders ist als gedacht.
„Die Anzahl der Bewerbungen geht zurück“, zieht Denkmann ein Fazit aus den Zahlen. Waren es im vergangenen Jahr noch 2500 Bewerbungen, so sind es in diesem Jahr knapp mehr als 2300. Vor zehn Jahren waren es noch 500 Bewerbungen mehr. „Wir müssen den Ausbildungsmarkt aktiv bewerben“, sagt er deshalb. „Das ist kein Selbstläufer mehr wie früher.“