Kaum zu glauben
Wohnungsentrümplung: Über eine halbe Million Euro und mehrere Tonnen Kot
Tuttlingen / Lesedauer: 6 min

Matthias Jansen
Stolze 135.000 Euro waren Goldmünzen und -barren wert, die ein 29–Jähriger vor vier Wochen beim Entrümpeln einer Wohnung in Heidelberg gefunden hatte.
Eine Summe, die Arthur Hipp wenig beeindruckt. Der Tuttlinger hat in 30 Jahren als Entrümpler Geld und Schmuck gefunden, die mehr als viermal so viel wert waren. Er und andere Unternehmer aus Spaichingen und Trossingen berichten.
An ein Ereignis erinnert sich Hipp besonders gut. Ein befreundeter Anwalt hatte ihn angerufen. Eine betagte Mandantin war plötzlich gestorben, hatte in den Tagen zuvor aber noch viel Geld bei der Bank abgehoben. „Du musst mir helfen, das Geld zu finden“, hatte der Jurist gebeten, damit er den Erben den Vermögenswert auch übergeben könne. Er selbst habe das Haus schon zweimal komplett abgesucht.
Geld unter dem Kopfkissen?
Hipp willigte ein und machte sich auf die Suche. „In der Küche, im Schlafzimmer, im Schrank zwischen der Bettwäsche. Es gibt so Stellen, wo man immer wieder fündig wird. Meist ist es dort, wo sich die Menschen auch oft aufhalten“, sagt Hipp.
Arthur HippManche denken, ich sei verrückt, weil ich das alles zurückgebe.
Die ältere Frau habe zuletzt oft im Wohnzimmer neben einem Schränkchen gesessen und gestrickt, vermutete er damals. „Unter dem Schränkchen stand ein Blecheimer, zugedeckt mit schmutzigen Lappen. Das wollte anscheinend keiner anfassen“, erinnert sich Hipp, der sich 2005 mit dem Dienstleistungszentrum Tuttlingen (DLZ) selbstständig gemacht hatte. Er habe die dreckigen Tücher weggezogen und: „Da waren 60.000 Euro drin.“
Angehörige müssen markieren, was sie behalten wollen
Insgesamt, so schätzt Hipp, dürften es Werte von fast 600.000 Euro gewesen sein, die er im Laufe der Jahre gefunden hat. Behalten hat er nichts.
„Manche denken, ich sei verrückt, weil ich das alles zurückgebe“, meint Hipp. Schließlich könne er sich eigentlich auf die vorherige Absprache mit dem Auftraggeber — neben Privatpersonen sind es auch Makler, Betreuungsvereine oder Firmen — zurückziehen.

„Wenn ich in Gebäude gehe, heißt es eigentlich: Feuer frei“, sagt Hipp. Alles, was nicht zur Übernahme durch die Familie gekennzeichnet ist, darf er behalten — oder es kommt in den Müll.
Battal TütünekenIch bin immer dafür, dass die Angehörigen soviel mitnehmen, wie es geht.
Genauso verfahren auch Battal Tütüneken von Ruck+Zuck Dienstleistungen aus Trossingen und das Spaichinger Unternehmen R+M Dienstleistungen. „Ich bin immer dafür, dass die Angehörigen soviel mitnehmen, wie es geht“, erklärt Tütüneken.
Die Bereitschaft dazu werde aber geringer, meint Marianne Boros von R+M Dienstleistungen. Die Angehörigen hätten oft selbst genug in ihren Wohnungen, würden eher nach den lukrativen Dingen schauen. „Oft schauen die Erben schon gut durch. Die Leute sind mittlerweile aufgeklärt. Die schauen ins Internet und wissen, was wertvoll ist“, meint sie.
Für manches — wie Biedermeier–Möbel — hätten sie aber keinen Sinn, dabei sei es eigentlich zu schade, diese Gegenstände wegzuwerfen. „Das sind tolle Sachen. Aber wenn es keinen interessiert ...“, meint Boros. Ihr Unternehmen, erzählt sie, habe einen Fund wie die Goldbarren noch nicht gemacht. Schmuck sei schon mal dabei gewesen. Auch alte Autos, die man für einen symbolischen Preis weitergegeben habe.
Ein Hohner-Aschenbecher fürs Museum
Battal Tütüneken sind in Trossingen zwei Funde in Erinnerung geblieben. Bei einer Entrümpelung in einer Gaststätte fiel ihm ein Aschenbecher auf. „Der war von der Firma Hohner. Ich habe gesagt: Der gehört doch ins Museum.“ Auch vom zweiten Fund profitierte das hiesige Museum.
„Da habe ich Gänsehaut bekommen“, berichtet der Trossinger. Nachdem er einen Umschlag gefunden hatte, verständigte er den Leiter des heutigen Auberlehauses. „Er hat sich so sehr gefreut. Die Unterlagen hatte er damals für eine Ausstellung verliehen und danach nicht mehr zurückbekommen“, sagt Tütüneken.
Auch er gibt Geld oder Schmuck an die Angehörigen zurück. „Es funktioniert in dem Job nur, wenn man ehrlich ist“, sagt er. 300 Euro, die er mal fand, durfte er behalten. Eine Ausnahme — Dankbarkeit von den Erben gebe es sehr selten, betonen die drei Entrümpler.
Persönliches wird wertvoll, wenn der Container droht
Anders sei es, sagt Hipp, wenn es sich um persönliche Sachen handelt. Während der Entrümpelung habe er immer einen Karton dabei. Wenn er Bilder, Briefe oder andere Schriftstücke in die Hände bekommt, bewahrt er sie darin auf. Diese Aufmerksamkeit würden die Angehörigen dann schon wertschätzen. Bei Möbeln, Kleidung oder Geschirr wären vor allem ältere Menschen froh, wenn es noch eine weitere Verwendung gibt.
„Das haben sie sich oft hart erspart und sind froh, wenn es nicht weggeschmissen wird“, so Hipp. Oft haben Entrümpler selbst ein Lager oder sie geben die Gegenstände an gemeinnützige Initiativen wie Caritas, DRK oder Lebenshilfe weiter. „Die Müllberge sind in Deutschland schon hoch genug“, sagt Tütüneken, stellt aber klar: „Wir sind kein Möbel-An- und -verkauf.“
Ein Haus voll mit 22 Tonnen Ekel
Die Arbeit als Entrümpler ist nicht nur körperlich anstrengend. Auch mental wird den Mitarbeitern viel abverlangt. An einen Auftrag erinnert sich Hipp noch, weil er besonders eklig und zugleich sehr traurig war.
Bei einem alten Mann, dessen Wohnung er nach seinem Tod ausräumte, war die Toilette offenbar jahrelang defekt gewesen. Um die Reparatur hatte sich niemand gekümmert, um den Mann auch nicht. „Der wurde jahrelang vergessen“, sagt Hipp. Ohne Toilette hatte er sein Geschäft in den Räumen des Hauses verrichtet. Und immer wenn ein Raum voll war, hatte er die Tür geschlossen und den nächsten Raum genutzt.
Arthur HippEs waren am Ende 22,4 Tonnen Kot und Papier in Säcken.
„Normalerweise haben wir bei einer vermüllten Dreizimmerwohnung sechs bis acht Tonnen Müll. In dem Haus haben wir vier Tage lang Kot und Papier rausgebracht. Einen fünften Tag hätten wir nicht mehr überstanden. Es waren am Ende 22,4 Tonnen Kot und Papier in Säcken“, sagt Hipp.
Angesichts dieser unfassbaren Summe und der Berücksichtigung des biologisch menschlich Möglichen muss der Papieranteil zwar hoch gewesen sein. Dennoch lässt selbst hartgesottene Entrümpler ein so tragisches Schicksal nicht kalt.
Erledigt werden die Aufgaben ohnehin gewissenhaft. Schließlich sind viele Kunden bekannt oder es gibt Verbindungen zu früheren Kunden. „90 Prozent der Kunden kommen auf Empfehlung“, sagt Tütüneken. Bei Hipp laufen fast alle Anfrage auf seinem Mobiltelefon ein. Gerät wie Nummer hat er seit 30 Jahren. „Wir machen keine Werbung, werden fast ausschließlich empfohlen.“