Bei Anruf Betrug
Polizei gibt Tipps: So schützen Sie sich vor Telefonbetrügern
Landkreis Tuttlingen / Lesedauer: 6 min

Simon Schneider
Auch im Landkreis Tuttlingen werden ältere Menschen immer häufiger Opfer von dreisten und skrupellosen Telefonbetrügern. Schwäbische.de hat sich mit dem Leiter des Referats Prävention bei der Polizei, Michael Ilg, über das Thema unterhalten.
Herr Ilg, wie häufig hat das Polizeipräsidium Konstanz mit Betrugsmaschen am Telefon zu tun?
Wir haben in unserem Zuständigkeitsgebiet im vergangenen Jahr mehr als 50 angezeigte Straftaten von solchen Betrugsmaschen registriert. Dabei geht es um eine Geldsumme von mehr als 1,5 Millionen Euro. Und auch in diesem Jahr wird die Polizei nahezu wöchentlich damit konfrontiert. Der Landkreis Tuttlingen bleibt davon nicht verschont.
Wie kommen die Betrüger an die Telefonnummern?
Die Täter schauen in den Telefonbüchern nach kurzen Nummern, also Telefonnummern mit drei oder vier Stellen. Da solche Nummern früher vergeben wurden, vermuten sie, dass sich dahinter eine ältere Person verbirgt. Oder sie schauen auch auf Vornamen, die typisch sind für Personen, die jetzt im Seniorenalter sind.
Wie gehen die Täter bei einem Anruf vor?
Wir beobachten verschiedene Maschen. Derzeit taucht aber eine Variante häufig auf. Der Betrüger gibt sich als Staatsanwalt aus und teilt dem Angerufenen mit, dass deren Enkel, Tochter oder Sohn einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hat, bei dem eine schwangere Frau zu Tode kam.
Um die Inhaftierung des Verwandten abzuwenden, soll eine Kaution bezahlt werden. Diese wird in der Regel im höheren fünfstelligen Bereich angesetzt. Der Übergabeort ist dann oft vor einem öffentlichen Gebäude, wie vor einem Amtsgericht. Das soll die Glaubwürdigkeit des Anrufers steigern.
Welche Masche häuft sich noch?
Es ruft ein angeblicher Kriminalbeamter an und teilt mit, dass eine Einbrecherbande im jeweiligen Wohnort unterwegs ist. Bei einem der geschnappten Einbrecher sei eine Liste mit Adressen sichergestellt worden, in die eingebrochen werden soll. Und auf der Liste steht ausgerechnet die Adresse des Opfers.
Da die anderen Bandenmitglieder angeblich flüchtig sind, bietet der scheinbare Polizist an, das Geld, die Wertgegenstände oder wertvollen Schmuck sicher aufzubewahren, bis die Bande geschnappt wurde. Auch so kommt eine Geldübergabe beziehungsweise die Übergabe von Schmuck oder Wertgegenständen zustande.
Aber auch der typische Enkeltrick ist eine Masche, bei der sich der Anrufer als Enkel des Opfers ausgibt und eine finanzielle Notlage, bedingt durch eine größere Anschaffung oder einen verursachten Verkehrsunfall, vortäuscht.
Warum gehen die Betrüger gerade mit solchen Geschichten zu Werk?
Durch die vorgetäuschten Geschichten gelingt es den Tätern, bei den Opfern eine hochemotionale Situation zu schaffen. Sie bauen dadurch bewusst enormen Druck auf und halten ihre Opfer oft über Stunden am Telefon.
Oftmals werden auch Hintergrundgeräusche von einer weinenden Frau oder fingierten Funkgesprächen eingespielt, damit es sich täuschend echt und glaubwürdig anhört.
Die Täter nutzen zudem das Vertrauen aus, das gerade die Seniorinnen und Senioren in die Polizei oder Justiz haben und bringen deshalb bei ihrem Anruf gerne den Staatsanwalt oder den Polizeibeamten ins Spiel. Die Täter gehen rhetorisch sehr geschliffen vor und sprechen in der Regel akzentfreies Hochdeutsch.
Wo sitzen die Betrüger?
Die Anrufer beziehungsweise Hintermänner sitzen häufig in Osteuropa oder in der Türkei in großen Call-Centern. Die Personen, die vor Ort das Geld der Opfer abholen, sind mehr oder weniger deren Werkzeuge oder Erfüllungsgehilfen und bekommen einen Teil des ergaunerten Geldes. Alles in allem kann man feststellen, dass in diesem Deliktsbereich organisierte Strukturen im Hintergrund vorhanden sind.
Wie hoch ist die Aufklärungsquote?
Der Polizei gelingt es durchaus, den ein oder anderen Abholer festzunehmen. Es gibt auch erfolgreiche Festnahmen von Hinterleuten. Aber grundsätzlich ist es schwierig, diese ausfindig zu machen, zumal sie mit unterdrückter oder gefälschter Nummer anrufen.
Es ist technisch kein Problem für die Betrüger, die Telefonnummern zu fälschen, sodass eine Tuttlinger Vorwahl oder die 110 auf dem Display des Angerufenen erscheint, der Anruf aber in Wirklichkeit aus dem Ausland oder mit einem Handy erfolgt. Diese Vorgehensweise wird als Call-id-Spoofing bezeichnet.
Wir versuchen auch aus gescheiterten Versuchen, Erkenntnisse zu gewinnen, die für andere Verfahren wichtig sind, wie beispielsweise Angaben zu Kennzeichen oder Personenbeschreibungen. Auch wenn man einen Betrugsversuch erfolgreich abgewendet hat, sollte die Polizei verständigt werden, da dies zur Aufklärung von anderen Fällen nützlich sein könnte. Außerdem ist auch ein versuchter Betrug eine Straftat.
Wie können sich die Seniorinnen und Senioren gegen solche Betrugsmaschen schützen?
Die Telefonate sollten sofort beendet werden. Keinesfalls sollte man am Telefon gegenüber fremden Anrufern Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen machen. Danach sollte man selbst mit dem Sohn oder Tochter Kontakt aufnehmen. Nach solch einem verdächtigen Anruf sollten die Betroffenen sofort die Polizei verständigen.
Es ist aber auch wichtig, dass die Kinder und Enkel solche Betrugsmaschen mit ihren Omas und Opas besprechen und ihnen klar in einem persönlichen Gespräch sagen, dass sie nie nach Geld oder ähnlichem am Telefon verlangen. Es ist sicherlich auch sinnvoll, die eigenen Einträge in den Telefonbüchern löschen zu lassen, damit die Betrüger erst gar nicht an die entsprechende Nummer kommen. Das gilt auch für die Online-Telefonbücher. Oft sind Telefonbucheinträge für ältere Personen entbehrlich.
Wie sensibilisiert die Polizei bei diesem Thema?
Wir versuchen mit möglichst vielen Zielgruppen, die Kontakt zu älteren Menschen haben, zu arbeiten und diese über die Vorgehensweisen der Betrüger zu informieren. Dazu zählen beispielsweise Bankangestellte, auch Mitarbeitende in Pflegediensten, Taxifahrer, aber auch Frisöre, die häufig für ältere Personen eine Art Vertrauensperson darstellen.
Wir arbeiten auch mit der Zielgruppe der Senioren selbst, da wir bei zahlreichen Seniorennachmittagen Vorträge zu diesem Thema halten. Wenn wir eine starke Häufung von Anrufen in einer bestimmten Region bemerken, geben wir über Radiosender in unserem Zuständigkeitsbereich Warnmeldungen, analog der Verkehrswarnfunkmeldungen heraus, um die Bevölkerung vor den Telefonbetrügern zu warnen.
Weitere Tipps und Infos zu den Betrugsfällen gibt es hier.
Am Dienstag, 21. November, um 14 Uhr veranstaltet das Polizeipräsidium Konstanz in Kooperation mit dem Kreisseniorenrat in der Stadthalle Tuttlingen eine Theaterveranstaltung mit der Theatergruppe „Die Theaterexperten“ aus dem Landkreis Ludwigsburg.
Unter dem Motto „Hallo Oma, ich brauch Geld“ erleben die Zuschauer kurze Szenen, die den aktuell gängigen Betrugsmaschen nachempfunden sind und erfahren hautnah, wie die Betrüger bei ihren Telefonanrufen vorgehen. Während und zwischen den gespielten Szenen wird auf der Theaterbühne ein polizeilicher Präventionsexperte zu Wort kommen, der zusätzliche Informationen und passende Vorbeugungstipps für das Theaterpublikum parat hat. Der Eintritt zur Veranstaltung und die Verpflegung ist kostenlos. Eine Voranmeldung ist nicht nötig.