Rückzieher vor Gericht
„Weiß nicht, was das Problem ist“: Richter ist verwundert über Forderung
Tuttlingen / Lesedauer: 3 min

Lisa Klebaum
Es ist das Jahr 2015. Immer mehr Menschen flüchten nach Deutschland. Es werden Unterkünfte gebaut und händeringend Sicherheitspersonal gesucht.
So auch bei einem Inhaber einer Sicherheitsfirma in Tuttlingen, der nun vor dem Landgericht Rottweil steht. Denn 18 der Mitarbeiter meldete er damals nicht sozialversicherungspflichtig an.
Angeklagter stand bereits vor Gericht
Vom Tuttlinger Amtsgericht wurde er deshalb bereits zu einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Dagegen ging der Mann allerdings in Berufung. „Ich weiß jetzt nur nicht genau, was das Problem ist“, bemerkt Richter Thomas Geiger. Immerhin sei die Strafe sehr milde und am unteren Rahmen des Möglichen.
Urteil könnte Aus für Firma bedeuten
„Das Problem ist, dass man mit solch einem Urteil die Zukunft meines Mandanten verbaut“, wirft sein Rechtsanwalt Christos Perperidis ein. Denn: Eine Bewährungsstrafe von fünf Monaten bedeutet auch einen Eintrag ins Führungszeugnis. Dort werden Freiheitsstrafen von mehr als drei Monaten oder Geldstrafen von 91 oder mehr Tagessätzen aufgenommen.
„Und damit darf er keine Sicherheitsfirma mehr leiten“, so der Rechtsanwalt. Deshalb fordert er eine Verkürzung auf drei Monate oder gleich eine Einstellung des Verfahrens.
Geschichte beginnt vor vielen Jahren
Doch was war passiert? 2015 und 2016 wurden bundesweit zahlreiche Flüchtlingsunterkünfte gebaut — auch in Villingen–Schwenningen und Donaueschingen kamen in den bedarfsorientierten Flüchtlingsunterkünften jeden Tag weitere Asylsuchende an.
Richter Thomas GeigerEs waren rund 18 Mitarbeiter, die dann zwar arbeiteten, für die allerdings keine Sozialversicherungsbeträge gezahlt wurden.
Um diese zu bewachen und zu beschützen, heuerte das zuständige Regierungspräsidium Sicherheitsfirmen an — so auch die des Angeklagten. Schnellstmöglich versuchte er, an weitere Mitarbeiter zu kommen, denn seine Firma hatte zu diesem Zeitpunkt nicht genügend Sicherheitspersonal, um diese Anfrage übernehmen zu können.
„Es waren rund 18 Mitarbeiter, die dann zwar arbeiteten, für die allerdings keine Sozialversicherungsbeträge gezahlt wurden“, fasst der Richter zusammen. Der Schaden für die Krankenkassen: Rund 50.300 Euro.
Aufgeflogen war das ganze nur durch Zufall: Im Januar 2016 warfen Unbekannte eine Handgranate auf das Gelände eines Flüchtlingsheims mit 170 Bewohnern in Villingen–Schwenningen. Sie war scharf, explodierte jedoch nicht. Im Zuge dessen wurden verschiedene Sicherheitsunternehmen genauer unter die Lupe genommen, darunter auch das des Angeklagten.
Richter sieht Strafe eher zu mild
Die 50.300 Euro hat der Tuttlinger mittlerweile zurückgezahlt. „Außerdem liegt das ganze mehr als acht Jahre zurück. Wenn man bedenkt, dass mein Mandant seine Firma verlieren könnte, dann könnte man doch eine Ausnahme machen“, so Perperidis.
Richter Thomas GeigerWenn Sie mit der Forderung weiter zum Oberlandesgericht gehen, werden die sich eher darüber wundern, weshalb die Strafe so mild ausgefallen ist
Doch Ausnahmen gibt es vor Gericht nicht. Im Gegenteil: „Wir haben uns auf eine Verständigung geeinigt, bei der Sie mitgewirkt haben. Der Strafrahmen dafür lag zwischen vier und sechs Monaten. Das Ganze jetzt anzufechten, finde ich sehr seltsam“, wirft die Staatsanwaltschaft ein.
Damals hatte die Rechtsanwaltschaft angeblich die falsche Info bekommen, so Perperidis. Ihnen sei gesagt worden, dass man mit fünf Monaten Bewährungsstrafe den Gewerbeschein behalten darf.
„Ich kann Ihnen — ehrlich gesagt — wenig Hoffnung machen. Wenn Sie mit der Forderung weiter zum Oberlandesgericht gehen, werden die sich eher darüber wundern, weshalb die Strafe so mild ausgefallen ist“, befürchtet der Richter.
„In dem Fall nehmen wir die Berufung zurück“, sagt Perperidis nach kurzer Beratung mit seinem Mandanten. Die Bewährungszeit ist auf zwei Jahre festgelegt. Eine Geldauflage wurde nicht auferlegt.