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Energiewende

Warum Wasserkraft die Energie der Zukunft liefern kann

Ehingen / Lesedauer: 6 min

Strom aus unseren Flüssen wird immer mehr zum Thema. Zwei Betreiber erklären die immensen Vorteile dieser Art der Energiegewinnung.
Veröffentlicht:08.04.2023, 05:00

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  • Schwäbische.de
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Strom aus Wasserkraft — darüber haben sich die CDU–Landtagsabgeordneten Manuel Hagel und Raimund Haser in der Region informiert. Dass die Wasserkraft Chancen bietet, haben sowohl Peter Guggemos von der Ehinger Energie, als auch die Betreiber des Wasserkraftwerks in Rechtenstein deutlich gemacht.

Die Donau rauscht

Die Donau rauscht unaufhaltsam durch das Wasserkraftwerk im beschaulichen Rechtenstein. Bereits in dritter Generation wird das dortige Wasserkraftwerk betrieben, seit dem Jahr 2018 heißt es Reitter Wasserkraftanlagen GmbH Co. KG. Die Geschäftsführer sind Elmar Reitter, seine Tochter Marion Zitterell und ihr Mann Thorsten Zitterell.

Manuel Hagel und Raimund Haser, Energieexperte der CDU–Landtagsfraktion, stehen auf dem Kraftwerk. Der Wind weht und das Wasser produziert über die Turbinen des Kraftwerkes Strom.

„Wir sind überzeugt davon, dass Wasserkraft Zukunft hat. Wir sind ein sehr innovationsbereites Unternehmen und verwalten insgesamt 21 Wasserkraftwerke in Baden–Württemberg, Bayern und Südtirol“, erklärt Thorsten Zitterell dem hohen politischen Besuch in der 310–Seelen–Gemeinde Rechtenstein, die auch als Juwel des Alb–Donau–Kreis bezeichnet wird. Glasfaser ist dort, in der Cybercity Rechtenstein, bereits am jedem Haus. Man denkt also an die technische, aber auch ökologische Zukunft in dem Felsendorf.

Eine lange Tradition

Die Wasserkraft hat in Rechtenstein indes eine lange Tradition. So gab die Donau bereits im Mittelalter an der Stelle des heutigen Kraftwerks der Mühle der Herrschaft von Stein den nötigen Antrieb. Drei der vier Turbinen zur Stromgewinnung wurden vor fast 120 Jahren — anno 1903 — in Betrieb genommen, um die damalige Holzstofffabrik Kraemer mit Strom zu versorgen.

Mittlerweile ist die Holzstofffabrik seit 1995 Geschichte, es arbeiten vier Personen in der Schlosserei, fünf in der Verwaltung. Hinzu kommen Teilzeitkräfte und mehr als 20 geringfügig Beschäftigte, die sich quasi als Wärter um die vielen Kraftwerke kümmern.

„Wasserkraft ist zu einer wichtigen Säule der Energiegewinnung geworden. Die Wasserkraft macht hier mittlerweile 25 Prozent des Anteils der erneuerbaren Energien aus“, sagt Zitterell und betont:„Und die Wasserkraft ist unabhängig von der Halbleitertechnik aus Fernost.“ Dabei betreibt die Reitter GmbH Kleinstanlagen, die unter 100 Kilowattstunden produzieren, aber auch große Anlagen, wie eben jene in Rechtenstein an der Donau.

Nicht witterungsabhängig

Da die Windkraft und Solarenergie witterungsabhängig sind, fließt hingegen unabhängig von der Witterung das Wasser der Donau unaufhörlich durch das Flussbett. Schwankende Peaks und Leistungseinbrüche gibt es beim Wasser im Normalfall nicht. Die Energie aus kleinen Wasserkraftanlagen geht ins lokale Netz.

Die 300 Kilowatt starke Anlage in Rechtenstein mit einem jährlichen Ausstoß von rund 1,8 Millionen Kilowattstunden versorge beispielsweise alle Haushalte in Rechtenstein und Lauterach mit Strom. Saubere Energie direkt aus der Nachbarschaft also.

Das sieht auch Experte Martin Renn so, der nicht nur Mitarbeiter bei den Wasserkraftwerken von Reitter ist, sondern auch im Vorstand des Wasserkraftverbands in Baden–Württemberg sitzt. Auch als passionierter Angler sieht er die Wasserkraftwerke landauf landab nicht als „Schuldige“ für die Tatsache, dass es weniger Fische gibt.

Und die Zahlen beweisen das. Zwischen 1900 und 1950 gab es rund 600.000 Wasserkraftanlagen und der Fischbestand war überwiegend gut. Heute sind es nur noch rund 25.000 Anlagen und der Fischbestand nimmt ab.

Mehr Energiegewinnung

„Es gibt 1700 Wasserkraftwerke in Baden–Württemberg, 8000 in ganz Deutschland. 65 Prozent der Wasserkraft kommt aus dem Süden“, erklärt Renn, der seit 16 Jahren bei Reitter arbeitet. Renn macht beim Besuch der Politiker auch deutlich, dass eine Erhöhung des Kraftwerks in Rechtenstein um 40 Zentimeter technisch problemlos wäre und eine Steigerung von zehn Prozent in Sachen Energiegewinnung bedeuten würde. Allein die Gesetzesvorgaben würden dies aktuell verhindern.

In Ehingen sorgt die Ehinger Energie mit ihrem kleinen Wasserkraftwerk an der Schmiech zum einen für Tradition, zum anderen aber auch für Stromerzeugung. „Die Wasserkraft in Ehingen ist mittlerweile aber eher ein Hobby. Wir produzieren 30 Kilowattstunden. Das ist relativ unwirtschaftlich“, sagt Geschäftsführer Peter Guggemos.

Die Ursprünge der Ehinger Energieversorgung liegt aber in der Wasserkraft aus dem Jahre 1898, als das Unternehmen den ersten Strom–Konzessionsvertrag bekommen hat. Damals, vor weit mehr als 100 Jahren, wurden in Ehingen die Wege ins Wirtshaus und zur Kirche beleuchtet.

4,7 Millionen Kilowattstunden

Mittlerweile beschäftigt die Ehinger Energie 37 Mitarbeiter, ist seit 120 Jahren in Familienhand und spaltet sich in die drei Unternehmen Ehinger Energie, Ehinger Energie Strombetrieb und Ehinger Energie Stromversorgung auf. Neben dem hauseigenen Wasserkraftwerk der Heckenmühle betreibt die Ehinger Energie zwei weitaus stärkere Wasserkraftwerke in Hiltensweiler und Hermaringen mit je rund 400 Kilowatt Nennleistung.

Insgesamt erzeugen die Wasserkraftwerke der Ehinger Energie rund 4,7 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Für Peter Guggemos trägt die Wasserkraft seit vielen Jahrzehnten bereits zu einer „sicheren, wirtschaftlichen und nachhaltigen Stromerzeugung“ bei. Die Wasserkraft, so Guggemos, erzeuge rund ein Drittel des erneuerbaren Stroms in Europa. „Dennoch bekommen wir immer höhere Auflagen wie Durchgängigkeit, Monitoring und das Thema Restwasser“, ärgert sich Guggemos.

Teurer Netzausbau

Allgemein — und das ärgert den Geschäftsführer kolossal — müsse in Deutschland endlich eine vorausschauende Netzplanung gemacht werden. Denn die Integration des produzierten Stroms aus den Anlagen der erneuerbaren Energien, werde immer schwieriger. „Wir können derzeit auch nur noch dort, wo es brennt, bauen, in der Hoffnung, dass am Ende alles wieder zusammenpasst. Wir bauen das Stromnetz quasi neu“, sagt Guggemos.

Dabei müssen veraltete Kabel durch neue Kabel mit größerem Querschnitt ersetzt werden, neue Trafostationen und neue Einspeise– und Übergabepunkte werden nötig. So hat die Ehinger Energie im Jahr 2020 noch 800.000 Euro in das Stromnetz investiert, im laufenden Jahr sind bereits 1,6 Millionen Euro nötig — Tendenz steigend. „Da kommen immense Kosten auf uns alle zu“, sagt Guggemos, der aktuell rund 10.500 Stromkunden hat.

Angst macht Guggemos beispielsweise das Nord–Süd–Gefälle beim Strom, das durch die vielen Windräder im Norden natürlich immer eklatanter wird. „Und dann kommt noch die experimentelle Gesetzgebung dazu. Wir Anbieter werden ständig in ein Feuer geworfen“, so Guggemos, der sich in Sachen Strompreisbremse für ein Transfersystem ausspricht, bei dem das Geld direkt vom Staat an den Endkunden geht und nicht über die Stromanbieter muss.