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Champlife-Gründer Nino Haralambidis

Nacktfotos im Internet: Trossinger an sexueller Ausbeutung beteiligt?

Trossingen / Lesedauer: 9 min

Eine Doku hatte die Vorwürfe publik gemacht. Zwei Brüder sollen Kurse angeboten haben, um Männern zu zeigen, wie sie mit OnlyFans richtig viel Geld verdienen. Zulasten der Frauen. 
Veröffentlicht:03.10.2023, 05:00

Von:
  • Katharina Schaub
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Zwei Brüdern aus Trossingen wird vorgeworfen, anderen Männern im Internet beigebracht zu haben, wie sie Frauen ausbeuten können. Am 12. September erschien ein Video auf dem YouTube-Kanal von „STRG_F“, einem Format des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Titel: „Inside Champlife: So drängen sie Frauen auf Onlyfans“. Bei Champlife handelt es sich um ein kostenpflichtiges Coachingprogramm, gegründet von Nino und Elias Haralambidis aus Trossingen.

Frauen zu Fotos gedrängt

In dem Video von „STRG_F“ kommen drei junge Frauen zu Wort. Sie alle berichten übereinstimmend, dass ihre ehemaligen Partner Mitglied bei Champlife waren und sie dazu gedrängt haben, Nacktfotos auf der Plattform Onlyfans hochzuladen.

In einem weiteren Video vom Y-Kollektiv, ebenfalls einem Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, schildern die Frauen ihre Erfahrungen ausführlicher. Wie sehr sie emotional unter dem Druck ihrer Partner gelitten haben. Wie eine von ihnen angefangen hat, sich zu ritzen. Und wie ihnen die Einnahmen systematisch vorenthalten wurden.

Wie man einen Onlyfans-Account gewinnbringend aufbaut, so berichten die Frauen, das sollen ihre damaligen Partner bei Champlife gelernt haben.

Partner Mitglieder bei Champlife

Gegründet wurde diese Plattform von dem 32-jährigen Nino Haralambidis und seinem 25 Jahre alten Bruder Elias. Die beiden Männer sind in Trossingen aufgewachsen, Nino Haralambidis besuchte hier die Realschule. Beide leben mittlerweile in Dubai.

Was an den Vorwürfen rund um Onlyfans dran ist, darüber gibt die Website von Champlife keinen Aufschluss. Hier gibt es zwar Artikel zu verschiedenen Themenbereichen, etwa „Töte deinen inneren Niceguy“ oder „Was einen Mann zu einer Pussy macht“, aber vieles ist als normaler Nutzer nicht lesbar. Ein Großteil von Champlife spielt sich hinter der Bezahlschranke ab, etwa in privaten Telegram-Gruppen.

Diese Artikel gibt es auf der Internetseite von Champlife. Viele davon sind nur mit einem Premium-Account lesbar. (Foto: Screenshot: Katharina Schaub)

Die Vorwürfe

Um mehr herauszufinden, haben die Redakteure von STRG_F jemanden bei Champlife eingeschleust und so rund sechs Monate in den privaten Gruppen mitlesen können. Im Video zeigen sie Ausschnitte davon. Etwa von Nino Haralambidis, wie er im Rahmen des Videokurses „Soul Locked“ folgendes sagt: „Eure Beziehung zu Frauen ist eine Diktatur.“ Der Mann solle im Zweifelsfall immer die Oberhand haben.

Oder Elias Haralambidis, der bei X (früher Twitter) schreibt: „There’s no money like pimp money“ (übersetzt: Es gibt kein besseres Geld als Zuhältergeld). In einem weiteren Video erklärt er, es sei wichtig, der Partnerin Grenzen aufzuzeigen, indem man „kontrolliert ausraste“.

Zudem kommt in dem Video ein ehemaliges Champlife-Mitglied anonym zu Wort. Er sei als Onlyfans-Manager tätig gewesen, sagt er STRG_F gegenüber, und habe dafür 50 Prozent der Umsätze einbehalten, es gäbe aber auch andere, die höhere Prozentsätze fordern. Liefert Champlife also eine Anleitung dafür, Frauen auf Onlyfans auszubeuten?

Gründer nimmt Stellung

„Noch nie haben wir in Champlife jemandem beigebracht, einen anderen Menschen auszubeuten, weder auf Onlyfans, noch sonst irgendwo“, antwortet Nino Haralambidis. Die Fragen unserer Redaktion beantworte er zunächst mit einer schriftlichen Stellungnahme und später am Telefon. Gegenüber „STRG_F“ hat er sich nicht geäußert.

„In Telegram können Nachrichten leicht sortiert werden und man kann sehen, wie oft jemand etwas erwähnt hat. Onlyfans wurde von Elias und mir insgesamt in 40.000 Nachrichten lediglich zehn Mal erwähnt“, sagt er. Dazu schickt er folgenden Screenshot mit, ein Ausschnitt aus einer Champlife-Telegramgruppe.

Nino Haralambidis beteuert, dass er und sein Bruder keine Anleitung für die Plattform Onlyfans und sexuelle Ausbeutung liefern. Um das zu belegen, sendete er unserer Redaktion diesen Auszug aus einer privaten Gruppe. (Foto: Screenshot: Nino Haralambidis)

In dieser Gruppe, so berichtet „STRG_F“, seien aber auch zahlreiche Nachrichten nach dem Erscheinen des Videos gelöscht worden. Haralambidis wiederum gibt an, dass zwar Mitglieder Beiträge gelöscht hätten, er und sein Bruder jedoch nicht.

Aus dem Kontext gerissen?

Und auch die Ausschnitte, die die Doku aus dem Programm zeige, würden nicht den eigentlichen Inhalt vermitteln, findet Haralambidis. „Die sind aus dem Kontext gerissen“, beteuert er. Als Diktatur habe er Beziehungen nur bezeichnet, weil eben nicht immer beide Recht haben können. Auf Nachfrage führt er aus: „Es ist aber schon besser, wenn der Mann das Sagen hat. Das Feminine will sich schließlich geborgen fühlen.“

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Und die Zitate seines Bruders wie „There’s no money like pimp money“? „Das hat Elias im Spaß geschrieben, das als Beweis für Onlyfans zu nehmen ist Blödsinn“, meint Haralambidis. Und das „kontrollierte Ausrasten“? „Das würden wir heute nicht mehr so sagen“, erklärt er. „Das findet Elias mittlerweile selbst cringe (zum Fremdschämen, Anmerkung der Redaktion).“

Ihm sei klar, dass die Beziehungsdynamik, die er vermittle „nicht für jeden ist“. „Ich schreibe das ja auch sehr provozierend“, erklärt er. Wird der Kurs also demnächst überarbeitet, wenn einige Aussagen veraltet oder zu provozierend sind? Haralambidis verneint. „Wenn wir jetzt etwas löschen oder ändern, dann sieht es ja so aus, als wäre an den Vorwürfen etwas dran“, so seine Argumentation.

Onlyfans ein Thema bei Champlifemitgliedern

Laut eigenen Angaben hat Champlife derzeit etwa 2000 Mitglieder ‐ darunter auch welche, die ihr Geld als Manager für Onlyfans verdienen, bestätigt Haralambidis. „Wir kennen die genau Anzahl nicht, haben nach der Doku aber eine Umfrage gestartet, bei der herauskam, dass 280 Mitglieder im Social Media- oder Onlyfans-Management tätig waren“, so Haralambidis.

Wie man Onlyfans-Management erfolgreich betreibe, so betont er, habe er zu keinem Zeitpunkt vermittelt. Er selbst und auch sein Bruder seien noch nie in diesem Bereich tätig gewesen. 

Vor zwei Jahren hatte ich eine Freundin, die selbstständig und ohne meine Hilfe auf Onlyfans erfolgreich war.

Nino Haralambidis

Ebenfalls bestätigen kann Haralambidis, dass sich Mitglieder von Champlife in den privaten Gruppen über das Thema Onlyfans-Management austauschen und auch Belege dafür zeigen. Mit dabei: Geldstapel und Kontostände, mit bis zu fünfstelligen Einnahmen. Und auch Tipps zu dem Thema dürfen die Mitglieder untereinander austauschen.

So wurde laut der „STRG_F“-Doku auch eine Anleitung für Onlyfans-Management von einem der Mitglieder geteilt, in der es heißt, man soll mit dem „Model“ schlafen. Ein Tipp, der an die sogenannte Loverboy-Methode erinnert.

Ähnlichkeit mit Loverboys

Mit diesem Thema beschäftigt sich Maren Hagel aus dem Referat Prävention bei der Polizei Rottweil. Welche Parallelen gibt es zwischen der Form von sexueller Ausbeutung, die die Betroffenen im Video beschreiben, und der Loverboy-Methode?

„Die Ähnlichkeiten sind durchaus da“, sagt Hagel. Insbesondere auf der psychologischen Ebene gebe es Parallelen. Ein zentrales Kennzeichen: „Fehlendes Opferbewusstsein. Gerade wenn ein junges Mädchen verliebt ist, sieht sie die Grenze zum Missbrauch nicht und wird auch nichts dagegen unternehmen.“

Das spiegele sich auch in den Dokus vom Y-Kollektiv und STRG_F wieder. „Gerade wenn eines der Opfer schildert, es war der erste Freund, der am Anfang viel für sie getan hat, wird klar: Das Opfer kennt nichts anderes.“

Dazu kommen im Laufe der Zeit „toxische, narzisstische Verhaltensweisen“ des Täters, die das Opfer von ihm abhängig machen. Oft findet auch eine Isolation des Opfers vom gewohnten Umfeld statt. Es folgen Drohungen und Gewalt, aber auch Liebesentzug, der oft ebenso verheerend wirken könne wie die ersten beiden Punkte.

Ein weiteres Kernproblem der Loverboy-Methode: Schuld und Scham spielen eine extrem große Rolle. „Gerade wenn Bild- und Videomaterial gemacht werden, sind die Opfer damit erpressbar“, sagt Hagel.

Bindung von Opfer und Täter

Zentral ist für Maren Hagel aber vor allem eines: Die sogenannte Trauma-Bindung, die in verschiedenen Fällen eine Rolle spielen kann. Sowohl bei sexuellem Missbrauch im Kindesalter als auch bei häuslicher Gewalt oder der Loverboy-Methode. „Wenn jemand Vernachlässigung oder Missbrauch erfahren hat, dann ist das für diese Person normal. Sie weiß nicht, wie sich Sicherheit und richtige Liebe anfühlen.“

Es kommt zu einer emotionalen Bindung des Opfers an den Täter, die dafür sorgt, dass das Opfer Veränderungen seiner Situation extrem scheut. Das kann sogar soweit gehen, dass betroffene Frauen zu den Tätern zurückkehren.

Einen großen Unterschied sieht Hagel jedoch: Loverboys haben in der Regel Verbindungen zum organisierten Verbrechen, sie bringen mit ihrer Masche Frauen gezielt in die Prostitution. Und: „Ein Mädchen in der Doku hat den Onlyfans-Account von selbst vorgeschlagen, ihr Freund ist darauf eingestiegen. Das ist ein eher untypisches Beispiel“, erklärt sie. Ob die beiden Haralambidis-Brüder polizeibekannt sind, dazu darf Hagel keine Angaben machen.

Um gegen die Loverboy-Methode und andere Formen der sexuellen Ausbeutung vorzugehen, brauche es vor allem eins: „Information, Information, Information“, sagt Hagel. Je mehr Bewusstsein es rund um das Thema gebe, desto eher könne es jemandem auch die Augen öffnen.